Brief Nr. 32
Hbg. - Bergedorf, den 13. Nov. 40.
Mein lieber [Heinrich]!
Am 11. d. M. habe ich Deinen Brief vom 7. Nov. bekommen. Der ist also doch wirklich schnell übergekommen. Aber zu gern hätte ich doch gewußt, wo Du jetzt steckst, aber davon hast Du ja wohlweislich nichts erwähnt. Deine französischen Reden möchte ich wirklich einmal hören. Mußt Du immer erst lange nachdenken, oder schlägst Du erst Dein Buch auf, oder wie kommst Du damit zurecht? An so einem französischen Familientisch muß es ja ganz interessant sein. Gibt es denn da noch gut zu essen? Wie lange bleibt Ihr überhaupt an einem Ort? Aber was lernst Du da jetzt alles noch kennen? Wenn es nicht gar zu kalt oder regnerisch ist, muß es doch eigentlich ganz schön sein, so durchs Land zu reisen. Ihr werdet doch sicher an vielen Kriegsschauplätzen vorbeikommen u. noch viel Elend zu sehen bekommen. Wenn Du als Quartiermacher der Battr. voraus mußt, reitest Du denn dann, oder wie bekommst Du mit den drei anderen den Vorsprung, oder fahrt Ihr vornehm im Wagen? Schade, daß kein Film von Dir gedreht wird. Weißt Du, ich denke eigentlich immer noch, daß Du bald kommst. So oft habe ich schon gedacht, wenn Du nach Haus kommst, u. „er“ sitzt im Sessel. Was würden wir dann wohl machen? Könntest Du Dir das vorstellen?
Heute in der Mittagspause bin ich wieder bei der Berged. Sparkasse gewesen u. habe Deinen Auftrag jetzt ausführen können. Hattest Du nicht damals geschrieben, daß mir am Anfang des Monats Kontoauszüge geschickt werden sollten, oder sollte das nur für das eine Mal damals sein. Ich habe bis jetzt nur den einen (es waren ja gleich mehrere) besser das eine Mal welche bekommen. Heute konnte ich nun sehen, daß Ende Okt. RM 244,06 eingegangen sind. Wie ist das eigentlich. Da kann doch die Miete nicht abgezogen sein. Aber zuviel werden sie schon nicht ausbezahlen. Dann wird es wohl das nächste Mal wieder weniger geben. Vorgestern nachmittag war ich bei Ilse T.. Walther [sic] war auch dort, hatte schon um 3 Uhr dienstfrei gemacht. Ilse war am Montag wieder gesund geschrieben. Am 29. Nov. soll es ja nun wirklich mit ihrer Verlobung losgehen. Karten hat Ilse vorsorglich schon drucken lassen. Mit den Ringen läßt sich Walter mehr Zeit. In der Woche, wo sie krank war, hat Ilse sich ihr Verlobungskleid genäht aus blauem Samt. Der Stoff ist sehr schön, ich finde nur die Machart für Samt nicht ganz angebracht. Sie hat vorn sehr viel Kräusel eingearbeitet u. das paßt für den dicken, schweren Stoff doch eigentlich nicht. Am 30. Nov. soll gefeiert werden. g Ilse hat mich gestern schon eingeladen. Wenn ich nur erst einmal wüßte, was ich ihr schenken kann. Sie sagte, sie könne alles gebrauchen. Vielleicht können wir ja zusammen hingehen. Walter ist noch richtig wie so ein Junge. Als ich kam, lagen sie beide auf dem Chaiselongue, ich klopfte noch extra lange an, aber das hat sie weiter gar nicht gestört. Die beiden sind grenzenlos verliebt. Erinnerst Du Dich noch des Themas, was wir über die beiden mal angeschnitten hatten? Gestern traf ich Ilse auf dem Weidenbaumsweg, da sind wir darauf zu sprechen gekommen. Sie hat mit „Ja“ geantwortet. Ich hatte es mir eigentlich auch gedacht. Ilse fand das in Ordnung. Sie war neulich beim Arzt. Mit dem hätte ich ja nun am wenigsten darüber sprechen mögen. In 1 ½ Jahren denken die beiden zu heiraten. Walter will wahrscheinlich sein Studium aufgeben u. bei der Wehrmacht bleiben. So lange wollten sie beide noch tüchtig sparen. Neulich meinte Ilse: Die anderen können das bestimmt gar nicht fassen, daß ich jetzt verlobt bin. Was sie wohl sagen werden. – Herr H. fragte mich neulich, wie alt Du seist. Er meinte, so um 30 herum, wäre auch das beste Heiratsalter. Das mit Ilse wollte ihm auch nicht so recht in den Kopf. H.is Freund ist ja erst 20. Aber er meint, Ilse müsse ja selbst wissen, was sie tue. H.i aber will sich noch nicht verloben, sie möchte nicht so lange verlobt sein.S
Eben habe ich mir neue Tinte geholt, es wollte nicht mehr gehen. Draußen ist ein mächtiger Sturm. Heute morgen bin ich schön hergeweht, aber heute nachmittag muß ich nun gegenan. Aber Gott sei Dank regnet es nicht mehr.
Bei Deinem Pollunder [sic] habe ich jetzt das Bündchen für den Rücken fertig. Leider hast Du ja noch nicht geschrieben, ob Du den Rücken schlicht oder mit Zöpfen haben willst. Ich will heute abend mal probieren, ob es sich durch die Jacke tatsächlich sehr abhebt. Gestern abend waren wieder zwei SS-Männer bei uns. Die haben die Schulgeige zurückgebracht. Ein Sträfling hat sie wieder in Ordnung gebracht, er ist Geigenbauer. Man kennt die Geige nicht wieder. Sie hat einen fabelhaften Klang gekriegt u. eine ganz andere Holzfärbung. Die beiden haben sich gefreut, einmal im Privathaus wieder zu sein. Und nun, mein Schatz, will ich schließen. Es hat sich bei mir inzwischen so allerlei Arbeit angesammelt, die ich noch vor Feierabend erledigt haben muß.
Hast Du Dein Geld übrigens jetzt einlösen können? Das nächste Mal werde ich per Postanweisung schicken, dann bekommst Du es wohl gleich eingelöst. Aber es ist wohl besser, wenn ich damit warte, bis Du wieder an einem festen Ort bist. Hast Du schon etwas gehört in Bezug auf Deine Reklamation? Wenn das nicht sein sollte, so kommst Du aber doch sicher Weihnachten auf Urlaub? Wollen wir dann in unserer Wohnung feiern? Oder was meinst Du. Ich glaube, das wäre sehr schön. Die Hauptsache ist jedenfalls, daß Du hier bist.
Und nun herzliche Grüße
Deine [Hannelore]
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Hannelore Wilmers

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als
Neuengamme

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost