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[LBR-420114-005-01]
Briefkorpus

Im Osten, den 14. Januar 1942

Meine liebe kleine [Ella]!

Dein zweites Weihnachtspäckchen ist leider noch nicht eingetroffen. Dieses Warten darauf, macht mich schrecklich ungeduldig. Denn ich warte doch, so furchtbar lange schon, auf ein gewisses Etwas von meiner kleinen [Ella]. Verate [sic] mir doch bitte mal, was da drin ist. Bist mir doch etwa nicht böse drum?

Weißt Du, [Ellachen], die Russenmädel aus Deinem letzten Brief liegen mir noch son [sic] Bischen [sic] auf dem Magen. Ganz abgesehen davon, daß mir der Schuh in keinster Weise paßt. Dennoch will ich Dir kurz ein kleines Bild von Russenmädels geben. –

Die russische Zivilbevölkerung leidet hier furchtbar an Hunger. Das ist einfach unbeschreiblich! Menschen die an Hunger sterben, sieht man täglich. Doch daran darf man sich nicht stoßen. Tun wir auch nicht. Daran sind ja nicht wir Deutschen schuld. Man erlebt die tollsten Sachen. Doch hier soll ja lediglich von Mädels die Rede sein. Die große Masse ist dreckig und speckig. Ganz abgesehen davon daß ein großer Teil der Mädels krank ist. Daran denkt bei uns nicht mal einer dran, sich damit einzulassen. Doch es gibt auch Ausnahmen. Und diese wiederum kommen ja auch zu jeder ixbeliebigen [sic] Zeit zu uns Soldaten und betteln um Brot; weil sie Hunger leiden. Doch meistens vergebens. Da zeigt es sich dann wer den inneren Schweinehund überwindet; und der wer dann die Gelegenheit ausnutzt und sich treiben läßt. Gott sei Dank sind dies nur blitzwenig. Gewiß, wer dabei geschnappt wird, wird schwer schwer [sic] bestraft.

So sieht diese Lage aus. Und nun meine Einstellung dazu. Von den Mädels kann ich das verstehen. Sie haben Hunger. Und Hunger tut weh, bitter weh! – Ich verstehe auch, daß ein Mann, der ein bis 1 einhalb [sic] Jahren [sic] nicht mehr auf Urlaub war, und dann gar noch verheiratet ist, Bedürfnis nach einer Frau hat. Aber in meinen Augen sind diese Kameraden hundsgemeine, minderwertige Kerle. Denn darin kann man sich beherrschen. Man muß es nur wollen. Denn wo sollte das wohl hinführen, wenn es die Frauen daheim auch so machen wollten? Denn denen geht es doch genau so. Ich glaube wir haben uns verstanden [Ella].

Weitere Worte, wie von: Rasse, und Ehrgefühl dürften wohl überflüssig sein.

Wie war es denn am Neujahrstage im Theater? Wars [sic] schön? Im Hansa-Theater war ich noch garnicht [sic]. So, Else L. hat sich ein wenig plötzlich verlobt. Laß sie man, wird wohl Ihre [sic] Gründe gehabt haben. Walter schrieb mir mal, wenn der Krieg aus ist und wir kommen nach Haus, sind wohl alle Mädels weg, und und unter die [sic] Haube. – Doch er weiß da Rat und ich auch. Nun ist mein Blatt voll!

Es grüßt Dein [Albert]

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Autor Albert Müller
Korrespondenz Lohbrügge
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Über den Autor

Albert Müller

Albert Müller wurde 1919 geboren. Seine Familie kam aus Escheburg in Schleswig-Holstein. Auch in anderen schleswig-holsteinischen Orten hatte er Verwandtschaft. In seinen Briefen machte Albert Müller oft Andeutungen, dass es Geheimnisse bezüglich seiner Eltern gebe, die er erst später preisgeben

Über die Korrespondenz

Lohbrügge

Fotografie einer handgeschriebenen Liste mit Zahlen, aus dem Konvolut Lohbrügge, die Briefdaten sortiert.

Der Briefwechsel von Ella und Albert Müller befindet sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Erhalten sind fast 900 Briefe und Postkarten. Gesammelt wurden sie von Ella Müller, die Briefe von ihrem Ehemann, aber auch von Familienangehörigen aufbewahrte, zum Teil