38.
Frankreich, 22. Nov. 1940
26.XI.40. [*1]
Meine liebe [Hannelore]!
Jeden 2. Tag habe ich in letzter Zeit von Dir einen Brief bekommen, und jeden 2. Abend schreibe ich Dir ebenfalls einen, aber auf Lücke. Nun weiß ich zwar nicht, ob Du meine Post auch so regelmäßig empfängst, wie ich die Deinige. Gestern abend traf Dein Brief Nr 34 hier ein. Das wundert mich aber, daß Dir das Lied unbekannt ist, wo es in der Vierländer S.A. auch seinerzeit häufiger gesungen wurde. Ich lernte es im Arbeitsdienst 1934 kennen. Nun ertönt es aus unseren Kehlen in diesem Ort. Vorher wurde es von dieser Battr. nie vorgeschlagen. –
Hoffentlich lernen wir diesen ehrwürdigen Kriegsschauplatz noch genauer kennen. Ich sprach gestern schon mit einem Oberwachtmeister davon, der mir sagte, daß Besichtungen [sic] solcher Kampfstätten vorgesehen seien, mir aber über die Durchführung nichts sagen könne. Praktisch ist es wohl meistens so: ein Wagen (LKW) fährt vor, wird von Uffz. besetzt und saust ab, und die Kanoniere haben das Nachgucken.
Wir gebrauchen keine Küche im militärischen Sinne. Wenn die Wohnung, in die wir hineingesteckt werden, eine hat, so können wir nichts an der Tatsache ändern. Die Häuser, die wir bewohnen, sind von der Bevölkerung verlassen. Hier ist es eben anders als in Wentorf. Kasernen findet man nicht gleich gebrauchsfertig vor. –n
Den Rucksack mit sämtlichen Sachen habe ich neulich wieder bekommen, gestern ist mein richtiges Gewehr im B. Wagen [*2] entdeckt worden. Für die Bummelei anderer habe ich, weil ein anderes Gewehr noch geputzt werden mußte, eine Knarre extra zu putzen. Man kann dies mit Arbeitsteilung bezeichnen, der eine verbockt die Sache, der andere stecktda die Strafe ein.e
Ich verschreib mich dauernd, da ich zuhöre, was S. erzählt, Du mußt entschuldigen. –
Du fragst nach den Kaufmöglichkeiten. Man sagt, daß hier nichts zu kaufen gibt, andererseits läßt man uns zum Kaufen keine Gelegenheit. Jetzt muß ich die Löhnung wohl aufstapeln oder versaufen. Allerdings gibt es keine Frontzulage mehr, nur ein wenig Besatzungsgeld wird außer der regelrechten Löhnung ausgezahlt. –
Ich kann Dir leider wenig Rat für die Beschenkung meiner Eltern geben. Bisher war es so: meiner Mutter habe ich kleine Hausstandssachen geschenkt, meinem Vater meistens Zigarren. Ich habe auch kleine Alltagsartikel von den Eltern erhalten oder etwas Geld. Die verheirateten Geschwister schenken und schenken nicht, das ist stets verschieden gewesen. Letzten Weihnachten hat Hermine meiner Mutter einen Handschützer für die Kaffeekanne geschenkt, Häkeleien hat sie mal von Bertha bekommen für Blumenständer.
Meinen Pullunder scheinst Du ja schon bald fertig zu haben. Ich bin doch neugierig, wie er sich in Farbe und Sitz über meinem Körper machen wird. – Hast Du mein Rad denn auch blitzeblank geputzt, oder ist es mit Soldatengold überzogen?
Übrigens war der 17.XI. nicht der erste Sonntag, den ich in Frankreich verbracht habe. Ich bin nämlich am 8.XI.40 morgens zwischen 7 + 8 Uhr über die belgisch - französische Grenze gefahren, so daß der 10.XI. der 1. Sonntag war. Hast Du den Brief vom 10.XI. nicht bekommen? Den Brief Nr. 27 habe ich gar nicht geschrieben. Da ich während der Reise meine Aufzeichnungen über mein Postwesen nicht bei mir führte, so war ich leider nicht genau über die Nummerierung im Bild.
Und nun auf Wiedersehn! Ich möchte Dich so gerne wieder vor mir sehen und Dich in meinen Armen halten. Es wäre zu schön, liebe [Hannelore]!
Herzliche Grüße
Dein [Heinrich].
[*1 = andere Handschrift, wohl notiertes Empfangsdatum]
[*2 = nicht eindeutige Abkürzung, wohl Behältertragwagen]
- Anmelden oder Registrieren, um Kommentare verfassen zu können
Heinrich Wilmers

Heinrich Wilmers wurde 1907 geboren. Seine Eltern waren Bauern in Niedersachsen. Er und seine Geschwister waren sehr in die Arbeit auf dem Hof eingebunden. Er hatte zwei Schwestern und drei Brüder, die ebenfalls zur Wehrmacht eingezogen waren. Ein Bruder fiel 1944. Heinrich Wilmers war Lehrer, erst
Neuengamme

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost