36.
18.XI.40.
24.XI.40 [*1]
Meine liebe [Hannelore]!
Am gestrigen Sonntag bescherte mir die Post Dein Päckchen Nr. 30 und den Brief Nr. 32, wodurch der Sonntag noch etwas Farbe erhielt. Ich danke Dir herzlichst. Der Inhalt des Päckchens ist größtenteils schon wieder beseitigt, aber auf geschmackvollem Wege. In Deinem Brief stellst Du so allerhand Fragen, die ich zum Teil beantworten will: Leider kam der Befehl zum Quartiermachen so überraschend, daß ich nur deutsch und nicht französisch gedacht habe, d.h. die Sachen wurden schnellstens verpackt. Da ich in den Tagen vorher meine Sachen geordnet hatte, so war auch der kleine französische Führer mit anderen Kleinigkeiten, Briefen und Schreibpapier in einem Pappkarton untergebracht. Er fiel mir während des Einpackens – das übrigens bei halber Dunkelheit vor sich ging – durchaus nicht in die Augen. Erst wo wir Verständigungsschwierigkeiten hatten, vermisste ich ihn. Und da mußte man selbstverständlich nachgrübeln, denn so leicht fließt kein franz. Wortschwall aus meinem Munde. Stark bemüht habe ich mich, um den Gefangenen das Fegen mit dem Besen klarzumachen. Zuerst kamen sie mit Forken gelaufen, ich negierte, schließlich brachte einer mir „balleil" [sic] [*2] zu Gehör. Ich habe soeben festgestellt, daß in diesem Falle mir der Sprachführer hätte auch nicht helfen können. Er führt überhaupt wenig in landwirtschaftliche Gebiete ein, und ich benötigte ja gerade einen Wortschatz aus der Landwirtschaft. Diesen habe ich mir dann ein wenig unterwegs angeeignet.
Wir haben wohl von einem französischen Tisch gegessen, aber niemals mit einer französischen Familie zusammen. Das Essen kam aus unserem Brotbeutel, wir erhielten fast täglich von der Truppe Verpflegung. Mittags haben wir allerdings durchweg Fleisch gekauft, es braten lassen und mit Brot zusammen verdrückt. Die Leute wollten auch gegen Bezahlung nicht mit Kartoffeln rausrücken. Unsere Küche kam nämlich später, sodaß wir meistens von ihr keinen Mittag mehr empfangen konnten. Auch klar, nicht wahr? Es ist nur einmal ein Tag Ruhepause eingelegt worden, 6./ 7. Nov., wo ich Dir 2 Briefe geschrieben habe, sonst ging es jeden Tag um 30 – 35 km weiter. Ich reiste, wie ich Dir schon bereits mitgeteilt habe, auf einem LKW unter Verdeck, um gegen Wind und Regen geschützt zu sein. Reiten kam für uns nicht in Frage. Das Vergnügen habe ich bislang nur ein einziges Mal gehabt, wie Du weißt. Von der Reklamation habe ich hier noch nichts gemerkt. Es wird ja auch so sein: entweder ich bekomme den Befehl, zu fahren oder es bleibt so. – Die Sparkassenangelegenheit hast Du schon erledigt, Du bist tüchtig. Allerdings soll die Sparkasse die Kontoauszüge Dir schicken, aber sie sieht es lieber, daß man sie abholt. – Interessant ist mir Dein Bericht über Walter und Ilse, und ich finde meine Meinung bestätigt. Nur mit dem Arzt ist mir nicht ganz klar. – Daß er sein sogenanntes Studium aufgeben will, habe ich schon längst angenommen. Zum Studium gehört ein eiserner Wille, der bei ihm durch die Liebe n und die Wehrmacht gebrochen worden ist. Er verlebt in der Garnison jetzt als Gefreiter doch schon wirklich faule Tage.gebrochen
Am gestrigen Sonntag haben wir zunächst unsere Wohnung in Ordnung gebracht, d.h. das Geschirr gewaschen, die Stube entstaubt und gefeutelt [sic], geheizt und mit Decken und Obst geziert. An der Wand ist noch ein Mittelmeerbild befestigt worden. Plötzlich kam bei unserer Arbeit der Befehl durch: Antreten zum Appell mit Mantel. Wir wurden zum Abteilungsgebäude geführt. Nach 20 Minuten schritt der Abteilungskommandeur die Front ab, stellte hin und wieder zu langfristige Rasur fest und sagte: „Um 2 Uhr (14) steht die Abteilung wieder hier!“ Dann verließ er uns, und wir konnten in unsere Quartiere abrücken. Während der Mittagszeit hat sich mancher seinen Bart verkürzt. Nachmittags hat der Kommandeur zu uns gesprochen, einen Rückblick gehalten und Richtpunkte für die kommende Arbeit gegeben. Anschließend habe ich drei Briefe geschrieben: an Hans, Rudolf und Schwager K.. Gegen 6 Uhr war ich mit meiner Wäsche, die ich seit frühem Morgen vorbereitet hatte, klar. Zum ersten Mal habe ich meine Unterwäsche gewaschen, jetzt hängt sie an der Trockenleine. Ich behaupte nicht, daß sie schneeweiß geworden ist, sie ist aber unabstreitbar heller geworden durch zweimalges Bearbeiten und Kochen. Was der Soldat nicht alles machen muß! Nach dem Abendbrot mußte ich gegen ½ 7 Uhr auf Wache ziehen. Nachdem wir wenige Stunden im Wachlokal gesessen hatten, ich war für 3. Streife bestimmt, kam der Befehl durch, daß die Streifenwache aufgehoben sei. Ich hatte grundsätzlich nichts dagegen, so konnte ich doch in meinem Bett schlafen.
Heute begann nun strammer Dienst hier. Allerdings haben wir von 4 – 6 Film gesehen: 2 Wochenschauen und „Eine Frau nach Maß“. Die Wochenschauen war [sic] zwar alt, aber doch unbekannt. Den Film haben wir ja schon zusammen in Hamburg gesehen, es war doch im August. Die Soldaten haben alle mal tüchtig gelacht, am meisten, wenn Liebes- und Bettszenen gezeigt wurden.
Wenn Du mir mal wieder ein Päckchen schickst, so lege bitte meine alten Pantoffeln ein. Hier kann ich schon welche gebrauchen, aber keine bekommen. Und sollten wir wieder Quartierswechsel machen, so schadet es nichts, wenn ich die alten Dinger über den Zaun werfe.
Das Schreibpapier wird Dir wohl schon verraten haben, daß ich meine Sachen wiederhabe. Heute mittag konnte ich sie empfangen, nichts fehlt mir, nur die Knarre ist vertauscht. Ich freue mich sehr, daß ich alles wieder beisammen habe. So was gibt Lehrgeld! Doch andere Möglichkeiten zeigen sich beim nächsten Mal.d
Und nun, mein Schatz, muß ich gleich das Bett aufsuchen. Die Uhr geht schon wieder auf 11. Du wirst wohl schon ruhen, oder solltest Du mir auch noch einen Brief schreiben?
Ich wünsche Dir gute Nacht! Wann wir uns wohl wieder den Nachtgruß sagen können?
Herzliche Grüße
Dein [Heinrich]
[*1 = andere Handschrift, wohl notiertes Empfangsdatum]
[*2 = wohl: balai = französich: Besen]
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Heinrich Wilmers

Heinrich Wilmers wurde 1907 geboren. Seine Eltern waren Bauern in Niedersachsen. Er und seine Geschwister waren sehr in die Arbeit auf dem Hof eingebunden. Er hatte zwei Schwestern und drei Brüder, die ebenfalls zur Wehrmacht eingezogen waren. Ein Bruder fiel 1944. Heinrich Wilmers war Lehrer, erst
Neuengamme

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost