Bitte warten...

[OBF-410721-002-01]
Briefkorpus

Montag, am 21. Juli 1941.

Geliebtes Herz! Du mein herzlieber, liebster [Roland] mein!!

In einem Deiner letzten lieben Boten schreibst Du mir auch davon: „alle Sinne müssen geübt werden von Jugend an, wenn sie wach und rege und hell sein sollen im Alter." Das Beten, das Aufgeschlossensein füreinander, das Liebhaben, auch das Zärtlichsein! Du!! Es will alles geübt sein!!! Du!! Waren wir nicht schon fleißig in den letzten Jahren miteinander? Und – Geliebter!!! „[W]illst Du mit mir fleißig lernen, wenn wir wieder beisammen sind"? So fragst Du mich – Geliebter!!! Ob ich will? Ja, ja, ja!!! Herzallerliebster!!! Auch das Liebhaben und Zärtlichsein? O ja – auch!! Du!! Du!! Ich kann mir ja eine Gemeinschaft mir Dir ohne jedes Zärtlichsein und Liebhaben überhaupt nicht mehr denken – Geliebter! Alles ist eins – glückhaftes Einssein in allen Dingen! O Geliebter!! Wir wollen dieses unermeßliche Glück hüten wie unser Leben!

Und so fleißig sind wir jetzt im Gedenken aneinander, es ist uns, als haben wir den Tag nicht recht beschlossen, wenn wir nicht aneinander gedacht, wenn wir einmal nicht zum Schreiben kamen. Es drängt uns so sehr, einander mitzuteilen, einander über alle Ferne an den Händen zu nehmen – fest und lieb – Du!!! Du!!!!! Unmöglich – ganz unmöglich, daß je eines das andre vergißt! Ach Herzlieb! Wir haben uns ja soooooo lieb! Ich weiß, weiß beglückt, wir sehr Du mich lieb hast! Und Du weißt es umgekehrt, wie sehr ich Dich liebe! Mein teures Herz! Laß uns dankbar der großen Güte Gottes gedenken und dann auf’s neue [sic] Geduld und Vertrauen fassen zu Gott, unserem Vater im Himmel. Wir wollen im Aufblick zu ihm einander ganz festhalten – Du!

Mein lieber, lieber [Roland]! Mein Herzlieb!!

Ich bin heute früh um 6 [Uhr] aufgestanden, Du!! Habe erst ganz lieb Dein denken müssen, Herzlieb! Deine lieben, ach so lieben Bilder schauten so sehnsüchtig her nach meinem Bettlein, daß mir ganz wunderlich zumute wurde, ach Du!!! Gar viel, viel Sehnsucht brennt in mir!!!

Und seit ich Deine schönen, lieben Bilder bei mir habe, ist es ganz aus mit meiner Geduld und Beherrschung! Du!!! Und dabei gebe ich mir ja so viel Mühe, ganz ruhig zu bleiben – ach ja – das kann man sich wohl nur vornehmen, wenn man Dich nicht anschaut! Du!!! Mein goldiger, süßer Fratz! Ach! Zum fressen [sic] lie[b] muß ich Dich haben! Gut, daß Du hinter Glas stehst, sonst wäre vielleicht bis zu Deiner Heimkehr nichts mehr von Dir zu sehen auf den Bildern!!! Du!!! Du bist sooo jung, so lieb, ach – bist zu goldig! Du!!! Wenn ich Dich doch erst in Wirklichkeit bei mir hätte! Gib nur acht [sic], Dickerle! Daß ich Dir nichts abbeiße – ich muß Dich zu sehr liebhaben!

Ja – um 7 [Uhr] bin ich rüber zu G.ens. Lore war schon wach. Und dann haben wir gleich begonnen mit Saubermachen, damit die Wohnung nicht im Schmutze bleibt, solange alle verreist sind. Lore fährt Mittwochfrüh ihrer Mutter nach und zwar nach Neudorf im Erzgebirge (an der Vierenstraße), sie bleibt voraussichtlich 2 Wochen. Herr G. nimmt wieder eine Kur in Kissingen – aber erst nächste Woche und bis dahin begleitet er seine Frau nach Neudorf. Ich besorgte ihr noch die Reisemarken und einige Wege. Heute nachmittag um 4 [Uhr] soll ich nochmal nachsehen, sie möchte gerne noch einen Kuchen mit mir backen zum Mitnehmen. Und dann noch die Koffer packen. Sie kann sich noch garnicht überanstrengen, sie ist noch soo schwach. Und ich bange um sie, wenn sie jetzt wegfährt. Wenn sie auch ruhen kann, so ist es doch nicht wie zu Hause. Sie muß sich noch sehr pflegen nach dieser schlimmen Geschichte. Spülungen machen und vieles mehr – weißt, ich wäre da viel lieber daheim, wo alles vertraut und sofort zur Hand ist.

Aber vielleicht verspricht sie sich von der Luftveränderung eine Beschleunigung in ihrer Genesung. Sie muß es ja am besten selbst wissen, was sie tut – sie war ja 15 Jahre lang Schwester und hat auch auf der Entbindungsstation gearbeitet, weiß also in diesen Dingen Bescheid.

[M]orgen früh will sie mich gerne noch mal haben, daß ich ihr die letzten Besorgungen abnehme. Was dann noch zu tun ist, kann ich im Moment nicht sagen.

Herrn G. habe ich heute morgen ganz wenig zu Gesicht bekommen; er hatte zu arbeiten; nur zum Frühstück kam er hervor hinter seinem Schreibtisch!

Zum Mittagsbrot bin ich heim und er begleitete mich herunter und knipste mich gleich noch paarmal – es kam eben mal die Sonne vor – nun bin ich ja neugierig, was ich für eine Gestalt abgebe und welches Gesicht!

[H]offentlich kann ich Dir eine Freude bereiten damit!

Es ist leichtes arbeiten [sic] in Lore’s Wirtschaft, weil sie alles gut beisammen hat. So macht es wirklich Spaß. Staubsauger ist auch einer da. Sie ist so rührend dankbar, daß ich einspringe. Wie könnte ich wohl anders!? Ist mir ja eine Selbstverständlichkeit! Du!! Ich habe schon einmal heimlich bei mir gedacht, daß es garnicht ausgeschlossen ist, daß ich sie auch einmal benötige. Wenn uns ein Kindchen geschenkt wird – in Deinem Urlaub?!! Und ich bin ja noch lange hier in Oberfrohna. Sie kann mich bestimmt in vielen Dingen beraten vorher und auch nachher. Und eine Liebe ist der andern wert. Sieh, wenn man schon einmal mit jemandem Freundschaft hält, dann kann man sich auch in bösen Tagen nicht abwenden. Ich weiß, daß sie mich auf keinen Fall ausnutzt. Und Du weißt auch, daß ich nicht mit mir handeln lasse. – Wir haben uns prächtig verstanden heute bei der Arbeit – nur, beinahe hätte es Krach gegeben!,  weil sie alles mit anfassen will und das gebe ich nicht zu. –  Ich habe sie dann einfach rausgesteckt. Ich mein, dann braucht sie mich auch nicht herzubitten, wenn sie alles selbst machen will. Ich sehe doch wie schwer ihr’s fällt. Und sie meinte, daß sie mir das ja nicht zumuten könne! [Das] Ist ja Unsinn! Wenn sie nur wüßte wie forsch ich vorgehen kann, wenn ich will. Ich bin keine Zimtpuppe. Da hat sie dann nur Staub gewischt und so leichte Sachen. Nun sind wir fertig bis auf die Küche und den Korridor.  Ist ja alles noch ganz neu in der Woh[nu]ng, da gibt es wenig Arbeit. Herr G. freut sich recht sehr, daß ich ihr beispringe, er war recht bedrückt nach diesem Fall. Ich kann’s ihm wohl nachfühlen. Wenn nur alles gut vorübergeht mit Lore; noch einmal Unglück mit der Frau würde er wohl kaum verwinden.

Geliebtes Herz! Auch heute ist noch keine Post von Dir angekommen. Wer weiß wo es da wieder mal stockt; daß Du wohlauf bist, glaube ich ganz fest! Du!!! Gott gebe es! –

Dein letzter Bote ist vom Montag dem 14. Juli. Und da bist Du ja sooo voller Glück und Sonnenschein! Ich spüre Dein Gl[üc]k wie eine heiße Woge auf mich überströmen – was habe ich Dir nur Liebes gesagt?, [sic] daß Du soo überglücklich bist!? Geliebter! Ach – ich konnte ja nur Worte der Liebe in dem Maße finden, wenn etwas ganz Schönes und Liebes von Dir vorausgegangen ist! Eines löst dem anden die Zunge! Eines beglückt das andere! Eines kann das andere erzittern machen vor Liebesglück und –seligkeit. O Geliebter!! Wenn wir doch erst beieinander sein dürfen – uns einander erlösen – erfüllen – oh wie ich mich sehne. Alle lieben Boten wird unser Wiedersehen an Glücksgefühl übertreffen! Und so muß es ja sein, wenn zwei sich sooo lieben wie Du und ich! Herzallerliebster! All mein Glück! Oh Du!!! Gott behüte Dich mir! Ich bin und bleibe immer Deine [Hilde][.] Ich liebe, liebe Dich!!!!!!

Du!! Du!!! Dein!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946