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[OBF-410411-001-01]
Briefkorpus

Karfreitag, den 11. April 1941

Herzallerliebste! Meine liebe, liebste [Hilde]! Herzlieb mein!!

Unser Postbüttel hat etwas ausgerichtet. 2 liebe Boten brachte er mir. Geburtstag ist heute! Nun erfahre ich es – zu spät. Von ganzem Herzen wünsche ich der lieben Mutter alles Gute! Deine Mutter, Herzlieb! Sie meint es so gut mit uns! Keine Mutter könnte es besser meinen. Und Du? Ihr Kind? Gehörst doch mehr zu mir nun – nicht weil ich es fordere – weil es so ist – weil die Kinder sich lösen von den Eltern, auch von den liebsten, besten – weil die Liebe stärker ist als das Blut. Ach Herzlieb! Das sage ich nun gerade, da ich der Mutter lieb gedenken will, weil es mir eben einkam. Ich habe sie beide so lieb gewonnen, Deine Eltern, so lieb wie die meinen – und ich wollte es gern. Ich wollte, daß ich Deine Welt ganz verstünde und bejahte – und ich wünschte so sehr, daß ich alles gut fände und nichts zu übersehen und zu entschuldigen bräuchte – und fand es so, Geliebte!!! Ein Kind Deiner Heimat bist Du, so wie sie gewesen sein mag, als die Fabriken noch nicht standen und die Menschen noch nicht in deren Nöte gezwungen wurden, ein Kind der Heimat, wie ich sie so liebe, wie ich sie so gern durchstreifte und mein Auge darüber schweifen ließ, über die weite und herbe Schönheit, die doch auch die stillen romantischen Täler und Gründe birgt. Bist ein Kind Deiner Eltern, die noch vor einer Generation diese Fabrikarbeit, die abstumpfende, nicht brauchten und selbständig ihren Platz behaupteten in dieser Heimat. Und diese Heimat ist der meinen, der Lausitz, so ähnlich, ebenso weit und herb.

Herzlieb! Wir gehören zusammen – wir dürfen uns so glücklich schätzen, daß wir auch mit unseren lieben Eltern eine Familie bilden – und auch in unserem Heim wollen wir ihr Gedenken allzeit in Ehren halten, wollen uns als Glied und Fortsetzung unserer Familie fühlen – und unsere Kinder sollen es fühlen, und Gott gebe, daß sie ihre Großeltern kennen lernen und ihr Bild sich einprägen – das Land und Bewußtsein, eine Familie zu sein, stärkt und festigt.

Nun werdet Ihr heute Geburtstag feiern, werdet mein denken so wie [ich] Eurer – hoffentlich nun in guter Gewißheit von meinem Wohlbefinden.

Meine liebe, liebste [Hilde]! Hast so tapfer gewartet, Du!!! Ach Herzlieb! Die härteste Probe ist wohl nun bestanden. Wir wollen hoffen, daß sie so lange gar nimmer ausbleibt, die Post. Nach der glücklichen Zeit unseres Zusammenseins war es Dir doppelt schwer, Du! Geliebte! war Dein Sehnen doppelt groß!! Nun wird Dir leichter werden. Hat Dich doch ganz aus Deinem Rhythmus gebracht, das arge Warten und Sehnen – Du erzählst es mir heute! Liebste!! Du!!! Herzlieb! Ich freue mich darüber, wenn Du mich es wissen läßt – Dein Dickerle muß doch im Kalender bleiben – hat sich den Tag gleich auf einen Rand geschrieben! Du!!! Du!!!!! Hast gerade wieder viel Dir vorgenommen in den bösen Tagen!

Und nun schneit es wieder bei Euch! Es ist, als ob die Winter immer länger und hartnäckiger würden – ich denke an den vergangenen zu Hause, der überhaupt kein Ende nehmen wollte. Und nun kann ich Dir und den lieben Osterhasen heute gar nicht aushelfen mit ein bißchen Wärme und Sonnenschein. Bei uns ist es heute kalt und regnerisch, und wir haben die Öfen in Gang gesetzt. Dein Hubo sitzt warm bei Radiomusik und zwischen Fliedersträußen in der Schreibstube.

Du fragst mich nach den Bildern aus dem Urlaub. Ich erwarte sie selber mit Ungeduld – kann mir nicht denken, daß R. nicht gewissenhaft alles sollte besorgt haben.

Meine Monatsschrift. Sie lebt also noch, was mich freut. Ich danke ihr sehr viel und möchte sie auf jeden Fall weiterbeziehen, Deine Rückfrage ist durchaus in Ordnung.

Mein Herzlieb berichtet mir noch immer so gewissenhaft von seinen großen „Geldgeschäften". Hast doch meine Mahnung dazu nicht vergessen? Ich hatte Dir doch eine Aufbesserung versprochen – Herzlieb, Du verstehst, es muß jetzt bleiben. Vielleicht, wenn wir besser eingerichtet sind, daß ich es verfüge. Vom Gehaltsrechner in Bad Schandau habe ich die erbetene Auskunft noch nicht erhalten. Aber was wir jetzt ersparen, ist doch so viel, daß Du nicht mit jeder Mark ängstlich rechnen sollst. Mußt der lieben Mutter nicht alles sagen!!

Getanzt wird also noch immer. Hast mir vom Befinden der N.er Großmutter gar nichts mehr berichtet und wie es mit der Pflege geworden ist.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!! Heute in 8 Tagen feierst Deinen Geburtstag. Nichts sehnlicher wünsche ich, als daß Dich bis dahin meine Zeilen erreichten. Geliebte! Und wenn sie noch lange ausblieben: An meiner Liebe und Treue sollst Du keinen Augenblick zweifeln und irre werden!! Ich bin Dein für allezeit! Nur Dein!! Ganz Dein!! Nun rüstest wieder alles zu einem Feste mit Liebe und Fleiß und Feinsinn, Geliebte!! Wie gern möchte ich Dir zuschauen – Dir auch ein bißchen helfen – und die Arbeit ein wenig verkürzen – und dann, Du? Du!!! Mit Dir feiern! Herzlieb!!!!!! Du!! Du!!!!! Gott behüte Dich mir! Er sei uns gnädig und segne unsern Bund! Er schenke uns recht bald Frieden und ein glückliches Wiedersehen!

Du! Mein Herzlieb!! Ich liebe Dich von ganzem Herzen! Ich habe Dich so fest in mein Herz geschlossen – ich wohne in Deinem Herzen!! Liebste mein!! Dein Herzlein! Dein Mund! Dein – Du!! Du!!!!!!!!!!!!! Mein Herzlein! Ganz mein bist Du!! Du!!!!!

Sei recht froh und glücklich mit mir, Geliebte!! Ich kehre Dir zurück!! Du!! Mein Herzlieb!!

Ich bin und bleibe in ewiger Liebe und Treue

Dein [Roland].

Viele liebe, herzliche Grüße den lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946