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[NGM-421204-004-01]
Briefkorpus

Nr. 441.

Hbg.-Neuengamme, d. 4. Dez. 1942.

Mein lieber [Heinrich]!

Heute kam Dein Brief Nr. 404 v. 29.11. Da hast Du ja nun eine nette Stube erwischt, sicher alles solide Leute. Oder gibt es unter Deinen verheirateten Leuten auch solche, die Metzgen [sic, wahrscheinlich Mätzchen] machen, wie Du mir seinerzeit von M. u. anderen Soldaten erzählt hast? Aber ich bin immer der Ansicht, daß das bei den Bauern nicht so schlimm ist. Aber auf die Schlagsahnetorte habt Ihr Euch sicher alle gefreut, Du ebenso sehr wie Deine Rekruten! Für die Rekruten war es doch sicher das erste Mal, daß sie in Dänemark Schlagsahne essen konnten. Du schreibst vom Einzug des Winters. Hier bei uns hat es auch schon viel Schnee gegeben, sehr kalt ist es aber noch nicht, tagsüber meistens etwas über Null, nachts einige Grade drunter, glatt ist es auch oft. Puppe kommt jetzt gar nicht mehr an die frische Luft. Zum Hinstellen ist es zu kalt, ich kann sie jetzt nicht fahren, u. Mutti hat keine Zeit. Die schimpft sowieso schon genug, daß ich jetzt nicht viel machen kann. Heute ist es mal wieder besonders schlimm, wo der Reinmachetag ist. Aber ich kann doch auch nichts dabei machen, es kommt doch immer ganz von selbst. Leider sieht man noch gar keine Besserung. Z. sagt immer: Geduld, Geduld, ein Kniegelenkserguß dauert lange. Anna R. meint, ich soll es mal besprechen lassen. Aber für solchen Aberglauben bin ich ja eigentlich nicht. Aber man hat ja vielfach schon auf diesem Wege von Besserung gehört.

Heute morgen war Anni D. schon bei uns. Puppe u. ich wollten oben gerade mit dem Trinken anfangen. Seit 4 Mon. ist sie auch etwa in ärztlicher Behandlung. Sie hat rheumatische Schmerzen in den Händen u. Armen, sie kriegt immer Schlammbäder verschrieben. Jetzt war sie 8 Tage im Krankenhaus u. hat sich die Mandeln rausnehmen lassen, die waren entzündet u. könnten die Ursache der Krankheit sein. Ihr Junge ist 9 Mon., er fängt schon an zu laufen, kann sich schon allein hinsetzen, wenn er ein Kissen im Rücken hat. – Die warmen Puschen von Dir tun mir jetzt gute Dienste. Ich habe schöne warme Füße darin. Mich wundert, daß Mutti mich die anziehen läßt, denn wenn ich die braunen Schuhe aus Dänemark anhabe, schimpft sie immer u. sagt, die sollte ich noch schonen, dabei ist es eigentlich das einzige Paar, das mir wirklich richtig paßt. Außerdem trägt Mutti ihre Schuhe von Dir auch immer. Ich aber soll sie wieder in die Schachtel tun, hat Mutti heute morgen gesagt, als ich sie zu Z. hin anziehen wollte. Von Hans bekam ich vorgestern einen Brief. Ich hatte ihm 2 kl. Päckchen Keks u. Briefpapier ohne längeres Schreiben geschickt, darüber wundert er sich u. meint, vielleicht wäre ein Brief verloren gegangen. Das 3. Päckchen mit einem Taschenkalender u. dem Brief hatte er aber noch nicht erhalten. Außerdem war auch tatsächlich ein Brief zurückgekommen, weil ich versehentlich die F. P. Nr. verdreht hatte. – Vor einigen Tagen sind auch 10 Ztn. Briketts f. mich gekommen, die ich bei K. nach Neuengamme bestellt hatte. Aber ob wir damit auskommen für unser Zimmer oben? RM 17,– haben sie gekostet. H.i hat an Dich gestern auch wieder Geld geschickt. Hoffentlich klappt es wieder! Gibt es dort nicht eine Klöterbüchse [sic, Kinderrassel] f. Puppe oder sonst noch ein Spielzeug, Gummipuppe oder dergl. Hier kann man nichts derartiges bekommen. Ihre Händchen fassen schon feste [sic] zu. Meinen Finger will sie dann immer in den Mund stecken. Papa hat eine starke Erkältung, kann nur flüstern. Mutti übrigens zieht immer meine Hausschuhe an, damit will sie wohl dokumentieren, daß sie auch welche [*] braucht. Puppe schläft heute nachmittag mal wieder lange. Ich muß sie wohl hochnehmen. Ist dieser Briefbogen nicht wirklich restlos ausgenutzt?! Es bleibt jetzt kaum noch Platz für einen süßen Kuß. Da mußt Du mir Dein Mündchen geben. Herzlichst Deine [Hannelore]

[* = ab hier ist der Brieftext auf den Seitenrändern geschrieben: das „braucht“ auf dem rechten Rand nach oben. Die nächsten beiden Sätze auf dem linken Seitenrand nach unten und die restlichen Sätze auf dem linken Seitenrand der Vorderseite nach unten.]

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Autor Hannelore Wilmers
Korrespondenz Neuengamme
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Über den Autor

Hannelore Wilmers

Abbildung von einem Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, grüner Karton mit Schreibmaschinenschrift. andes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.
Ba-NGM K02.Pf1_.A14, Haushaltspaß von Hannelore Wilmers, 1944, Hamburg, herausgegeben vom Landes- und Hauptwirtschaftsamt Hamburg.

 

 

Hannelore Wilmers, geb. Baumann, wurde 1917 geboren, sie lebte bis 1999. Sie war Tochter eines Lehrers und seiner Frau in Neuengamme. Ihr jüngerer Bruder war bei der SS. Hannelore Wilmers besuchte das Luisen-Gymnasium in Hamburg-Bergedorf. Dann arbeitete sie in einer Motorenfabrik als

Über die Korrespondenz

Neuengamme

Abbildung mehrerer Bündel Briefe aus dem Konvolut Neuengamme, von Kordeln zusammengehalten, in einem Schuhkarton durcheinander gewürfelt.

Die Briefe von Hannelore und Heinrich Wilmers befinden sich im Archiv des Kultur- und Geschichtskontors in Hamburg-Bergedorf. Über 1600 Briefe und Karten wurden von den Autoren nummeriert, sortiert und sorgfältig zu je 100 Stück gebündelt aufbewahrt. Die von Hannelore Wilmers verwahrte Feldpost