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[OBF-411021-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 21. Oktober 1941

Herzallerliebstes Schätzelein! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Oktober? Draußen ist es wie Mai so schön und warm. Gestern pflügte ein Sturm die See, heute ist sie von einem Südwind nur leicht gekräuselt. Schaust wohl auch nach dem Abendstern am Nachthimmel? Er steht jetzt genau über dem Olymp. Aber den gibt es daheim nicht. Aber dafür Richtung Waldenburg. Die weiß auch mein Schätzelein. Ach Herzlieb! Du! Wenn ich will, dann kann ich sie mir all herbeizaubern, die Bilder der Heimat. Oberfrohna, Limbach, Kamenz, Bischofswerda, Großröhrsdorf oder Pillnitz – und wie sie alle heißen – und ich tue es oft! und gern! Und am allerliebsten rufe ich doch alles zurück, was ich mit Dir erlebte. Unsre Begegnungen – einen halben Tag erst nur, aber doch auch wie reich! – und länger dann, oh Du! Durft Dich dann schon 2 Tage herbergen – und Nächte, Geliebte! – und Wochen gemeinsamen Lebens, Feierns eigentlich – Oh Geliebte! Du!!!

Die Sehnsucht steht auf dann, Dich wiederzusehen, zu leben mit Dir, in friedlicher Zeit den ganzen reichen Kranz des Jahres mit Alltag und Feiertag, Weihnachten!, Ostern, Pfingsten, November, den dunklen, Geburtstag, Du!, und Hochzeitstag! Leichtgeschürzten Sommer und Winter mit rotem Näschen und kaltem Händchen und der Wärmflasche (Aber ich glaub, Du brauchst wohl eine größere, ja? Du!!!!!), mit Schaffen und Ruhen, mit Sturm und Stille, mit all den heimlichen, köstlichen Stunden der Liebe! Wir warten. Ach, warten schon sooo lange und sehnsüchtig. Wir hoffen, Du! Warten und hoffen mit so vielen, mit allen fast. Wir glauben, Geliebte!!! In Gottes Hand steht alle Zeit, jede Stunde, jeder Tag – bei ihm ist beschlossen der Tag des Friedens. Er führt alles wohl hinaus. Oh Geliebte! Wie wollen wir loben und danken unser Leben lang! Keine Stunde Gottes Gnade vergessen. Und vor der Größe dieser Gnade, dem Geschenk der Heimkehr und des Lebens, da müssen alle kleinen Sorgen und Mißverständnisse verblassen und zunichte werden – wir haben einander!!! wir gehören einander!!! Wollen nie vergessen in unserem Leben die Zeit der Trennung, wollen stets eingedenk sein der Kostbarkeit unsres gemeinsamen Lebens!

Vor allen, die der böse Krieg trennte, müßte dieser neue Anfang stehen. Müßte er nicht alle bereit machen für ein neues, besseres Leben? Müßte er nicht tilgen allen kleinlichen Hass, alle Häßlichkeit und Niedrigkeit, alle Not in den Ehen? Müßte er nicht allen Gelübte und heilige Schwüre in die Herzen prägen? Soviel er Wunden schlägt, soviel Heil käme dann vom Krieg – käme! Oh! Wieviel Blindheit ist unter den Menschen, wieviel Haß! Immer noch. W[ie] taub sind die meisten selbst für die Donnerstimme dieser Kriegsgewitter! Wie wenig erschüttert sie noch dieses ganze unsägliche Unglück!

Soweit habe ich am Nachmittag geschrieben. Ganz still war es im Hause. Die Kompanie war zum Begräbnis. Zwei Kameraden wurden bestattet. Sie sind bei einem Feuerüberfall von einer Bande getötet worden auf einer Dienstfahrt. Das ist am vorigen Sonntag geschehen. Um das Vorkommnis ist noch alles dunkel. Es hat uns alle stark beeindruckt.

Sonst aber ist mein Alltag ei[n]facher und eintöniger als der Deine, Herzlieb! Er ist beinahe arm zu nennen. Reich wird er nur durch Dich! Geliebtes Herz!

Hab ich denn eigentlich schon vom Kinobesuch am vorigen Donnerstag erzählt? „Immer nur Du!“ wir waren enttäuscht, hatten einen irgendwie ernsten Film dahinter vermutet. Filmoperette – da wußt ich schon genug. Es war nicht viel. Ein mäßig witziges Spiel um eine Uraufführung, halb Ernst, halb Spaß, halb Möglichkeit, halb Unmöglichkeit.

Gestern und heute ist kein Bote gekommen. Die Post kommt jetzt immer so stoßweis[e]. Na, wenn sie nur überhaupt kommt. Ach Geliebte! Wir wollen recht dankbar sein! Wollen immer bedenken, wie reich uns Gott bedachte in seiner Gnade! Und wollen dann uns fassen in Geduld. Die Zeit des Wartens, [sic] ist nicht verlorene Zeit, wir wissen es. Gott helfe uns, daß wir sie recht erkennen und nützen.

Ich wollte nun so gern wissen, mit welchem Bescheid die liebe Mutsch heimkehrte – da hakt die Post eben wieder aus. Möchte alles zum Guten ausgehen. Bald wird der Oktober zurande sein, und ich denke daran, daß meine Eltern Euch noch einen Besuch versprochen hatten. Dazu bleibt eigentlich nur noch der nächste Sonntag übrig.

Ich werde mitten unter Euch sein.

Herzlieb! Laß mich heute zum Schluß kommen. Es ist heute ein Tag, da mir die Worte und Gedanken nicht recht folgen wollen. Aber ich habe Dich dennoch sooo lieb! Oh, sooooooooooooo lieb!! Du!!! So klein fühlte ich mich heute vor Dir, als Dein Bübele, als Dein Schwälbchen – oh Du! Mein liebes Weib! Bei Dir ist so viel Wärme und Sonne und Herzensgüte! Bei Dir kann ich bleiben! Bei Dir ist meine Heimat! Du bewahrst sie mir! Du wartest mein! Oh wie beglückend, das zu wissen, das zu fühlen!

Mein Herz schlägt Dir, Dir ganz allein, in unendlicher Dankbarkeit und Liebe! Es ist ganz erfüllt von uns[e]rem seltenen, reichen Glück! Ich bin Dein! Ich bleibe Dein! Du mein Ein und Alles, mein Herzblut, mein Leben!

Ich liebe Dich und bleibe ewig

Dein [Roland].

Bitte sage den lieben Eltern viel herzliche Grüße und der lieben Mutsch alle herzlichen Wünsche zu guter Besserung.

 

Ein scheues Schwälbchen fing ich mir,
So flink und rastlos, erdenscheu.
Ich zeigte ihm mein liebend Herz,
bot es ihm frei als Ruheplatz.
Dann ließ ich’s frei – und bangte - - und hoffte - - -
Und glaubte an das seltne Glück - - - -
Und es kam wieder!!! Kam wieder
und flüchtete ins warme Nest
und ruhte aus und wärmte sich!
In meinem Herzen, seinem Nest!
Und kehrt nun wieder Tag um Tag
und ruht in meinem Herzen aus,
voll Dank, ich spür’s.
Und füllt es ganz! Und bleibt!
Bleibt nur bei mir! Und glücklich ist’s!
Wie lieb ich es!!!
Wie hüt ich es, das seltne Glück!
Mein liebes, scheues Schwälbchen!

 

Von Deinem [Roland].

Laß ihn das Schwälbchen sein! 

Du! Du!!!

 

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Ba-OBF K02.Pf1_.401021-001-01b.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946