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[NGM-401107-003-02]
Briefkorpus

30.

7.XI.40.

14.XI.40 [*]

Meine liebe [Hannelore]!

Heute habe ich Dir zwar ja schon einen Brief geschrieben, aber doppelt genäht, hält besser. Heute vormittag wurde ich plötzlich vom Schreiben abkommandiert. Als Quartiermacher mußte ich von gestern bis morgen bei der Truppe bleiben, um in jeder Hinsicht so ungefähr über Unterkunftsangelegenheiten Auskunft zu geben. Ein Uffz. wünschte am Vormittag z.B. nach dem Ltn. geführt zu werden. Der Chef verlangt zu wissen, wo die und die Pferde aufgestallt sind. die [sic] Spieß muß den und den Staffelführer sprechen. So ist ein Quartiermacher da, der Auskunft geben kann. Ich muß sagen, man muß sein Gedächtnis manchmal doch dabei anstrengen. Dabei war es am Sonntag und Montag entsetzlich dunkel, sodaß man sich in dem betr. Ort mit knapper Not selbst zurechtfinden konnte. Und geregnet hat es an den beiden Tagen!! Wir waren nur noch wandelnde Wäsche. Ich muß mich wundern über den guten Gesundheitszustand der Truppe. Allerdings ist die Verpflegung während des Marsches etwas reichlicher. Heute haben wir sogar eine Tafel Schokolade bekommen (Deutsche Vollmilch, Hamburg - Altona). Die schicke ich Dir aber nicht, sonst wirst Du noch übermütig. Mir schmeckt sie auch sehr gut, wo ich nun überhaupt so stark an Süßigkeiten gewöhnt bin. Aber die Süße fehlt mir hier, denn das bist Du. Ich wollte, es würde wahr, daß wir bald gemeinsam den Tag beenden können. Muß das schön sein! Es ist mir schon alles so fern, obwohl wir vor reichlich 2 Monaten erst gemeinsam Feierabend machten. Heute vor 2 Monaten verließ ich Dich und Deutschland. Einige Leute sagen hier: Deutschland ist sehr groß, Deutschland kann auch noch hier sein. Wie wohl die Karte von Europa gestaltet wird?

Meine Wirtin erzählte mir eben, daß heute im Nachbardorf 7 belgische Gefangene zurückgekehrt sind. Sie sagte, ih wenn ihr Sohn wieder bei ihr wäre, sei für sie der Krieg zuende. – Morgen überschreiten wir die belgisch - französische Grenze bei Maubeuge. Dort soll es ja fah entsetzlich zugerichtet worden sein. Es läßt sich denken! Wir kommen nun in die Hauptkampfzone, die wird uns klar vor Augen führen, was Krieg bedeutet: Vernichtung, Trümmer, Ruinen, Verödung und Gräber. Ganze Striche sollen entvölkert sein, die Menschen haben ihre Wohnungen verlassen, ohne das Mobiliar mitgenommen zu haben.

Gleich muß ich die Post holen. Darf ich auf einen Brief von Dir hoffen?? Jetzt ist 20 Uhr. Ich sage Dir schon gute Nacht, liebe [Hannelore].

Herzlichst grüßt Dich

Dein [Heinrich].

[* = andere Handschrift, wohl notiertes Empfangsdatum]

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Autor Heinrich Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Heinrich Wilmers

Abbildung von der Vorderseite eines Notizbuchs in Leder von Heinrich Wilmers.
Ba-NGM K02.Pf1_A4, Notizbuch Heinrich Wilmers, Datum und Ort unbekannt.

Heinrich Wilmers wurde 1907 geboren. Seine Eltern waren Bauern in Niedersachsen. Er und seine Geschwister waren sehr in die Arbeit auf dem Hof eingebunden. Er hatte zwei Schwestern und drei Brüder, die ebenfalls zur Wehrmacht eingezogen waren. Ein Bruder fiel 1944. Heinrich Wilmers war Lehrer, erst

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost