34.
Hbg. - Neuengamme, d. 17. Nov. 40.
Mein lieber [Heinrich]!
Heute erhielt ich Deinen Brief Nr. 32 vom 12. XI. Nun seid Ihr also da. Hättest Du heute nicht von einem Lied geschrieben, das Du in einem Brief erwähnt hast, von selbst wäre ich nicht drauf gekommen. Ich hatte überhaupt nicht gewußt, daß das ein Lied sein sollte, ich kenne es auch gar nicht. Heute habe ich daraufhin Deine Briefe nochmal durchgesehen. Da fiel dies mir auf. Neulich hatte ich gedacht, warum das wohl in Anführungszeichen steht? Ich habe Papa dann gefragt, ob er so ein Lied kennt. Daraus müssen wir nun also entnehmen, daß Du in Sedan liegst. Du schreibst vorläufiges Endziel. Soll es denn bald noch weitergehen? Wozu habt Ihr denn nur eine Küche? Müßt Ihr Euch jetzt selber verpflegen? Was da dann wohl alles herausbrät? Wohnt Ihr denn wieder bei Privatleuten? Hat sich Dein Rucksack inzwischen wieder angefunden? Wenn Du wirklich die schöne Unterwäsche nicht wiederbekommen würdest, das wäre ja zu ärgerlich. Wie steht es denn dort jetzt mit den Kaufmöglichkeiten? Ist noch etwas zu bekommen? - Ich war gestern in Hamburg, habe für Ilse ein Verlobungsgeschenk gekauft. Einen Tischschmuck aus Schmiedeeisen mit zwei Glaskugeln (Vasen). Für so etwas schwärmt Ilse glaube ich sehr. Evtl. kann sie es ja tauschen. Weißt Du nicht etwas, was ich Deinen Eltern zu Weihnachten schenken kann? Oder wie wird es bei Euch damit gehalten? Schreib mir bitte mal darüber. - In der letzten Zeit wurden wir fast jede Nacht wieder von den Engländern belästigt. Es geht meistens um 8 Uhr schon los u. dauert dann gewöhnlich bis 12 - 1 - 2 Uhr. Oft kommen sie auch gegen Morgen (4 Uhr) noch mal wieder. Der Mond beschien alles sehr hell, das haben sie wohl ausgenutzt. Heute abend regnet es, sie scheinen nicht zu kommen, es ist schon 9 Uhr. In den beiden letzten Nächten ist in Hamburg bös gehaust worden. Zum Schlafen kommt man nicht mehr allzu viel. Ich bin immer müde. Jetzt fallen mir die Augen schon fast zu. Papa schreibt einen neuen Stundenplan. Da Frl. Sch., Herr T. u. Herr H. weggekommen sind, muß ja alles geändert werden. Einen Bergedorfer Lehrer G., der Sohn des alten Herrn Gr. [ G.], bekommen sie jetzt zu. Er war heute nachmittag schon hier u. hat sich erkundigt. Ich habe heute nachmittag einmal wieder mein Rad blitzblank geputzt, es sah bös aus nach all den Regentagen. Anschließend habe ich mich reingebadet. Den Rest des Nachmittags habe ich an Deinem Pollunder [sic] gestrickt. Ob Du wohl hineingehst? Mutti näht Namen in meine Taschentücher. Wie Du nun wohl diesen ersten Sonntag in Frankreich erlebt hast? Und jetzt muß ich unbedingt ins Bett. Hoffentlich brauche ich heute Nacht nicht wieder aufstehen. Gute Nacht!K
Herzliche Grüße
Deine [Hannelore]
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Hannelore Wilmers

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als
Neuengamme

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost