Nr. 9.
Hbg. - Neuengamme, d. 9. Oktober 40.
Mein lieber [Heinrich]!
Heute kam nun das dritte Wollpaket an, aber nicht, wie Du schriebst, unter dem Namen O., sondern unter A. S.. In diesem Paket waren auch die Süßigkeiten enthalten. Wir haben alles ehrlich geteilt. Günter hatte sein Teil natürlich wie immer gleich auf, jetzt giert er bei uns herum. Solche süße Masse habe ich vorher noch nie gesehen u. auch noch nie geprobt. Sie schmeckt ganz gut. Aber die Schokolade ist ja einfach einzigartig, so was hat es ja wohl früher hier nicht mal gegeben, oder hat man nur dafür den Geschmack verloren. Sogar Günter hat gemeint: O, die schmeckt aber, obwohl er sonst doch immer man so hinunter“frißt“. Ich habe jetzt drei Wollpakete bekommen. 600 g rote Wolle u. 400 g weiße Wolle, das ist doch nun alles, nicht wahr? Mit Absender Kan. O. mußt Du Dich doch dann versehen haben. Gestern kamen Deine beiden Briefe Nr. 8 u. Nr. 9 vom 3. u. 4. Oktober. Auch das Zigarrenpaket für Papa ist gestern angekommen, auch unter dem Namen S.. Schickt der gute Mann denn gar nichts, daß er Dir sogar schon zwei Pakete gelassen hat? Die Zigarren sind erst einmal eingehend berochen worden, u. jeder stellte erneut fest, daß der Duft viel intensiver sei als bei unseren. Ich habe dann gleich eine für Papa anrauchen dürfen. Sie hat Papa sehr gut geschmeckt. – Gestern Aug. las ich in Deinem Brief, daß die Sparkasse mir Kontoauszüge schicken sollte. Heute kam der Brief schon an. Ich gebe Dir nachstehend die Angaben:sch
Alter Stand | Datum | Geschäftsvorg. | Lastschr. | Gutschr. | Neuer Stand |
Soll Haben | Soll Haben | ||||
357,84 | 16.8. | 350,00 | 7,84 | ||
7,84 | 26.8. | (Krankenkasse) | 4,00 | 11,84 | |
11,84 | 30.8. | 185,46 | 197,30 | ||
197,30 | 10.9. | (Hauptdienst.) | 100,00 | 297,30 | |
297,30 | 30.9. | 242,42 |
|
Ob die Datumsangabe immer genau stimmt, weiß ich nicht, das war sehr schlecht zu lesen. Ob in den 242,42 nun wohl für Aug. Sept. u. Okt. die Zulage für Verheiratung eingeschlossen ist, oder wie legst Du Dir das zurecht?
Die Wohnung wird dann wohl abgezogen sein. Im nächsten Monat werden wir dann netto wohl RM 192,- ausbezahlt bekommen. Stimmt das mit Deinen Ausrechnungen überein? Ich brauche mir kein Geld abzuheben; ich bekomme doch selbst RM 130,-, was ich ja alles für mich verbrauchen könnte, aber ich will auch tüchtig sparen. - Wie ich auf Frau R.s Geburtstag gehört habe, muß Ernst R. morgen wieder abfahren. Ich wollte heute noch einmal nach Altengamme u. ihm einige Sachen für Dich mitgeben. Z.B. Marmelade, aber es regnete so, außerdem habe ich schon wieder so einen Schnupfen, da will ich es Dir lieber schicken. Ich muß mir mal Holzwolle organisieren, dann wird das Glas auch wohl so heil überkommen. Habt Ihr inzwischen denn schon mal wieder ein Hasenessen gehabt? Wird denn Euer Hase von Deutschen oder Franzosen gebraten. Macht Ihr das rein privat? - Papa hat seine süße Masse in der Tasche u. holt sie alle Augenblicke raus. Günter giert immer. Eben hat er noch die Hälfte wieder abgekriegt. Jetzt wollen sie die letzte Flasche Bier trinken. Papa läßt fragen, wie teuer die Zigarren dort sind. Es liegt doch dort keine Steuer drauf. Wir wundern uns alle, wie Du soviel von Deiner Löhnung hast kaufen können. Hast Du Dein mitgenommenes Geld jetzt tauschen können? Ist es denn möglich, daß ich Dir im Brief Geld schicke? Falls Du noch Stoff schicken kannst, so will u. kann ich die Farbe ruhig Dir überlassen. Wegen der Meter mußt Du hauptsächlich auf die Breite des Stoffes achten. Wenn er 90 cm breit liegt, braucht man für ein Kleid 5 m, bei 1,30 m Breite 3 ½ m Länge. Für eine Bluse rechnet man 2 ½ m, natürlich braucht der Stoff nicht sehr breit zu liegen. Wenn Du Sammt [sic] bekommen könntest, wäre blau wohl die schönste Farbe. Aber keinen Sammt [sic] für eine Bluse, das müßte etwas leichterer Stoff sein. - Bist Du jetzt denn auf der Schreibstube, oder wo übst Du Deine Rechenkünste aus? Brauchst Du gar nicht mit nach draußen? Oder mußt Du diese Rechenkünste am Geschütz ausführen? Gestern u. vorgestern abend hatten wir schon vor 10 Uhr Alarm. Jetzt ist es schon nach 10 u. sie sind noch nicht da. Da kann man wohl bald ins Bett gehen. In der letzten Nacht sollen hier in der Nähe wieder Bomben abgeworfen sein. Leuchtkugeln haben häufiger über uns gestanden. Besuchen sie Euch noch kräftig dort? Könnt Ihr Euch denn keine Fensterscheiben wieder einsetzen, oder gibt es dort keine mehr? Wenn Du Müffchen, Knieschützer oder irgendwelche warmen Sachen haben möchtest, so schreib das bitte.
Herzliche Grüße
Deine [Hannelore]
Meine Karte Nr. 8 habe ich, glaube ich, vergessen zu numerieren (vom 7.10.40 mit den Mustern für Pullunder) Deine Briefe habe ich alle laufend bekommen. Es kamen verschiedentlich zwei Nummern zur gleichen Zeit, aber es ist nie vorgekommen, daß eine höhere Nummer vor einer niedrigeren kam. Hast Du die drei Wollpakete eigentlich an einem Tag abgeschickt? Ich meine nur, weil zwei schon Sonntag ankamen u. das dritte erst heute (Mittwoch). Ich danke Dir nochmals herzlich für die schöne Wolle u. die Süßigkeiten! Und jetzt Gute Nacht!
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Hannelore Wilmers
Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als
Neuengamme
Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost