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[NGM-401012-004-01]
Briefkorpus

Nr. 11.

Hbg. - Neuengamme, d. 12.10. 40.

Mein lieber [Heinrich]!

Heute ist nun das ersehnte u. viel besprochene Paket mit dem Hut angekommen. Da hast Du aber wirklich einen wunderschönen Einkauf gemacht. Das ist doch wirklich ein schöner Velour. Meinen herzlichen Dank dafür. Wenn ich ihn nun man erst einmal fertig hätte. Mutti sagt ich soll eine hochgeschlagene Form eine Art Herrenhut draus machen lassen. Ich möchte aber lieber eine möglichst einfache Form u. nicht so übermodern. Auch die Farbe hast Du sehr hübsch ausgesucht, sie paßt sehr gut zum Mantel. Die Schokolade, die mit im Päckchen lag, war noch schneller vergriffen als warme Semmel. Im Nu hatte ich nur noch mein Stück bei mir liegen. Die kleine Probe aus dem Wollpaket hatte zu gut geschmeckt u. war noch in bester Erinnerung. Selbst Papa freut sich diebisch. Günter hat natürlich nur noch ¼. Gleichzeitig mit diesem Päckchen kamen heute morgen die Tüte Kaffeebohnen für Mutti und Dein Brief Nr. 9 (der zweite) vom 6. Okt. Die Kaffeebohnen haben natürlich große Anerkennung gefunden. Papa hatte gleich ausgepackt und sich sofort auf morgen nachmittag gefreut. - Nun hast Du auch vergeblich auf einen Brief gewartet, dabei habe ich immer regelmäßig geschrieben, aber ich glaube, es liegt an der Postbeförderung. Plötzlich bekommt man alles auf einmal u. dann wieder tagelang nichts. Zuerst war ich auch immer sehr unglücklich darüber, natürlich nur, wenn keine Post kam, u. ich habe Dir ja auch einmal mein Leid geklagt. Jetzt aber lese ich dann immer alle anderen Briefe noch mal u. noch mal u. so kommt man auch über die Zeit hinweg.

Gestern abend habe ich ein Päckchen abgeschickt, aber das wirst Du wohl noch nicht bekommen haben, denn die brauchen ja meistens länger. Die Nivea – Creme u. die Zahnpasta wirst Du doch wohl inzwischen erhalten haben. Kann man dort eigentlich noch Creme bekommen? Wegen Seife habe ich Dir ja schon mal geschrieben. Wenn Du dort noch etwas bekommen könntest, so wären wir gute Abnehmer dafür. Toilettenseife bekommen wir hier nämlich gar nicht. Aus Deinem letzten Brief habe ich entnommen, daß Du sonntags Deine Einkäufe tätigst. Sind denn die Läden dort alle Tage geöffnet? Wie hast Du überhaupt die Kaffeebohnen noch erwischt?

Du schriebst doch neulich, daß es keine mehr zu haben sind. Oder habt Ihr die auch durch die Batterie bekommen? Oder habt Ihr dort auch noch Eure Beziehungen?

Hast Du Dir schon ausgesucht, wie Dein Pullunder gestrickt werden soll? Ich freue mich schon darauf, ihn zu machen. Wenn Du dann im Dezember auf Urlaub kommst, kannst Du ihn ja vielleicht schon anziehen. Glaubst Du wirklich, daß Du im Dezember wirklich schon Urlaub bekommst, vielleicht Weihnachten? Denn, daß es Weihnachten zu Ende ist, daran glaube ich nicht mehr. Wenn ich abends im Bett liege, male ich mir so oft aus, wenn Du dann so spät mit einemmal [sic] in die Haustür kommen würdest, oder, wenn ich schon schlafe u. Du kommst in mein Zimmer. Weißt Du noch, als ich damals krank war u. Du raufkamst, wollte ich doch so tun als ob, aber es gelang mir natürlich nicht. So malt man sich immer allerlei zurecht. Hoffentlich trifft dann mal eins zu. –

Heute will Mutti mich nun absolut nach Toppenstedt haben, andauernd kommt sie hier wieder angestänkert, dabei schmuttelt es in einer Tour. Lust habe ich auch gar nicht. Aber wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat, so muß man danach tanzen, sonst gibt es ewig Krach. Wenn ich heute abend nicht noch losfahre, werde

- 4 – [sic]

ich wohl morgen früh los müssen. – Nun habe ich ihr neulich von dem Kacheltisch erzählt (RM 118,-), das war natürlich zu teuer. In der Woche war Mutti nun in Hamburg. Der zu 118,- war schon verkauft, aber leiden mochte sie ihn auch sehr gern. Sie hat sich dann noch verschiedene andere angesehen. Nun sollte ich doch absolut heute wieder nach Hamburg u. mir einen Tisch kaufen. Einmal habe ich keine Lust, jeden Sonnabend nach Hamburg zu fahren u. zweitens brauchen wir ihn ja auch gar nicht. Ich habe es mir überlegt, est es ist viel schöner, wenn wir ihn später zusammen kaufen. Mutti kann aber nicht verstehen, wenn man einen Sonnabend mal gemütlich im Hause sitzen möchte. Von Gemütlichkeit ist ja aber so wie so nichts zu merken. Das kommt höchstens nach 8 oder 9 Uhr. Und dann gehe ich am liebsten ins Bett. - Heute morgen war entsetzliches Regenwetter. Die ganze Nacht, jedenfalls gegen Morgen, hatte es gegossen. Da bin ich das erste Mal seitdem ich radfahre, mit dem Zug gefahren, d.h. einmal habe ich die Bahn schon mal benutzt, als Du mit meinem Rad gefahren warst. Leider ist nun der Zug um ¾ 2 Uhr ausgefallen. Ich hätte bis 4 Uhr warten müssen. Da habe ich mich zu Fuß aufgemacht, hatte vorher im Haus angerufen, daß Günter michr mit meinem Rad entgegenkommen möchte. Allein schon der Weg an Nettelnburg vorbei, ist allein zu gehen, ein ziemliches Ende. Bei der Schleuse traf ich Günter dann schon. Er schimpfte, aber lachte dabei, daß er nun diesen Weg hatte machen müssen. „Dein Paket ist noch nicht da“, so empfing er mich. Aber da wußte ich, daß es doch da war, denn sonst wäre er wohl nicht darauf gekommen, aber zugegeben hat er es den ganzen Weg über nicht.

Und Hans hat jetzt Urlaub gehabt! Konnte er auch 3 Wochen dort bleiben? Und Rudolf soll auch schon wieder auf Urlaub kommen können? er [sic] hat doch im August erst gehabt. Wilhelm, Erich u. August rechnen auch alle noch mit Urlaub, Erich u. August hatten beide erst einen Teil ihres zu beanspruchenden Urlaubs weg. – Von Hans´ Verlobung ist ja nun wieder noch nichts geworden. Will er warten, bis der Krieg zu Ende ist? Hat Ernst R. Dich schon mal wieder besucht? Ich habe ihn nach dem Geburtstag von Frau R. gar nicht mehr gesprochen. Werner I. ist jetzt im Harz, hat dort ein schönes Leben, arbeitet auf der Schreibstube beim Baitailon [sic] glaube ich. Klaus M. ist in Ostpreußen im Arbeitsdienst, er schreibt Günter, daß es dort sehr scharf

- 6 – [sic]

zugeht. - Den Hut von Dir kann ich immer wieder angucken u. anfühlen. Wenn wir erst zusammen damit ausgehen könnten!! Hast Du schon etwas darüber gehört, daß Du Weihnachten vielleicht kommen kannst? Darf man sich schon darauf freuen? - Du hast noch nie etwas davon geschrieben, wie Du mit Deinem Geld zurechtkommst, u. ob Du deutsches Geld jetzt dort eintauschen kannst. Was Du dort alles gekauft hast, kannst Du doch nicht von Deiner Löhnung bezahlt haben. Schreib doch bitte mal darüber. Ich lege heute mal RM 5,- rein. Vielleicht kannst Du das ja dort umtauschen. Wenn ich per Postanweisung schicken kann, so schreib doch mal wie, u. wieviel Du haben möchtest. Wie teuer sind die Sachen dort eigentlich? Kauft man dort billiger? Oder sind die Preise jetzt auch gestiegen? Wenn Du noch Strümpfe brauchst, so kannst Du evtl. ja Wolle schicken, damit Oma oder ich Dir welche stricken können. - Jetzt will ich noch nach Curslack rüber u. meine Lebensmittelkarten holen. Marlehn W. muß ich eigentlich auch unbedingt mal besuchen. - Deine Schokolade ist übrigens ganz heil übergekommen. Den Hut hattest Du sehr gut verpackt. Du kannst überhaupt schöne Päckchen schnüren. Kommen meine eigentlich auch einigermaßen heil dort an?

Und nun laß es Dir gut gehen u. herzliche Grüße Deine [Hannelore]

Frl. Sch. hat mir schon so oft aufgetragen, Dir einen Gruß zu bestellen.

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost