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[OBF-410926-002-01]
Briefkorpus

Freitag, am 26. September 41.

Herzensschätzelein! Geliebter!!

Du sitzt im Zuge, schickst vielleicht gerade jetzt auch Deine Gedanken zu mir – Du! Ach Du! Wie könnte es wohl anders sein? Du mußt so wie ich zurückdenken – zurück an unser unermeßliches Glück, an die köstlichen Stunden innigster Verbundenheit und heimlichster Traute – mein geliebter [Roland]! O Du!!! Es ist mir heute noch keine Minute schmerzlich zum Bewußtsein gekommen, daß Du nun wieder fort von mir bist – nicht schmerzlich, sondern ganz tief im Innersten froh und beglückt und ruhig kann ich an Dich denken. Ich kann durch unser „Dornröschenschloß“ gehen ohne Schmerz und Weh im Herzen – es ist eine wunderbare Ruhe und Zuversicht in mir; oh, wenn ich sie behielte, bis Du wiederkehrst! Und diese Ruhe und Geborgenheit in sich selbst kann nur ein Mensch fühlen, der liebt. Der von ganzem Herzen liebt und selig weiß, daß er so wieder geliebt wird. Geliebter!!!!! Ich möchte so in alle Welt hinausjubeln, wie glückselig Du mich gemacht hast! Du!! Du!!! Oh Du!!! Geliebtes Leben! Ich bin Dein, ganz Dein in alle Ewigkeit. Dir allein weihe ich all meine liebsten Gedanken, all mein Tun, all mein Sein – Du!!! Dir gehört mein ganzes Leben. Du bist meine Sonne! Du bist all mein Glück! Geliebtes Herz!

Ohne Dich kann ich nicht mehr sein – Du!!! Ach Herzensschätzelein!! Du weißt es! Du weißt es!! Konnten wir einander unsrer großen Liebe noch besser und inniger versichern, als wir es taten? Nein – oh nein, Du!!! Alle Liebe, die sich gestaut hatte, die nach Erfüllung drängte, sie strömte mit unserem Nahesein einander zu, sooo gewiß, sooo sicher, sooo beglückend empfanden wir die wundersame Einmaligkeit unsrer Liebe. Noch herzinniger fühle ich mich Dir verbunden, Du mein allerliebster Lebenskamerad! Oh Du!!! Wie will ich Dich lieben, in meine ganze Liebe einhüllen, warm und innig! Geliebter!!! Du sollst bei mir zuhause sein, so ganz. Sollst immer lieber zu mir heimkehren wollen. Ich will Dir den Himmel auf Erden bereiten. Geliebter!! Geliebter!!!!!

Aus Liebe – Du!!!!!

Nun wird es bald ein ganzer Tag, daß Du fährst. Geliebter! Ich bin still und unverzagt, ich [ha]be Dich unserm Herrgott anvertraut. Er wird mit Dir sein. Wien liegt hinter Dir, Du rollst auf Belgrad zu. Es ist jetzt bald um 16 00 [Uhr]. Ob Du wohl heute nacht ein wenig geschlafen hast? Unsre weißen Tüchlein wehten beim Abschied, Deines verschwamm mir doch ein wenig vor den Augen, weil Tränen sie trübten. Du!!! Ich habe mich ganz tapfer gehalten! Du mußtest ja auch allein weiter, Geliebter mein! Ich fühlte Dich mir so nahe, wie niemals beim Abschied gestern, bis zur letzten Sekunde, Du!!! Dein letzter Kuß brannte mir noch auf den Lippen, Aug ruhte liebend in Auge – Du!! Und Deine liebe, warme, ruhige Hand umschloß die meine noch einmal soo fest und so beruhigend – Du bist mein! Ich bin Dein!

So groß und unermeßlich ist unsere Liebe!! Und ihre heiße, reine Flamme glüht weiter in unser beider Herzen, immerfort! Geliebter! Wer ist noch so glücklich wie wir?

Wir wollen es nicht erforschen – es genügt uns ja, daß wir es so wundersam stark voneinander wissen, sodaß wir uns im Übermaße des Glücks fragen müssen: wo ist noch so viel Liebe und Sonnenschein[.] In Gottes Händen ruht unsere Liebe, wo könnte sie sicherer, geborgener ruhen?

Geliebter mein! So übervoll war mein Herz von Liebe und Hingabe, als ich mich nun umwandte zurückzugehen. Ich fand mich rasch zurecht, trotz der Dunkelheit. Ich bekam gerade noch einen Sitzplatz im Bus, er war stark besetzt. Du! Ich habe bis heim mit geschlossenen Augen gesessen, daß nichts mir Dein geliebtes Bild verdränge. Ach Du!! Das wäre auch anders unmöglich gewesen!! Du!!!

Und als ich dann ausstieg, empfing mich die Mutsch! Ich hatte wieder mal sämtliche Schlüssel bei mir!! Und dabei haben wir nur noch 2 Paar statt 3 Paar! (Ich fand die dritten noch nicht.) Es war nur gut, daß Mutsch nicht den Gaskocher angebrannt hatte, wo das Wasser zum Aufwaschen stand. In dieser langen Zeit wäre das gewiß übergekocht und das Gas ausgeströmt! Ich weiß immer noch nicht, wie ich zu den vielen Schlüsseln kam! Nun mußten wir Vatern auch noch seinen Kartoffelsalat bringen, daß uns der Arme nicht verhungerte. Wir sind anschließend gleich ins Bett gegangen, haben nicht noch gearbeitet! Du!! Ich wollte und mußte noch mit Dir allein sein, Herzlieb! Es dauerte lange, ehe ich einschlief. Ich muß aber doch gegen Morgen geschlafen haben, denn Vatern hörte ich nicht heimkommen. Ich fand in der Dunkelheit mein Nachthemdel nicht, Du da bin ich gleich in Deines geschlüpft! War das schön warm. Die lieben Eltern haben Dich recht schwer ziehen lassen, die Mutsch weinte, ich tröstete sie. Vater redet den ganzen Tag von Dir und fragt immer, wo Du wohl jetzt sein magst. Ich muß ihm immer wieder eine neue Station nennen, dabei kenne ich sie selbst nicht mehr ganz genau. Ach Du! Ich werde erst dann aufatmen, wenn Sonntagmorgen ist – und noch tiefer, wenn Dein erster Bote bei mir einkehrt. ½ 8 [Uhr] bin ich aufgestanden! Und [ha]be mich gleich nach dem Kaffee in die Arbeit gestürzt. Ein groß[er] Teil ist schon geschafft, morgen das übrige. Und bald wird die letzte Spur vom lieben Urlauber verwischt sein! Im Herzen jedoch nimmermehr! Du!!!!! Bald wird die Mutsch kommen, Vater ist schon da und rüstet zur Nachtschicht. Ganz viele liebe Grüße soll ich Dir von beiden bestellen! Ich will nun noch Wege gehen, unsre Filme wegbringen, Briefpapier holen! Ich finde das weiße nicht! Hast Du es verräumt? Hast Du unser großes Geldtäschel mit? Geliebter Herzensschatz! Morgen auf Wiedersehen! Du!!!

Behüte Dich Gott! In steter Liebe bleibe ich Deine [Hilde].

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Autor Hilde Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Hilde Nordhoff

Foto von Hilde Nordhoff. Nahaufnahme, Person im Sommerkleid, im Hintergrund Bäume.
Ba-OBF K01.Ff2_.A12. Hilde Nordhoff, 1940, Oberfrohna, Fotograf unbekannt, Ausschnitt aus Fotoalbum.

Hilde Nordhoff wurde 1920 als Hilde Laube in eine Arbeiterfamilie in Oberfrohna, eine Kleinstadt in Sachsen, hineingeboren. Sie arbeitete ein Jahr lang als Hausangestellte, dann in einem Trikotagenwerk.

Sie kannte Roland Nordhoff aus der Kantorei in Oberfrohna und trat sogar der evangelischen

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946