Bitte warten...

[NGM-400613-004-01]
Briefkorpus

[*] Hamburg-Bergedorf, den 13. Juni 1940

Mein lieber [Heinrich]!

Ich habe jetzt gerade noch einen Augenblick Zeit, Dir ein paar Zeilen zu schreiben. Wir werden nachher wohl sehr viel zu tun bekommen. Gestern bekam ich Deine beiden Briefe vom 10. und 11. Du hast also doch geschrieben am Montag. – Gestern war ein Herr von der Dienststelle bei Papa. Beim Neubeziehen von Dienstwohnungen wird ⅓ der Jahresmiete für Instandsetzung ausgegeben. das wäre in diesem Fall ℛℳ 80,– bis ℛℳ 100,–. Das weitere müssten wir selbst veranlassen. Die Rechnung könnten wir dann vorlegen, und kriegten dann diesen Betrag darauf ersetzt. Dann müssten wir wohl jetzt einen Maler damit beauftragen. Maler B. ist jetzt gerade bei unserer Küche, vielleicht können wir dem den Auftrag ja auch geben. Ob er allerdings Zeit hat, weiss ich auch nicht.

Ich bin gestern noch einmal in dem Lampengeschäft bei Stehr gewesen, es waren dort sehr schöne neue Lampen gekommen, Schlafzimmerlampen. Eine kostet ℛℳ 25,–, sie ist in hell, z.T. durchsichtig., [sic] so fächerartig matt und durchsichtig. Eine flache Schale, in der Mitte mit einer Stange. Es gibt dazu auch Nachttischlampen zu etwa ℛℳ 9,–. Solche haben wir noch gar nicht gesehen. Die Schalen sind stehen senkrecht, dahinter ist die Birne auch senkrecht angebracht. Es ist auch natürlich ein strahlenförmiges Muster drin. – Die Lampe die [sic] ich für Mutti ausgesucht hatte, oder, vielmehr, die Mutti sehr gern leiden mochte, ist inzwischen verkauft worden, das ist ja nun sehr schade, aber vielleicht mag Mutti ja auch von den anderen noch etwas leiden.

Entschuldige bitte, dass ich so schreckliche viele Fehler mache, aber ich bin so entsetztlich müde, es ist gleich Geschäftsschluss, ich habe meine Post schon reingegeben zum Unterschreiben und warte nun, bis sie wieder rauskommt. Draussen ist gerade angefangen zu regnen. Das ist ein Gewitter, hoffentlich dauert es nicht allzu lange, damit ich hier noch [sic] so lange warten muss.

Gestern hatten wir abends Besuch von einem SS.-Mann mit Frau, ich weiss aber gar nicht, wie die Leute heissen. Papa hatte mit ihnen vor der Tür geklöhnt. Wir sassen vor der Tür auf der Bank, da haben wir sie aufge eingeladen, er war auch Lehrer, und zwar in Schlesien, seine Frau wollte heute wieder abreisen. Wir haben gemütlich erzählt, die Männer geraucht, und dann natürlich durfte der Most nicht fehlen. Meine weisse Decke, die bunt bestickte, habe ich bei dieser Gelegenheit fertig bekommen. Nun will ich nun an die grosse herangehen.

W. ist noch nicht da gewesen, er kommt aber wahrscheinlich nun morgen. Mutti und Papa waren am Dienstag zur Beerdigung auf dem Bergedorfer Friedhof am Gojenberg, da haben sie Soldaten im Drillingsanzug vorbeisingen hören, warst Du auch dabei?

Herzliche Grüße

Deine [Hannelore]

Das Oberkommando der Wehrmacht gibt am 13.6.40. bekannt:

Die Versuche, der an der Küste von St. Valery eingeschlossenen französisch-englischen Truppen über See zu entkommen, sind gescheitert. Wie bereits durch Sondermeldung bekanntgegeben, hat diese Kräftegruppe kapituliert. Über 26000 Gefangene, davon 5 französische und ein englischer General, sowie um unübersehbare Beute fielen in deutsche Hand. Unsere Artillerie zwang einen beladenen Transporter, beim Versuch auszulaufen, durch mehrere Treffer zur Umkehr. Ein weiteres Schiff explodierte im Feuer deutscher Panzerabwehrgeschütze. An der Gesamtangriffsfront sind die Operationen im raschen Fortschreiten. Die Marne ist an vielen Stellen im Kampf überschritten. In der Champagne habe unsere Divisionen in der Verfolgung Chalons genommen und die Schlachtfelder von 1915 überschritten. Auch zwischen den Argonnen und der Maas gewann der Angriff Boden.

Nach den bisherigen vorläufigen Meldungen beträgt seit 5. Juni, dem Beginn der neuen Operationen, die Zahl der Gefangenen über 100 000. Auch die Verluste des Feindes an Kriegsgerät sind erheblich. Allein bei zwei Armeen des Westflügels gelang es, unter Beteiligung aller Waffengattungen, über 200 feindliche Waffen Panzerkampfwagen zu vernichten oder zu erbeuten. Trotz schlechter Wetterlage griffen auch am 12. Juni Kampf- und Sturzkampfverbände zur Unterstützung des Heeres, insbesondere im Raum um Chalons sur Marne und an der Küste, ein. Es gelang hierbei, einen Transporter und einen grossen mit Truppen besetzten Schlepper zu versenken, Einen [sic] anderen Transporter von etwa 10 000 To. sowie eine grössere Anzahl von kleineren Schiffen schwer zu beschädigen. Bei Le Havre wurden 20 feindliche Sperrballons abgeschossen.

In Norwegen schossen unsere Zerstörer im Luftkampf 4 von 15 britischen Flugzeugen ab, die einen Angriffsversuch auf einen Flugplatz in der Nähe von Drontheim unternahmen. Vereinzelte Bombenwürfe des Feindes in Norddeutschland trafen keine militärischen Ziele.

Die Gesamtverluste des Feindes in der Luft betrugen 19 Flugzeuge, hiervon 6 im Luftkampf, 9 wurden durch Flak abgeschossen, der Rest am Boden zerstört. 4 eigene Flugzeuge werden vermisst.

Eines unserer U-Boote versenkte beim Angriff auf einen starken feindlichen Geleitzug mehrere Dampfer.

=;=;=;=;=;=

[* = Der gesamte Brieftext einschließlich des Wehrmachtsberichts ist mit der Schreibmaschine getippt, nur Gruß und Unterschrift sind handschriftlich hinzugefügt. In der Datumsangabe sind die 4 und die 0 übereinander getippt]]

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost