№ 6
Im Osten, den 12. Januar 1942.
Meine liebe [Ella]!
Für Deinen Silvesterbrief meinen herzlichsten Dank! Hab mich sehr dazu gefreut. Überhaupt, daran werd ich immer meine Freude haben.
Eigenartig, daß wir beide über das vergangene Jahr nachgedacht haben. Ich mein damit, was uns beiden anbetrifft. Ob wir auch wohl beide dran gedacht haben, wie‘s wohl bei der kommenden Jahreswende aussieht?
Den Film „7 Tage Heimaturlaub“ hab ich leider nicht gesehen. Hab zur Zeit auch kein Verlangen danach. Und Dir [sic] hat der Film enttäuscht, weil Du Dir son [sic] Fall viel, viel schöner vorstellst? Ja, [Ella], wenn es erst soweit ist, wird es auch schön; sehr schön sogar. Davon bin ich schon heute überzeugt.
Glaubst Du es wirklich, ist es wahr, bist restlos davon überzeugt, daß ich die Meinung der jungen Freiwilligen teile? Gewiß, hätte mir vor Erhalt Deines letzten Briefes, jemand diese Frage vorgelegt, ich hätte dran gezweifelt. Ich bin kein großer Frauenkenner, [Ella]. Doch ich hab es noch nicht erlebt. Ich glaube von dieser Sorte Mädels gibt‘s in ganz Bergedorf keine 10. Darauf kannst Du stolz sein! Und daß dies Dein größter Stolz ist, [Ella], versteh ich nur zu gut.
Doch ich will Dir die Antwort nicht schuldig bleiben, ich glaube es. – Du wirst Dich nun sicher fragen, ob ich immer so leichtgläubig bin: Ich will Dir mal was sagen, [Ella]. Wenn Du mich auf diesem Gebiet belügen könntest [Ella], und ich würde es erfahren, würde meine Liebe zu Dir in Verachtung übergehen. Und zweitens wenn wir das nicht glauben wollen was wir, oder worüber wir uns schreiben, dann hat doch unsere ganze Schreiberei keinen Sinn mehr. Oder bist Du anderer Meinung, [Ella]?
Auf dem Kerbholz hab ich auch nichts [Ella]. Weder hab ich mal gestohlen oder sonstetwas [sic] verbrochen. Die Polizei hat mir noch nie etwas anhaben können und kann es auch in Zukunft nicht. Warum ich aber trotzdem vor meinen Eltern Geheimnisse habe, ist Dir schleierhaft. Gewiß [Ella], kannst Du auch nicht verstehen. Doch sollte unser jetziges Verhältnis Formen annehmen wo Du es eben wissen mußt, werde ich es Dir auch erzählen, [Ella]. Doch bis dahin ist es ja noch ein weiter Weg. Das kann ich auch nur, wenn wir uns erst persönlich richtig kennen.Gewissen
Doch Irma, die Sache mit den Küssen die nicht der Rede werd [sic] waren und ein anderes Mädel suchen und so – war doch ein Scherz. [Ella] ich bitte Dich.
Doch nun sei recht vielmals gegrüßt und geküßt.
Dein [Albert]
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Albert Müller
Albert Müller wurde 1919 geboren. Seine Familie kam aus Escheburg in Schleswig-Holstein. Auch in anderen schleswig-holsteinischen Orten hatte er Verwandtschaft. In seinen Briefen machte Albert Müller oft Andeutungen, dass es Geheimnisse bezüglich seiner Eltern gebe, die er erst später preisgeben
Lohbrügge
Der Briefwechsel von Ella und Albert Müller befindet sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Erhalten sind fast 900 Briefe und Postkarten. Gesammelt wurden sie von Ella Müller, die Briefe von ihrem Ehemann, aber auch von Familienangehörigen aufbewahrte, zum Teil