Nr. 6
Hbg. - Bergedorf, d. 7. Okt. 1940.
Mein lieber [Heinrich]!
Nun habe ich Dir am Sonnabend eine weniger schöne Karte geschrieben, u. heute bedaure ich natürlich, daß ich das geschrieben habe. Aber ich war wohl beim Empfang des Briefes, wie Du wohl auch beim Erhalt meines damaligen Schreibens, etwas reichlich empfindlich, u. dann geht so die Stimmung mit einem durch. Aber solche Sachen gehören in die Vergangenheit.n
Gestern habe ich nun zwei Päckchen mit Wolle erhalten. Ein drittes Wollpaket muß gemäß Deinem Schreiben vom 1. Oktober, das ich gestern bekommen habe, ja noch folgen. Das ist aber wirklich schöne Wolle, so etwas hat man ja hier schon lange nicht mehr kaufen können. Ich danke Dir herzlichst dafür. Soll ich Dir den Pullunder jetzt gleich stricken u. ihn Dir noch ins Feld schicken, oder brauchst Du ihn dort nicht? Machst Du gerne Zopfstrickerei leiden? Hast Du irgendwelche Wünsche, wie er gemacht werden soll? Ich muß noch einige Muster haben, da schicke ich Dir heute abend mal welche. Hast Du einen Pullunder, den ich als Maß nehmen kann für Länge u. Weite, sonst mußt Du mir Deine Maße mal angeben. (Länge des Pullund., Schulterbreite, Achselbreite, Tiefe des Ausschnittes vom Halsansatz gemessen; Taillenweite, Brustweite) Danach kann ich mir dann ein Muster machen, nachdem ich stricke. Dich selbst kann ich ja leider nicht zum Messen u. Anprobieren nehmen, was ja immer das beste ist, wenn es passen soll. Aber wenn Du mir diese Angaben schön genau machst, wird es auch wohl so gehen. Vielleicht hast Du ja aber einen Pullunder, der Dir gut paßt, den Du mir dann bitte beschreiben willst, damit ich ihn suchen kann. Für meine weiße Wolle werde ich mir am besten eine schöne Jacke stricken; eine Hose habe ich mir inzwischen schon fertig gekauft, da die andere Wolle, die ich mir Ostern in Salzhausen gekauft hatte, doch nicht gereicht hätte. Einem Muster nach müßte ich 250 g verbrauchen, ich hatte aber nur 150. Deine Farbe mag ich als Herrenpullunder sehr gerne leiden. Daß Du nun gleich eine Hutglocke gefunden hast, ist ja herrlich. Du bist wirklich ein süßer Mann. Ich hätte Dich nur zu gerne beim Einkaufen mal beobachtet. Was Mutti nun wohl sagen wird, wenn nun doch noch so eine Hutglocke ankommt, wo sie mich deswegen doch schon so viel ausgeschimpft hatte. Wann sie wohl kommt u. wie sie wohl aussieht?T
Die Zigarren für Papa sind noch nicht übergekommen. Er wird sich sicher sehr freuen. Auch die Süßigkeiten, von denen Du schreibst, sind bis jetzt noch nicht da. Sie werden dann wohl im dritten Wollpaket sein, das den Absender O. trägt.
Gestern war ja Familie H. bei uns, d.h. Dieter hatte Dienst u. konnte nicht mitkommen. Ilse u. Walter sind nachmittags auch tatsächlich gekommen. Wie gewöhnlich war hier einmal wieder Regenwetter. Nach dem Kaffee sind wir dann nach Curslack rübergegangen. Du kannst Dir wohl vorstellen, wie begierig sie waren. Sie mögen aber alles gerne leiden. Herr H. war besonders interessiert für das Herrenzimmer. Ilse u. Walter mochten am liebsten das Wohnzimmer, die hellen Möbel, H.i fand alles herrlich. Wenn wir ihre Wohnung erst einmal besehen. – Von H. habe ich eine Kuchenzange, vielmehr Gebäckzange bekommen.
Es war sehr schön gestern. Leider wollten H.s schon um 2020 fahren, um nicht Gefahr zu laufen, irgendwo in den Luftschutzkeller zu müssen. Walter u. Ilse sind bis zum nächsten Zug geblieben. Das ist jetzt so ein recht verliebtes Pärchen. Ich kann mir ihn nicht vorstellen, daß er auf dem Kasernenhof eine große Klappe haben soll. Mit langem Degen u. Sporen war er da, das hatte Ilse (T.) natürlich gern. H.i allerdings war verwundert, daß er erst Gefreiter war. T. ist „restlos glücklich“, H.i allerdings auch, aber er ist ja nicht mehr hier. H.s Freund ist ja neulich erst 20 Jahr alt geworden, aber trotzdem sind sie sich schon einig, daß sie sich heiraten wollen. Das geht doch wirklich schnell, was? Fängt gleich mit „Du“ und Kuß an u.s.w. „Die Jugend von heute“ würde mancher sagen.
Sonnabend war ich ja nun in Hamburg, habe auch einen Sessel ausgesucht. Der Stoff, den Mutti damals ausgesucht hatte, war schon vergeben. Er hatte noch einen Reststoff für einen Sessel gerade, der noch sehr schön von Qualität war, den habe ich jetzt bestellt. Es ist rötlicher Plüschstoff, noch sehr schön dick. Die Form so wie der bei mir zu Hause. – Außerdem habe ich mir Kacheltische angesehen. Es waren einfache da, nur mit Holzleisten unter den Kacheln, etwas steif aussehend finde ich: Preis 38,- ca. Dann habe ich einen herrlichen Tisch gesehen mit handgemalten Kacheln u. schrägen Beinen, Holzvertäfelung von unten, oben etwas breiterer Holzrand um die Kacheln herum, kostet aber RM 118,- In etwas kleinerer Ausführung RM 98,- Sie sind beide sehr hübsch. Der größere würde sich jetzt auf unserem Flur wohl gut machen, aber ich glaube, es ist doch wohl etwas reichlich teuer. Was meinst Du?die
Vielleicht finden wir später zusammen auch noch was Schönes. Meine Erkältung hat sich diesmal nicht lange aufgehalten. So schnell wie sie gekommen war, ist sie auch wieder verschwunden. Ich muß noch mal mit Husten oder Schnupfen, aber nur sehr selten am Tag. Heute morgen hatten mächtigen Sturm, zeitweise Schauer. Das letzte Stück, von der Krapphofschleuse bis zur H.M.G. [*] hatte ich den Wind im Rücken, das flog man so. Die mir entgegenkamen, strampelten tüchtig. Gleich werde ich das Vergnügen haben.
Heute abend schicke ich Dir noch ein Päckchen mit der gewünschten Zahnpasta. Übrigens, wenn es dort noch Toilettenseife gibt, könntest Du mal ein Stück schicken. Wir haben hier nur die Einheitsseife. Danach kriegt man so spröde Hände.
Herzliche Grüße
Deine [Hannelore]
Heute will ich einmal versuchen, ob meine Uhr endlich heil ist.
[* = Hanseatische Motoren - Gesellschaft m.b.H. Hamburg - Bergedorf]
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Hannelore Wilmers
Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als
Neuengamme
Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost