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[OBF-410326-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 26. März 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Endlich, endlich ist heute die Post in Gang gesetzt worden! Du armes, liebes[,] hast nun so lang warten müssen. In 3 - 4 Tagen heißt es, können wir mit der ersten Post aus der Heimat rechnen. Unsre Feldpost soll mit dem Flugzeug gehen. Herzlieb, Herzlieb! Wirst alle Tage meiner gedacht haben, so wie ich Deiner. Wenn wir nun gegenwärtig auch etwas eng und unschön untergebracht sind, so sind wir doch wenigstens von den Rädern herunter – vorläufig. Ein Teil unsrer Leute geht in 2 Tagen schon wieder weiter. Gestern und heute war nun die erste Gelegenheit, sich mal in der Umgebung umzusehen. Nach einem Putzen und Bürsten und Umziehen von mehr als einer halben Stunde darf man sich dann um eine Urlaubskarte bewerben. Also, wenn wir beide wieder mal zum Ausgehen uns anschicken, wird Dein Hubo gewiß ein wenig mehr Geduld zeigen.

[Gestern bin ich nun zum erstenmal richtig vorschriftsmäßig in Blau ausgegangen mit einem Kameraden. Wir haben einen schmalen Betrag in fremder Währung empfangen – und die ersten Spannungen und Erwartungen richteten sich darauf, was wir wohl mit unserem Vermögen anfangen könnten. Dabei hatte ich meinen Wünschen schon eine bestimmte Richtung gegeben: Obst, das wir jetzt entbehren müssen, und Seife. Das fremde Geld ist rar. Schicken dürfen wir vorläufig gar nichts. Wie soll ich nun beginnen, Dir die ersten Eindrücke zu schildern. Der Balkan ist ein Land der Gegensätze. So in der Natur: heiße Sommer – kalte Winter. In der Zusammensetzung der Bevölkerung: primitiv – bäuerlich – fremdartig und modern – städtisch – an der westlichen Kultur ausgerichtet. Zwischen bodenständigen einfachen Häusern, nicht nur nach der Front verputzt, stehen moderne Bauten. Zwischen modern gekleideten, reichlich bemalten Damen laufen nach der Sitte des Landes gekleidete, mit Tüchern behängte Gestalten. Gegensätzlich auch der soziale Unterschied [zwischen] arm und reich. In den wenigen Tagesstunden zwischen 6 Uhr und ½ 8 Uhr – es wird  hier sehr rasch dunkel – haben wir nur erst mal die Hauptstraßen abgeklopft. Zunächst heißt es da mal gut aufpassen – grüßen und wieder grüßen, schlimmer als in Kiel. Die Stadt hier hat über 100000 Einwohner – und in den Abendstunden gibt es ein ganz schönes Gewühl. Es liegt hier auch viel heimisches Militär. Die Offiziere grüßen wir auch. Die Auslagen und Geschäfte sind mit wenigen Ausnahmen sauber und appetitlich. Es gibt viele Fruchtgeschäfte. An frischen [Obst] jetzt nur Äpfel und Apfelsinen, so teuer und noch teurer als bei uns. Natürlich ist hier noch manches zu haben, was wir zu Haus jetzt entbehren müssen. Ich kaufte mir heute ein paar Stück Seife. Damit das Land von den vielen Soldaten nicht ausgekauft wird, wird mir ein Teil des Wehrsoldes in fremder Währung ausgezahlt. Wie wir mit der Sprache zurechtkommen? Kaum war unser Zug eingelaufen, als auch schon die ersten Händler kamen und uns kleine Büchel mit den gebräuchlichsten Wörtern und Redensarten anboten. Ein Teil der Händler hat die Gelegenheit wahrgenommen und seine Anschriften auch in deutscher Sprache herausgebracht. Manche Bulgaren kennen die deutsche Sprache, in etlichen Schulen ist Deutsch die bevorzugte Fremdsprache, mehr aber noch Französisch. Na, und man kann ja allerhand mit Gebärden sagen. Hinzu kommt hier erschwerend, daß alle Anschriften, die Schrift überhaupt sich andrer Zeichen bedient. [Hilde] z. B. sieht auf B. [sic] so aus: ][siehe Ausschnitt aus dem Brief]

Heute nun haben wir uns mal einen kleinen Überblick verschafft über die Stadt. Sie liegt in einem mächtigen Längstal, das etwa 20 – 30 km breit sich zwischen zwei mächtig langen Bergzügen erstreckt und von der Maritza durchflossen wird. Die Berge mögen 1500 – 2000 m hoch sein, viele von ihnen sind noch mit Schnee bedeckt. Hier in unsrer Stadt erheben sich 3 oder 4 Bergklötze aus der Ebene, aus einem granitartigen Gestein, etwa 100 m hoch. Der Blick von diesen Bergfelsen heute bei untergehender Sonne und dann, als alle Lichter der Stadt angezündet wurden, es war ganz einzig. Überhaupt war der heutige Spaziergang reich an stimmungsvollen Eindrücken. Wir gingen mal Seitenstraßen, sahen von außen Kirchen und Moscheen, traten durch eines der Kirchenportale und lauschten der Chorstunde eines tadellosen Kirchenchores. Bewaffnet mit einem Pfund Äpfel und einer Tüte Erdnüsse bestiegen wir einen der Stadtberge. Oben hatten wir eine nette Unterhaltung mit andren Landsern. Alle sind erstaunt, Matrosen hi[e]r zu sehen. Weißt, ich würde mich gar nicht wundern, umsomehr [sic] aber freuen, hir [sic] Hellmuth oder Siegfried zu begegnen.

Meine liebe, liebe [Hilde]! Wenn Du mir schreibst, dann bitte 2 Tuben Zahnpasta, 10 Filme Agfa Isopan, Taschentücher. In ein oder 2 Briefe stecke mir einen Zehnmarkschein! Meine liebe, liebste [Hilde]! Die Uhr geht auf 11 Uhr. Gleich wird das Licht ausgelöscht. Ich bin gespannt, wie lange der Bote brauchen wird bis zu Dir.

Du! Ich habe vorhin nach unseren Sternen ausgeschaut. Ich freue mich so sehr auf Deim [sic] Boten, auf die Botschaft aus der Heimat.

Herzlieb! Du bist meine Heimat, Dein Bild trage ich in mir – mein Leit [sic], mein Ziel – Es wieder zu schauen, dem gilt all mein Sehnen, all mein Sinnen und Trachten. Gott behüte Dich mir! Du!! Du!!!

Bitte, grüße die lieben Eltern! Bald bekommen sie ein paar Zeilen besonders.

Ich bin Dein [Roland], immer und ewig!!

Und Du bist meine liebe, liebste [Hilde]!! Du! Allmein [sic] Glück, mein Leben!! Mein!!!!

 

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.410326-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946