27.
30.X.1940.
4.X.40. [sic]
Meine liebe [Hannelore]!
Heute ist nun wirklich ein sonniger Tag, möge er Dir ein Sonnentag sein! Vor 5 Minuten wurde ich vom Posten 2 abgelöst. Mein Arm ist von der steifen Haltung noch etwas müde, aber das wird sich beim Schreiben schon geben. Auf Posten habe ich mir so recht die Sonne ins Gesicht scheinen lassen und ihr immer wieder Grüße an Dich aufgetragen. Vor 6 Wochen hatte ich Geburtstag, es herrschte auch kein schlechtes Wetter; mir scheint Dein Geburtstagswetter aber noch schöner zu sein. Du bist gewiß ein Sonnenkind, für mich auf jeden Fall. – Wäre ich im Zivilberuf, dann würde ich mich bald auf die Socken machen und Dich von Bergedorf abholen, uns vielleicht noch eine Stunde lang gemeinsam des schönen Wetters erfreuen, dann würden wir uns stärken, abends Geschenke besehen und Kaffee und Kuchen genießen. Wenn ich meine Gedanken so streifen lasse, ach wie schön wäre es gewesen! Wieviel anders ist dagegen die Wirklichkeit! Nicht mal ein freier Abend steht mir zur Verfügung, um auf Dein Wohl und unser Glück an Deinem Geburtstage zu trinken. Ausgerechnet an Deinem Ehrentage und zum letzten Male hier habe ich Standortwache, Ehrenwache! Zwar ist mir jetzt in der Wachstube Zeit zum Schreiben gegeben, Zeit werde ich auch während der Nacht haben, aber dann wird die Kälte im Keller mir die Finger wohl zu steif machen. Nachts herrscht hier nämlich eine eisige Kälte. Morgens hat der Reif sich über die Felder gebreitet, und die Sonne hat ihre Mühe, seiner Herr zu werden. Es geht leider allmählich in den strengen Winter hinein.uns
Wie „angenehm“ wird die Kälte erst auf unserer Tour wirken. Allerdings ist mir Kälte noch viel lieber als Regen. Vielleicht haben wir ja auch während der langen Reisezeit verschiedenes Wetter, in 10 Tagen ist ja oft ein Witterungsumschlag. Wenn wir man erst „wohl auf den Höhen“ sind. Zwar ist der Weg dann nach Hamburg auch nicht kürzer, aber wir sind dichter an Deutschland. Die uns ablösen, sind z. T. schon eingetroffen. – Wie es in den nächsten Tagen mit der Post überhaupt wird, ist noch nicht bekannt gegeben. Päckchen werden nur mehr bis morgen 12 h angenommen. Hoffentlich wird die Briefpost weiterhin in gewohnter Weise befördert, sonst tritt für uns ja eine wüste Periode ein. Wir haben uns jetzt an einen starken Briefwechsel gewöhnt, sollte das nun anders werden, so wird bei uns ein unliebsames Harren ausgelöst werden. Aber auch solche Zeit geht vorüber!
Heute vormittag war ein angenehmer Dienst, ich habe größtenteils nur meine Sachen für die Abreise in Ordnung gebracht. Zwar habe ich sie noch nicht entgültig [sic] gepackt, aber doch schon auf einen Haufen gebracht. Von Dir sind noch mehrere Kartons da, die wegen des Zerfalls kaum mehr brauchbar sind. Einen Karton, den ersten, werde ich mitnehmen, er enthält die Briefpost und sonstige Kleinigkeiten. Meistens konnte ich sie (Kartons) nicht gebrauchen. Im ganzen habe ich 16 Päckchen geschickt, wieviel ich bekommen habe, weiß ich gar nicht im Moment. Außer Dir haben Deine Mutter und A.s mich durch ein Päckchen erfreut. Meinen Eltern hatte ich abgeschrieben, da sie sowieso mit Arbeit überlastet sind.
Heute nacht ½ 2Uhr wachte ich auf. Da habe ich gedanklich Dir gratuliert, Dich umarmt, umhalst und geküßt. Hast Du diese meine Hingabe und Liebe empfunden?
Herzlichst grüßt Dich
Dein [Heinrich].
[* Anlage Maschinengeschriebene Glückwünsche von Hannelores Kolleginnen und Chef zu ihrem 23. Geburtstag]
Bergedorf, am 30. Oktober 1940.
Liebe Frau [Wilmers]! (Ehre, wem Ehre gebührt)
Liebes Fräulein [Baumann]! (dies ist uns doch am geläufigsten)
Liebes Tüt – Tüt! (manchmal durch das Benehmen gerechtfertigter Ausspruch)
Liebes Ku – Ka! (eine durch die Erfahrung bestätigte Tatsache)
Liebe [Hannelore]!
[* Maschinengeschriebene Glückwünsche]
Ingeborg F.
Hertha K.
Marianne B.
Inge N.
Erika W.
Helga E.
Rita M.
Luise Sch.
Herbert M.
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Heinrich Wilmers
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Neuengamme
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