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[NGM-401114-004-01]
Briefkorpus

Nr. 33

Hbg. - Neuengamme, d. 14. XI. 40.

Mein lieber [Heinrich]!

Heute erhielt ich Deinen Brief Nr. 30 vom 7. November nachmittags. Gestern den Brief Nr. 28 vom 3. Nov. Inzwischen seid Ihr ja nun sicher schon viel weiter, u. wahrscheinlich wohl schon am Ziel. Bist Du denn nun die ganze Zeit über Quartiermeister gewesen? Dann hättest Du es ja ganz schön gehabt. Wie war denn die Einstellung der französischen Bevölkerung? Waren sie sehr bissig? Hast Du Dich denn gut mit ihnen verständigen können? Auto fahren wirst Du wohl jetzt auch bald können! Oder hast Du Dich noch nicht bei Eurem LKW ans Steuer gesetzt? Aber mach mir bloß keine Sachen!

Es ist heute abend schon sehr spät, ich wollte eigentlich schon längst ins Bett. Einen Alarm haben wir schon hinter uns. Gestern abend begann er wahrhaftig schon um 8 Uhr. Es ist aber wieder nicht viel davon geworden. Nachts sind sie noch ein paar Mal wieder gekommen, aber wir haben uns nicht weiter stören lassen. Heute abend war nun um ½ 9 Uhr Alarm, u. es setzte auch kurz darauf heftiges Schießen ein. Papa u. Günter waren noch gar nicht im Haus. Günter hat Dienst u. ist auch jetzt noch nicht zurück. Papa hatte in Zollenspieker Versammlung u. kam gerade während des heftigen Schießens von der Bahn. Die Flakgranaten waren immer gerade über uns geplatzt, ich hatte auch noch rausgeguckt, das Brummen war unheimlich. Aber nun will ich endlich dazu kommen, was ich Dir heute abend eigentlich mitteilen wollte. Also es war Schulleiter - Konferenz in Zollenspieker. Vielleicht hast Du schon von der Kinderverschickung gehört, die besonders hier in Hamburg sehr im Vordergrund steht augenblicklich. Es müssen da natürlich sehr viele Lehrer mitfahren. Es geht zum Teil nach Schlesien, Bayern, Sachsen u.s.w. Übernachtet wird in erster Linie in Heimen, teils aber auch privat. Du wirst Dir wohl vorstellen können, daß für diese Kindertransporte sehr viele Lehrer nötig werden. An unserer Schule sind allein 3 dafür ausgewählt. Frl. Sch., Herr H. u. Herr T.. Heute ist das entschieden worden, Sonntag geht es schon los, also am 20.11., fast militärische Schnelligkeit. Da ja nun für diesen Zweck längst nicht genügend vorhanden sind, wurden die Reklamationen der Hamburger Lehrer vorgenommen, die persönlich vom stellvertretenden Gauleiter befürwortet u. eingereicht wurden. Der Schulrat meinte, bis auf Offiziere u. unabkömmliche Posten würden wohl alle 100 %ig zurückkommen. Aber natürlich müßten diese jungen Leute dann für die Kinderlandverschickung herangezogen werden u. die älteren Lehrkräfte ablösen. Falls Du also wirklich zurückkommen solltest, wirst Du dann sicher bald nach dem Süden verladen werden. Da bekommst Du in diesem Jahr ja wirklich viel zu sehen. Was meinst Du dazu? Einige Tage, vielleicht ja auch Wochen oder Monate würden wir ja aber doch sicher zusammen sein können. Wenn es anginge, möchte ich ja mit Dir nach dem Süden, aber ob die Firma u. das Arbeitsamt das zulassen? Na, so weit ist es ja aber noch nicht. Zunächst wäre ich glücklich, wenn Du wieder bei mir bist. Und nun muß ich wieder einmal allein ins Bett. Ob es wohl bald anders wird?

Herzliche Grüße u. Gute Nacht

Deine [Hannelore].

Soeben beginnt gerade wieder die alte Schießerei.

Heute mittag u. nachmittag war hier ein heftiger Sturm. Viele Dächer haben große Löcher. Besonders Strohdächer sind abgedeckt, aber auch viele Pfannen liegen in Scherben am Boden. Wir sind jetzt wieder startbereit für den Luftschutzbunker u. dabei wollte ich schon längst ins Bett.

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost