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[NGM-400925-004-02]
Briefkorpus

Hbg.-Neuengamme, d. 25.9.40.

Mein lieber [Heinrich]!

Dein langer Brief an Mutti u. Papa u. meine kleine Karte sind heute angekommen. Papa sagt: „Er hält anscheinend mehr von uns als von Dir“ u. schmunzelt dann dabei. So einen langen Brief habe ich ja auch wirklich noch gar nicht bekommen. Eigentlich hast Du ja gar nicht verdient, daß Du heute schon wieder ein Päckchen bekommst. Aber ich hoffe ja, daß Du Dich besserst in Bezug auf Briefeschreiben. Mein dementsprechendes Schreiben mit Material hast Du doch hoffentlich inzwischen erhalten. Von Wilhelm (Hamburg) habe ich heute einen langen Brief bekommen. Er liegt noch in Bartenstein (Ostpreußen), hat das Kasernenleben auch schon lange satt u. rechnet siet seit einiger Zeit damit, daß er aus Bartenstein fortkommt. Er schreibt, die Mädchen läßt er dort ganz zufrieden, er habe keine Gelegenheit u. Zeit dazu. Er macht allein Ausflüge in die Natur, da träumt es sich schön.

Wo Du nun Post bekommen hast, u. wenn Du dies heute bekommst, dann hast Du ja inzwischen schon sehr viel mehr bekommen, da bist Du doch gleich ganz anders gestimmt. Fast 14 Tage hast Du ja auch gar nichts von uns gehört. Das ist ja auch immerhin schon eine ganze Zeit. Da hatte ich es doch noch etwas besser. 5 Tage ist ja jetzt das Längste gewesen, wo ich habe warten müssen, u. das war schon so eine entsetzlich lange Zeit. Wenn man einen Brief bekommen hat, dann ist man gleich ein ganz anderer Mensch u. tut seine Arbeiten auch viel lieber. Oder geht es Dir nicht so? – Günter foppt mich immer, daß ich schon wieder an Dich schreibe. Als ich neulich so lange keine Post von Dir bekam, hat er sich immer gesagt: Oh, der hat da schon längst ne andre.

Heute nachmittag traf ich Ilse T.. Eine halbe Stunde haben wir ungefähr zusammen geklöhnt [sic]. Dann kam Walther inzwischen schon von der Kaserne. Wie Ilse mir erzählte, wollen sie sich auf der Silbernen Hochzeit ihrer Eltern verloben, das wäre am 29. Nov. Ein neues Kleid, blauen Sammet, hat Ilse sich schon gekauft. Sie wird dann wohl die zweite aus der Klasse werden, denn ich nehme nicht an, daß in diesen zwei Monaten ihr noch eine zuvorkommen wird. Aber, daß Ihr dort schon keine Fensterscheiben mehr habt, das ist ja fast beängstigend. Hörst Du denn die Bombeneinschläge dort auch? Kommen die Engländer dort jede Nacht? Wie denkst Du denn nun über den weiteren Verlauf? Geht es noch rüber auf englisches Festland? Und kommst Du da auch mit? Vor mir stehen immer noch die schönen Nelken, die wir von Z.s bekommen haben. Die halten sich wunderschön. – Hoffentlich kommt auch dieses Päckchen gut über! Sind die Äpfel noch unbeschädigt?

Herzliche Grüße

Deine [Hannelore]

[*] Hermann E. ist heute wieder ins Krankenhaus gekommen. Er ist wieder geröngt [sic] worden. 4 Wochen muß er noch mit einem Gipskorsett liegen, dann soll er im Lederkorsett versuchen aufzustehen. Hoffentlich wird er dann bald ganz gesund. Eggers waren bei dieser Nachricht schon so froh.

[**] Kannst Du mir das Band wohl wieder zurückschicken, das ist hier so sehr knapp.

[* = am linken Seitenrand von oben nach unten angefügt]

[** = auf der Vorderseite am linken Seitenrand von oben nach unten geschrieben]

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost