Nr. 11 [sic]
Hbg. - Neuengamme, d. 13.10. 40.
Mein lieber [Heinrich]!
Vor genau 2 Stunden (die Uhr schlägt gerade 9) um 7 Uhr bin ich von meiner Fernfahrt aus Toppenstedt gelandet. Als ich ankam, war das Haus leer, alle scheinen im Kino zu sein. Das fängt jetzt übrigens schon um 7 Uhr an. Dann habe ich in aller Gemütlichkeit gesessen. Nein, zuerst habe ich überhaupt Deinen Brief gelesen, Nr. 10, der heute angekommen ist. Dann also gegessen, u. was hatte ich für einen Hunger! Ich habe wohl so an zehn Scheiben gegessen, satt war ich eigentlich noch nicht, aber ich mußte wohl endlich einmal aufhören. Es gab auch noch von Deinem Bohnenkaffee, heute nachmittag habe ich ja leider nichts abgekriegt. Dann habe ich das Essen abgetragen u. habe mich so recht gemütlich auf dem Sofa lang gemacht u. alle Deine Briefe einmal wieder hergeholt. Du möchtest eine Aufstellung haben über die eingegangenen Briefe. In letzter Zeit habe ich auf Deine Briefe immer das Eingangsdatum gesetzt. Wann die ersten Nummern eingegangen sind, weiß ich allerdings nicht genau, aber meine Angaben werden noch so ziemlich zutreffen. Du bist traurig, daß ich immer geschrieben habe, daß Du so wenig schreibst. Das war doch nur zu Anfang. Wenn man die Eingangsdaten vergleicht, so ist das höchstens 5 Tage gewesen. Das ist ja noch nicht so sehr lange, aber trotzdem wartet man schon nach dem zweiten Tag u. die Zeit wird von Tag zu Tag länger. Ich weiß nicht, ob Dir das auch so geht. Wenn Du doch erst einmal wieder hier wärest! Nun schreibe ich Dir die gewünschte Aufstellung:
geschrieben am: | eingetroffen am: | |
Nr. 1 | 19.9. | 24.9. |
Nr. 2 | 22.9. | 29.9. |
Nr. 3 | 25.9. | 29.9. |
Nr. 4 | 27.9. | 30.9. |
Nr. 4. (Päckch. Batter.) | 26.9. | 4.10. |
Nr. 5 (Postkarte) | 29.9. | 5.10. |
Nr. 6 | 30.9. | 5.10. |
Nr. 7 | 1.10. | 6.10. |
2 Wollpäckchen | 28.9. | 6.10. |
Nr. 8 | 3.10. | 8.10. |
Nr. 9 | 4.10. | 8.10. |
Zigarren – Päckchen | ? | 9.10. |
3. Wollpäckchen | ? | 9.10. |
In letzter Zeit habe ich also wirklich viel von Dir bekommen, u. ich kann mich wirklich nicht beklagen. Habe ich es denn wirklich so schlimm gemacht?
Eben sind Mutti u. Papa u. Günter wieder gekommen, nun war natürlich großes Gerede, andauernd fragen sie mich, ich kann gar nicht mehr schreiben. Alles mögliche wollen sie natürlich wissen. Papa über Kartoffeln u.s.w. Mutti nach Tante Hermine, Hilde, Luftschutz….. Jetzt werden in einer Tour Birnen geschält. Die werden von innen schon wieder schlecht u. müssen unbedingt gegessen werden.
Wie tätigst Du übrigens Deine Einkäufe, redest Du dann französisch, oder verstehen die Belgier auch deutsch? Hast Du Dein franz. Wörterbuch schon gebraucht?
Hier geht es jetzt allmählich zum Winter über. Die Bäume sind auf einmal gelb geworden, das Laub fällt schon sehr. Heute war es sehr unangenehmes Wetter. Heute morgen sehr diesig, feuchte Luft, etwas schmuttelnd [sic], ich wollte gar nicht losfahren, aber mir blieb nichts anderes übrig. Um 10 Uhr bin ich erst übergesetzt.
Gegen 12 Uhr war ich in Toppenstedt. Eisfüße hatte ich. ¾ 5 Uhr bin ich wieder abgefahren, natürlich wieder schwer beladen. Auf dem Rückweg hatte ich Gegenwind, es fuhr sich nicht schön, aber Gott sei Dank kam kein Regen. Als ich um 7 Uhr im Hause war, war es gerade dunkel, ich bin noch eben ohne Licht hergekommen. Heute abend bin ich nun entsetzlich müde, am liebsten wäre ich schon um 8 Uhr ins Bett gegangen. Jetzt ist es mittlerweile schon ½ 11 Uhr geworden, u. es wird die höchste Zeit. Meinen gestrigen Brief mit den RM 5,- hast Du doch wohl erhalten. Kannst Du nun dort Geld um wechseln? Wie ist es eigentlich, bekommt Ihr dort Frontzuschlag, also doppelte Löhnung? Schreib doch bitte mal über Deine „finanziellen Verhältnisse“. Gestern abend war ich bei Marlehn W.. Sie hatte gerade gestern ein Paket mit Schuhen von ihrem Mann bekommen. Sie hatte ihm ihren Fuß aufgezeichnet, u. danach hatte ihr Mann dann eingekauft. Auf was für Gedanken die Leute kommen? - Kannst Du mir auch einmal eine ähnliche Aufstellung schicken von meinen bei Dir eingegangenen Briefen? Nun aber geht´s ins Bett. Wenn Du doch hier wärst! Herzliche Grüße u. Gute Nacht!
Deine [Hannelore]
Die Zahnpasta mußt Du doch sicher inzwischen erhalten haben, ich hatte sie gleich am nächsten Tag abgeschickt. Bald werde ich die nächste Tube senden!
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Hannelore Wilmers

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als
Neuengamme

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost