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Briefkorpus

[*] Hamburg-Bergedorf, den 8. Juni 1940.

Mein lieber [Heinrich]!

Gestern habe ich zwei Briefe von Dir bekommen. Der eine war vom 4. und der andere vom 6.6. Den vom 5. hatte ich dagegen schon am Tag zuvor bekommen. Vielleicht haben sie das ja bei uns auf der Post vermurkst, jedenfalls stimmte das Datum des Poststempels mit dem des Briefes überein.

Am Mittwoch war ich bei W.. Er sagte, er wüsste nicht, wann er das Zimmer bekommen würde, aber wir könnten bestimmt damit rechnen. Wenn es da wäre, würde er anrufen. Gestern nachmittag rief Mutti nun plötzlich bei mir an, W. hätte ihr mitgeteilt, dass das Zimmer gekommen sei, er hätte es gleich herfahren wollen, weil es noch auf dem Wagen war, aber Mutti hätte gesagt, zuerst müssten wir es uns doch wohl mal ansehen. Ich bin dann gleich nach dem Geschäftsschluss hingefahren. Es ist wohl genau so wie das damals, es war noch nicht abgeladen. Mein Rad ist dann aufgeladen worden, und ich bin vorne eingestiegen, wir haben es dann gleich nach Neuengamme befördert. Betten, Nachtschränke, Toilettschrank [sic] und Matratzen stehen oben auf der Kammer neben der Treppe. Der Schrank soll unten im Esszimmer aufgebaut werden. Am Montag oder Dienstag kommt Herr W. wieder, es ist bis jetzt nur erst abgeladen worden. Soviel ich gesehen habe, ist alles ordentlich angekommen. Der Schrank hat glaube ich auch keine Schrammen, und auf den kommt es doch in erster Linie an, weil dort die grossen Flächen wirken sollen. Auch sonst scheint alles einwandfrei zu sein. Wie es nun mit einer Küche wird, wusste er auch nicht, die Aussichten werden immer schlechter, aber er hoffte, dass er noch einmal so eine, wie wir damals gesehen haben, wieder hereinbekommen würde. – Wir können uns jedenfalls freuen, dass wir nun schon drei Zimmer haben. Es ist ja jetzt ganz schön, dass wir damals das Schlafzimmer nicht bekommen haben, denn dieses ist ja nun ohne die hässlichen Druckstellen und Schrammen. Oben habe ich von Matratzen gesprochen, ich glaube, dass [sic] sind überhaupt die Rahmen. Matratzen bekommt man nur auf Bezugsschein, und den kann man nur kriegen, wenn man das Aufgebot vorlegen kann.

Gestern abend waren Papa und ich zu der Stelle, wo daie Bomben eingeschlagen waren. Weisst Du, es ist dort, wo der kleine Weg vom Neuen Heerweg abgeht zum alten Heerweg hin, nahe der Baracke, übrigens wohnen dort Polenmädchen. Die wollen jetzt nicht mehr arbeiten und sagen andauernd, „England uns helfen“, ebenso ist es mit den polnischen Arbeitern. Auf dem Roggenfeld sind vier Bomben eingeschlagen. Es sollen 50 kg Bomben gewesen sein. Die Einschläge sind ungefähr 6 m im Durchmesser und ungefähr 1 ½ m tief. Die Bäume an dem Weg haben sehr viele Löcher und Einschnitte, die alle von den Splittern herrühren. Grosse Äste liegen am Boden. Die Telefondrähte waren an mindestens 7 Stellen durchgerissen. Zu den Einschlägen selbst konnte man nicht hin, dass [sic] war durch S.S. abgesperrt. Das Roggenfeld wäre ja auch sonst ganz zertrampelt worden. Es fuhren sehr viele Leute dort hin. Viele Fensterscheiben sind in der Umgegend kaputt. Im SS.-Lager sollen die Türen in den Angeln gewackelt haben.

Herzliche Grüße

Deine [Hannelore]

[* = Der gesamte Brieftext ist mit der Schreibmaschine getippt, nur Gruß und Unterschrift sind handschriftlich hinzugefügt]

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost