Freitag, den 13. Dezember 1940.
Meine liebe, liebe [Hilde]! Geliebte, Holde mein!
Wenn unsre Boten uns erreichen, dann ist all das, was uns eben an jenem und diesem Tage bewegte und stimmte, meist schon verzogen, eh wir dazu kommen, darauf einzugehen. Sind düstere Tage jetzt, Herzliebes, die trübsten im Jahre. Die trübsten eigentlich schon nicht mehr – Advents- und Weihnachtsglanz soll auf ihnen liegen. Die heimlichsten waren sie uns Kindern mit ihrem Dunkel, aus der die Erwartung des Festes und die Liebe und Traute des häuslichen Kreises so warm leuchteten. Der Krieg mit seinen Sorgen, das Hasten um das notwendigste Tägliche – und Herzliebes – daß wir einander fern sind – läßt uns diese Freude nicht in ihrer ganzen Größe aufleuchten.
Geliebte! Eben ist er verklungen, der einzig schöne Sang aus einer der Opern Puccinis, ich weiß jetzt nicht, aus welcher, weiß auch nicht den Zusammenhang. Vom Händchen der Geliebten ist die Rede. Und er verdeutlicht mir, was ich Dir sagen möchte: Ich sitze neben Dir – Frieden ist zwischen uns – gelöst einmal alle Spannung. Und ich halte Deine liebe Hand – streiche leise darüber, leise und zärtlich – schaue ins Leere – fühle Dich nur, mein Herz, mein Leben! – sehe Dich gar nicht – fühle Dich nur wie den Schlag meines Pulses – Dich, mein Glück, mein Liebstes, mein Leben, neben mir – und bin so glücklich – so glücklich auch ohne Süßigkeit – es ist das andere, bessere, tiefere Glücklichsein – Geliebte! Meine liebe [Hilde]!!! Eine Sorge berührt Dich ganz leise, wenn ich Dich recht verstehe: "Behalte mich lieb!" Es ist die Sorge des Weibes um seines Mannes Liebe und Treue für die Zeit, da es sich ihm versagen muß; die Sorge darum, daß die Mutterschaft den Mann entfremden möchte. Geliebte!! Wenn ich jetzt bei Dir sein könnte und neben Dir sitzen – die Sorge wäre all verflogen. Nun kann ich Dich nur mehr mit Worten dessen versichern: Ich behalte Dich lieb!!! Ich liebe Dich aus tiefstem Herzen allezeit!!! Und – ich bleibe Dir treu!!! Noch ist die Entscheidung nicht gefallen. Ich habe nie darum gebangt um meinetwillen und deshalb, worum Du Dich im Stillen sorgst. Du weißt, daß ich Dich erlösen und ganz glücklich sehen wollte. Und wenn nun Dein Herzblut all in unser Kindlein strömen soll – ich weiß, daß es Dir ein unsagbares Glück bedeutet, das der Mann in seiner Bedeutung gar nicht ermessen kann – dann gönne ich Dir dieses Glück aus ganzem Herzen – und Du weißt, daß ich daran Anteil nehmen werde, Geliebte, wie an allem, was Dich bewegt, und es bewegt ja doch, uns beide auf das tiefste – ich werde Sorgen und Freuden getreulich mit Dir teilen – und dieses Miterleben wird mich vergessen lassen, daß Du Dich mir versagen mußt – Geliebte! Mit Dir will ich dann dem Tage entgegenharren, an dem Du mir Dein teuerstes, größtes, liebstes Geschenk bringen willst: Dein Kindlein! Unser Kindlein aus Deinem Schoße!
Meine liebe [Hilde]! Du weißt, daß uns[e]re Liebe fest sich gründet auf viel mehr als den [sic] flüchtigen Genuß, auf viel mehr, Geliebte! Dessen waren wir bisher schon froh gewiß. Magst es Dir froh in Erinnerung bringen, Herzliebes! Du weißt auch, daß unsre Liebe auch lebt in ihren Zielen und Aufgaben, für gute und böse Tage. Sie wandelt uns und wirkt, daß eines mit dem andern leidet, daß eines mit dem andern glücklich ist. Herzallerliebste! Sag, wie ist es zwischen uns? Kannst Du in Sorge sein um mich? Um mich, Herzliebes? Deinen [Roland]? In Sorge sein? Kannst Du denken, daß er im Innern hadert mit Dir und dem Schicksal, daß es ihn, und sei es auch für Stunden, reuen möchte? Daß alles, ganz wenig nur, die Liebe zu Dir trüben möchte?
Du!! Wir reichten einander die Hand nicht im Rausch, im Taumel. Dir wies eine große, wundersa[m]e Liebe sicher den Weg zu mir, wundersam und seltsam genug dieser Weg und unmöglich bestimmt nur von flüchtiger Lust. Ich trat zu Dir, wie dem Manne eigen ist, im Bewußtsein und mit vielen Gedanken und Plänen und Forderungen an diesen Bund fürs Leben. Und ich maß Dich, ob Du wohl die rechte wärest, an meiner Seite zu schreiten, ob Du wohl den Weg mit mir gehen möchtest – mit einem älteren, gereisten Manne, der in dem Bunde fürs Leben eine Erfüllung in höchstem und umfassendem Sinne erblickte, viel mehr als nur die flüchtige Lust. Und so kamen wir einander näher.
Geliebte! Gerne möchte ich weiter mit Dir sprechen! Sprechen ist wohl nicht das rechte Wort. Dich lieb haben! In die stille, tiefe, dunkle Nacht hinein! Ich kann es nicht länger. Das Licht wird ausgelöscht. Morgen, Geliebte! Morgen will ich Dich wieder ganz lieb haben, Du!! Behüte Dich mir Gott! Er segne unseren Bund. Geliebte! Laß Dir das Brieflein ein Kerzlein sein auf dem Kranz uns[e]rer Liebe, das Dir Licht und Freude bringen soll.
Ich bin Dein [Roland]! Ganz dein!! Nur Dein!!! Allezeit!!!!
Und das ist so leicht, und so schön, das macht so glücklich, weil Du mein bist! Ganz mein! Meine liebe, liebe [Hilde]!!!
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946