Nr. 12
Hbg. - Neuengamme, d. 14.10. 40.
Mein lieber [Heinrich]!
Auch heute habe ich wieder einen Brief von Dir in Empfang nehmen können. Drei Tage hintereinander schon, das ist schön. Ich will Dir heute auch gleich schreiben, dann müßtest Du eigentlich die gleiche Freude haben. Es ist jetzt schon 5 Min. nach 10 Uhr. - Jetzt ist es ½ 11 Uhr. Also vorhin wollte ich gerade ins Bett (¾ 10 Uhr) u. Dir da eine Karte schreiben, da kam aber die Sirene, u. ich mußte unten bleiben. Wir haben noch eine Viertelstunde in der Stube gesessen, dann mußten wir in den Keller. Es ist aber nicht schlimm geworden. Jetzt scheint es vorbei zu sein, sie sind wohl wieder nach Berlin. Oft aber kommen sie in der Nacht noch wieder, dann aber anhaltender.im K
So geht es fast jede Nacht, u. die Schule fällt daher meistens aus. Heute war auch keine Schule, da hat Papa unsere Äpfel gepflückt. Rate mal, wieviel es geworden sind?! Wir hatten vorher so ca 50 – 60 ℔ gerechnet. Heute meldete Papa 165 ℔. Das ist doch ganz beträchtlich. Die haben wir nun hier in Neueng. im Keller gelagert. Vor Februar können sie wohl nicht gegessen werden. Hoffentlich bist Du dann wieder hier u. kannst sie auch mit verzehren! Als Reiter auf dem Pferd hätte ich Dich gerne mal gesehen. Das mußt Du mir später einmal vorführen. Vorerst denke ich doch, daß ich es bildlich erleben kann. Du schickst mir doch ein Bild? - Jetzt ist schon eine ganze Weile Stille. Papa u. Günter spuken draußen rum. Mutti liegt im Sessel. Ich glaube, ich kann erst einmal ins Bett gehen. Heute ist ganz klare Luft u. heller Mondschein, sie kommen sicher noch mal wieder. Herzliche Grüße Deine [Hannelore].dan
Papa kommt gerade mit der Nachricht, daß Weihnachten der Krieg vorbei ist. Hermann Göring soll es gesagt haben.
Wir warten immer noch vergeblich auf die Entwarnung.
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Hannelore Wilmers

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als
Neuengamme

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost