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[NGM-400612-004-01]
Briefkorpus

[*] Hamburg-Bergedorf, den 12.Juni 1940

Mein lieber [Heinrich]!

Gestern habe ich so sehr auf einen Brief von Dir gewartet. Ich hatte mich schon den ganzen Morgen darauf gefreut und war ganz schnell nach Hause gefahren, und als ich ankam, war gar nichts von Dir da. Aber Du hast wohl sicher keine Zeit gehabt.

Zu einem Brief langt die Zeit heute nicht. Fräulein F. ist auf Urlaub, Fräulein Sch. ist krank. Da haben wir doch allerlei zu tun.

Heute aber wirst Du eine kleine Überraschung bekommen. Ich wünsche Dir recht guten Appetit.

Herzliche Grüße

Deine [Hannelore]

Das Oberkommando der Wehrmacht gibt am 12.6.1940 bekannt:

Die am 5. Juni zwischen dem Ärmelkanal und südlich Laon begonnene neue Operation hat zu einem vollen Erfolg geführt. Nachdem die Weygand-Zone südlich der Somme genommen war, wurde der zurückflutende Feind an mehreren Stellen durchbrochen und seine Reste unter schwersten Verlusten über die untere Seine zurückgeworfen. Rouen ist seit einigen Tagen in deutscher Hand. Die Seine unterhalb Paris an mehreren Stellen von unseren Truppen schon überschritten. Eine abgesprengte Feindgruppe ist bei S. Valéry an der Küste eingeschlossen. Nordwestlich Paris stehen unsere Divisionen an der Oise 20 km vor Paris und vor der beiderseits S. Louis verlaufenden Schutzstellung von Paris. Compiégne, der Schauplatz des schmachvollen Waffenstillstandsdiktats des Jahres 1918, und Villers Cotterets sind in unserer Hand. Ostwärts des Ourcq ist die Marne auf breiter Front mit starken Kräften erreicht. Auch unsere am 9. Juni zwischen dem Oise Aisne-Kanal und der Maas erneut zum Angriff angetretenen Armeen haben in schweren Kämpfen den vor ihnen stehenden Feind geschlagen und ihn zum Rückzug gezwungen.

Reims ist genommen. In der Champagne ist die Suippe überschritten. Trotz zahlreicher, z.T. von Panzern unterstützter Gegenangriffe in der Champagne gelang es auch gestern den Franzosen nicht, unser Vorgehen zum Stehen zu bringen.

Im Verlauf der neuen Operationen verlor der Feind, ausser schwersten blutigen Verlusten, eine hohe Zahl von Gefangenen, Waffen und Kriegsmaterial aller Art. Eine auch nur vorläufige Zählung war bisher nicht möglich.

Die Luftwaffe, welche durch fortgesetzten Einsatz wesentlich zu den grossen Erfolgen des Heeres seit dem 5. Juni beigetragen hat, griff gestern neben der unmittelbaren Unterstützung des Heeres wieder die Hafenanlagen von Le Havre und feindliche Truppentransportschiffe an der Westküste des Kanals mit Erfolg an. Hierbei wurden 7 Transportschiffe, davon ein 5000 Tonner, versenkt, 10 weitere, davon 3 zwischen 10 und 15000 Tonnen durch Bombentreffer beschädigt. Auf mehreren Schiffen brachen starke Brände aus.

Bei den in der Nacht vom 12. Juni vereinzelten Bombenabwürfen feindlicher Flugzeuge in Westdeutschland wurden Brandbomben in das Innere einer Stadt geworfen. Am 11. Juni versuchten einige britische Flugzeuge, ohne Erfolg, Drontheim und Bergen anzugreifen, sie erlitten hierbei empfindliche Verluste. Von ca. 12 Angreifern wurden 3 durch Jäger und einer durch Flak Artillerie abgeschossen.

Die feindlichen Flugzeugverluste betrugen gestern insgesamt 59 Flugzeuge, davon wurden 20 im Luftkampf abgeschossen, 19 durch Flak vernichtet, der Rest am Boden zerstört. Ausserdem wurden wiederum 3 Sperrballons abgeschossen. 3 eigene Flugzeuge werden vermisst.

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[* = Der gesamte Brieftext einschließlich des Wehrmachtsberichts ist mit der Schreibmaschine getippt, nur Gruß und Unterschrift sind handschriftlich hinzugefügt]

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost