Bitte warten...

[OBF-421225-001-04]
Briefkorpus

Erster Weihnachtsfeiertag, 1942

Herzensschätzelein! Geliebte! Du! Meine [Hilde]!!!

Mein feines Stübel! Und ganz allein hab ich’s! Und vor mir der lange Abend! Und morgen wieder ein Feiertag! Oh Du! Jetzt komm ich aber zu Dir, Geliebte, Geliebte!!! Oh Du! So froh beschwingt! Ach Herzelein, gedrängt von lauter Liebe! Du! Du!!! Bin vom Spaziergang nach Hause. Grau der Tag wie all die Tage daher. Um null die Temperatur. Bin wieder dahin gegangen, wo ich am schnellsten die Stadt und die Menschen hinter mir habe, wo man fast einsam gehen kann, unter einer schönen Allee stattlicher Bäume – ist auch die Straße, die ich wandern müßte, wenn ich zu Dir wollte – Plojest ist das nächste Ziel. Ach Herzelein! Warst immer bei mir in Gedanken. Und ich war ganz bei Dir! Und habe gerätselt, wo Du nun weilen wirst heute, wo ich Dich finden kann. Weißt, wenn ich wieder in Urlaub komme, und ich muß wieder zurück, da steck ich mir eine lange, lange Schnur ein, die lasse ich abrollen – das ist dann unser Telefon. Ach Du! Besser noch, ich bleib gleich ganz bei Dir, dann ist das Telefon ganz einfach und viel schöner, weil man sich dann noch viel artigere Dinge sagen kann, gelt? Magst Dir denn artige Dinge von mir sagen lassen? Du! Du!!!

Herzelein! Nun hab ich auch schon Kaffestunde [sic] gehalten und feinen Stollen dazu gegessen von Dir – und Bohnenkaffee gab’s – hörst nicht mein Herzel klopfen? – und rennen mußt ich auch schon mal – fix, fix, sonst geht’s in die Büx, Büx [sic] – ist auch weiter nix! Ich hab’s ja nicht weit.

Ach Du! Schätzelein! Wie geht es mir doch gut! Ich bedenke es sooo dankbar!

Hast heute zu mir gezankt in Deinem lieben Boten, daß mir erst gleich mal das Herz geklopft hat – Du! Schätzelein! Ist mir ein Mißverständnis, ein kleines, das wir doch gleich ins Reine bringen wollen. „Du sagst es zu meiner Verwunderung, daß mich wohl ein andrer Mann außer Dir lieben könnte, daß ich ebensolchen wie Dich finden könnte, einen besseren noch – Geliebter Du! Wenn Du es nicht wärest, der mir so etwas schreibt, ich müßte ja zweifeln an seiner Liebe, oder an seinem Verstan[d]." Und "wie oft haben wir einander schon versichert, daß wir von nun an solche Gedanken ganz ausschließen wollen aus unserem Zusammenleben." [Er zitiert Hildes Brief [421219-002-01]] So zankst mich aus, Schätzelein. Du! Was ich da schreibe steht doch in einem Zusammenhang, aus dem man es nicht herauslösen kann, ohne es zu entstellen. Und daß ich meinen Gedanken diese Wendung gab – ich tat es, indem ich auf Deine Gedanken einging: „Ich muß Dich liebhaben über alles in der Welt. Und wie ich Dich liebhabe, das empfinde ich auch so deutlich immer wieder, wenn mir im Dienste so viel fremde Männer begegnen. Ach Du! Dann seh ich vor mir Dein geliebtes Bild doppelt hell leuchten. Ganz mein, Du! Bist ganz mein Einzigstes! [sic] Und wenn sie auf nett und höflich sind und neben einer großen Prozentzahl andrer Achtung verdienen, so reicht doch kein einziger an Dich heran, mein [Roland]. Du bist der einzige, dem mein Herz sofort und so ganz zufliegt. Weil Du allein alle Eigenschaften besitzt, die mir lieb, wert und so vertraut sind." [er zitiert Hildes Brief [421208-0020-2]]

Herzelein! Lies das noch einmal fein ruhig nebeneinander.

Oh Geliebte! Ein Geheimnis ist das Wunder großer Liebe! Und unsre Liebe ist ein solches Wunder, das heißt, sie reicht ins Unerklärliche, ins Unergründliche, ins Unsagbare – und das ist doch unser Glück, des sind wir sooo froh.

Solch heiße Liebe aber entzündet sich nicht am Vergleichbaren, sondern gerade am Unvergleichbaren, am Einmaligen, am Besonderen, am Wesentlichen – und sei dies Besondere eine Abnormität, ja eine Häßlichkeit. Solch heiße Liebe gründet sich in dem Bewußtsein, ein ganz Eigenes, ein ganz Neues darzustellen.

Herzelein! So viel wir uns in dem Einmaligen, Besonderen lieben, soviel feinste Herzfäserchen wir ineinander senken und durch sie einander erfassen mit unsrer Herzenskraft, soviel wir ein ander in dem Besonderen erfassen mit aller Herzenskraft – so viel lebt in uns heiße, innige, unverlierbare Liebe.

Oh Du! Geliebte! Geliebte mein! Mit tausend Herzensfasern hänge ich an Dir! Mein einziges, geliebtes Weib! Und in diesen Herzfasern kreist mein Herzblut, meines Herzens Kraft – oh Du! Du!!!

Und Du liebst mich nicht anders. Und unser Gefecht hier geht nicht um Auffassungen, sondern um Gedanken. Herzelein – und ich war nicht auf Abwegen mit meinen Gedanken. Ach Herzelein, so wie die Ungeduld darüber, daß fremde Männer Dir begegnen dürfen, ich Dir aber ferne sein muß, noch kein Mißtrauen ist und keine Eifersucht. Oh, Du verstehst diese Ungeduld, Du empfändest sie wie ich, und kannst mitempfinden, daß solche Ungeduld zum Schmerz sich steigern könnte, wenn ein Dienst Dich zwingen würde, täglich nur um fremde Männer zu sein. Ich liebe Dich zu innig.

Herzelein! Führst mich in Deinem lieben Freitagboten zurück – oh Du! Geliebte! Du weißt, wie gerne ich selber alle unsre Wege, unsre Schritte noch einmal gehe – bis hin zu unserem Glück, zum vollkommenen Glück – oh Herzelein – und so wird jeder Tag unsres gemeinsamen Lebens, das Gott uns in Gnaden schenken möge, ein Schritt vorwärts sein zu glückhafter Erfüllung unsres Lebens.

Herzelein! Unser Gang zum Weihnachtsmarkt in Hohnstein – ach Du! Liebe auf Umwegen – so könnte man eigentlich über unser bisheriges Leben schreiben, gelt? Mit einem feuchten und einem fröhlichen Auge. Und warum auf Umwegen? Ach dazu gibt es doch gar keine vernünftige Erklärung. Und der solche Umwege führte – ich glaube, es ist war das Mannerli zumeist – und der es darin verstand und glücklich ihm folgte – das war mein Herzensschätzelein. Ach Geliebte – Du! Du!!! lauter Umwege, Umwege so, daß wir manchmal fast nicht weiterkonnten: denkst Du an den knietiefen Schnee in Böhmen? – Unsre Begegnungen über die Ferne – Dein Einzug ins Glückshäusel nach Mitternacht – die Einkehr in Deinem Elternhause, auch mit einem Umwege vorher und einem Ausreißer nachher – ach Du! Du!!! Oh Herzelein!

Ich glaube, die Welt war mir zu eng manchmal, war mir nicht heimlich genug für das Erblühen unsrer Liebe. Weit entführen mußte ich Dich immer, tiefste Zweisamkeit mit Dir aufsuchen, in der die zarten Herzfasern Dein Herze, Dein Wesen unfaßten – oh Geliebte! [siehe Ausschnitt aus dem Brief]

Die Umwege all sind der Weg zuunseren Herzen, zu unsrer Herzens Mitte, sind der Weg zu unserem Eigen, zu unserem Ureigen – zum Lande unsrer Liebe – und so wahr zwei andre nicht dieselben Steige gehen, ist es unser Land, unser Eigen.

Oh Geliebte! An dem Wandel meines Gefühls der Sicherheit beim Betreten Deiner Heimat, Deines Elternhauses erkenne ich untrüglich, wie ich Dich ganz gewonnen habe – von der anfänglichen Unsicherheit des Sichbeobachtetfühlens, Herzelein, zu dem Gefühl, das mich jetzt beseelt: Daß ich meiner Heimat zustrebe, oh Du, so gerade und sieghaft, daß alles rings um mich versinkt und ich nur ein Schloß schaue, in dem meine Prinzessin wohnt – oh Geliebte, Du, mein Herzlieb, mein Weib, das zu mir gehört wie mein eigen Herz, zu dem ich mich bekenne in Liebe und Treue, so glücklich mich bekenne – zu ihm u[n]d seinen Eltern und seiner Welt – zu ihm frei mich bekenne – oh Herzelein! Du bist ganz mein Eigen geworden!!! Du! Du!!!!! !!!!! !!! Ich habe Dich von ganzem Herzen lieb gewonnen. Oh Geliebte! Grenzen die Landschaften unsres Liebgewinnens nicht an das Märchenhafte? Auf der Friedensburg, weites Land zu unseren Füßen – auf dem Dom, – viel Schönheit um uns gebreitet – in der Heimlichkeit des Glückshäusels – im Zauber des Böhmerlandes — in der Tiefe und Heimlichkeit der Gründe der Sächsischen Schweiz – im Schreiten zur alten Augustusburg – im Winterdämmern auf den Zinnen des Pöhlsberges — oh Herzelein, da gewann in Dich lieb, da wurdest Du mein, da öffnete sich Dir mein Herze – oh selige, köstliche Zeit!!! [*] Vorbei diese Zeit – vorüber für immer? Oh Geliebte! Nein!!! Unterbrochen nur dies gemeinsame Erleben – oh Herzelein – und abgelöst seither durch Land- schaften der Seele, nicht minder reich, ach, viel schöner, reicher und märchenhafter noch!!! Herzelein! Prüfen konnten wir unser Begegnen - es war ein Zusammenwachsen doch, ein Erfassen und Gewinnen, ein Zueigenmachen.

Oh Geliebte! Und ich durfte Dich führen – und Du bist sooo lieb mir gefolgt – daß ich ganz vergessen konnte, daß ich Dich führte – daß ich nur noch ganz glücklich Dich mir zur Seite fühlte, mein liebster Gefährte!!! Herzlieb! So gleich gestimmt sind unsre Herzen, so verwandt unsre Wesen. Oh Du! Wie denke ich so glücklich und voll Sehnsucht unsrer künftigen Wege! Sei Gott mit seinem Segen bei uns! – Und Dein lieber Kuß damals? Ach Herzlein! Er hatte Dich doch mehr aus der Fassung gebracht als mich! Du!!! Herzelein! Wenn ich mich recht besinne, haben wir uns auf derselben Bahnfahrt ganz heimlich und zärtlich aneinandergeschmiegt und süß verschränkt – weißt, das war dem Mannerli viel kühner und lieber als ein Kuß – zum Küssen war es noch ein großes Dummerle – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Herzelein, jetzt nehm ich aber den Faden von gestern wieder auf. Bei der Bescherung war ich doch. Ein Stapelbuch hast mir geschenkt. Du! Das sah ich doch hier in der deutschen Buchhandlung ausliegen - bei der nächsten Löhnung hätte ich es mir gekauft – wie freudig war ich nun überrascht – ach Herzelein - ich glaube, dieser Mann ist mein liebster Freund, und er soll es auch Dir noch werden – und dies Buch gibt dazu so schöne Gelegenheit – es ist wieder eine Fundgrube von Einsichten und Weisheiten. Dieser Mann ist so wahr und ehrlich und gerade in seinem Denken, so abhold jeder Gespreiztheit und Geheimniskrämerei, er hat sich bei seinem scharfen, geschliffenen Geist eine seltene Gläubigkeit bewahrt. Schätzelein, an diesem Buch werden wir viel Freude und unseren Gewinn haben. Hast wohl nicht erfahren, ob er gestorben ist. Ach, er wird schon noch leben. Ich erwarte von ihm noch ein umfassendes Werk über unseren Christenglauben. Daran arbeitet er bestimmt, darum geht sein Ringen. Seine Einsichten sind mir ein Anhalt, ein Wegweiser.

Ja, Geliebte! In dem neun Buche habe ich eine Weile gelesen – und dann überkam mich eine Müdigkeit, ach Herzelein - das Bedürfnis, einmal auszuruhen von allem Streit, einmal ganz Frieden werden zu lassen! Und dazu fehltest Du doch, daß ich hätte an Deinem Herzen mich bergen und ausruhen können. Aber es war doch auch so schon viel Frieden und Freude in mir – und so bin ich denn um 10 Uhr in mein Bettlein gegangen.

Und nun ist er spät geworden wieder, Herzelein! Ich wollte noch andre Briefe schreiben – ach, ich lasse mich nicht beengen jetzt zu den Festtagen. Ich mein es gut mit allen, muß doch aber erst mit dir alles ausreden.

Herzelein! Ich denke Dein in treuer, lauterer Liebe! Ich glaube an Deine Liebe! Ich glaube an unser Glück, unser Schicksal! Und glaube, daß Gott, der Herr uns segnet, wenn wir ihn nur recht lieben! Er behüte Dich auf allen Wegen! Er erhalte Dir Deine Herzenssonne und -fröhlichkeit.

Oh Geliebte! Dein Bildnis strahlt es, und mein Herze schlägt es: Du bist mein!

Bist ganz mein!!! Und ich bin Dein!

Ewig Dein [Roland], Dein glückliches Mannerli!

 

 

[*] Alle in diesem Brief unterstrichenen Textstellen sind mit einem roten Marker (eventuell später und nicht von Roland) hinzugefügt worden.

Karte
Kommentare

Der Brief kann wie folgt zusammengefasst werden: Roland beteuert Hilde seine Liebe und nimmt dabei Bezug auf einen Auszug aus einem vorangegangen Brief von Hilde, indem sie schreibt, er solle nicht an ihrer Liebe zweifeln. Er erinnert an verschiedene Ausflüge, die sie zusammen unternommen haben. Roland bedankt sich für ein "Stapelbuch", das Hilde ihm zu Weihnachten geschenkt hat.

Wilhelm Stapels Gesinnung war deutschnational und antisemitisch! Nach der "Kindlmutter" von Maria Grengg das zweite Mal, dass mir auffällt, dass ein nationalsozialistisches Buch gelesen und gelobt wird.

Einordnung
Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.421225-001-04b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946