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Briefkorpus

Sonnabend, den 26. April 1941.

Mein liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Die letzte halbe Stunde Helligkeit nütze ich, um meinen Gruß an Dich wenigstens zu beginnen. Es ist wieder ein herrlicher, warmer Abend, ganz blank ist der Himmel, recht Sonnabendstimmung, feiertäglich und friedlich, fehlt nur ein schönes Glockengeläut. Geliebte!! Wie freue ich mich darauf, mit Dir solchen Abend zu verleben, mit Dir die vielen, vielen Wochenkreise und den Jahreskreis – einen Tag um den andern, ohne Ungeduld, ohne Trennung, ohne Abschied, immer bei Dir – Herzlieb, Du!! Möchte diese schöne, liebe, traute Zeit recht bald anbrechen!!! Du! Du!! Sie wird sich einst erfüllen, so wie die vielen großen Wünsche uns erfüllt wurden, der größte, daß wir uns fanden und lieben lernten, oh so tief und heiß!!!!!

Herzlieb, Dank und Freude erfüllt mich heute in dieser Abendstunde. Du!! Wenn Du jetzt neben mir auf der Bank sein könntest, mit mir durch den Abend gehen.

Eigentlich hätte ich heute zum Sonnabend eher Zeit finden müssen, Dein zu denken. Aber – Fein in Reih und Glied stehen im Hofe 8 Lastwagen, schon beladen. Als wir heute um 11 Uhr vom Sport kamen, wurde bekannt, daß wir am Montagmorgen abreisen. Und gleich nach dem Essen ging es an das Beladen der Wagen. Es war ein gut Stück Arbeit bei dieser Wärme, und mit dem Matrosensamstag war es nichts. Nun ist es uns auch so lieb. Ist doch heute nun richtiger Feierabend, morgen noch einmal Gelegenheit an Land zu gehen. Worüber sollten wir auch betrübt sein? Hier war uns[e]res Bleibens doch nicht. Nach Hause läßt man uns auch noch nicht – müssen eben noch eine Weile Soldat sein – Wir hoffen[,] es nicht schlechter zu treffen – wir werden mehr Geld bekommen – wir werden eine geregelte Arbeit haben – und Dein Hubo wird nun wieder alle Boten bekommen – er freut sich ja so darauf!!! S. [sic] liegt nicht mehr ab als Plovdiv, es liegt an der Zweigbahn des Orientexpreß, die nach Osten geht. Herzlieb! 5 Wochen sind wir nun hier. Wir wollen Gott von Herzen danken, daß er uns, daß er mich behütete vor allem Unfall, vor aller Krankheit, daß er uns ein erträgliches Los bescherte. Oh, von ganzem Herzen wollen wir ihm danken!!

2 – 3 Tage wird die Reise dauern. Wir fahren zusammen mit noch einem Truppenteil, eine ganze Wagenkolonne. Es heißt, daß wir in Omnibussen der Wehrmacht reisen. Das wäre fein! Die vor uns wurden auf Lastkraftwagen verladen. Herzlieb! Leicht kann es nun also sein, daß die Post wieder ein paar Tage , leicht auch länger, ausbleibt ohne daß Du deshalb besorgt sein mußt. Und Dein Hubo wird Obacht geben, daß er sobald als möglich wieder ein Zeichen von sich geben kann. Morgen werde ich meinen Film noch fertig knipsen – da hast unterdessen noch ein bisserl Beschäftigung. Wenn sie alle angekommen sind, mußt doch jetzt einen ganzen Laden schon haben – auf jedem kann der Hubo freilich nicht drauf sein – er muß doch knipsen – die anderen versauen mir die Bilder. Nun muß ich aber recht bald meinem Herzlieb einen Apparat kaufen, damit ich auch von ihm wieder mal etwas sehe. Der Hubo wird sich bei Gelegenheit noch einmal photographieren lassen mit Augen geradeaus!

So! Jetzt wird es auch dunkel! Brave Kinder müssen jetzt heimgehen. Das sind wird [sic] doch, Du!! Jetzt? – ja!! Dann?? Noch viel mehr, dann haben wir uns doch ganz lieb, wenn es dunkel wird – ist Liebhaben nicht Bravsein? Du!!! Du!!!!! Aber ein bissel Licht braucht der Hubo!! Herzlieb!!! Du!!!!! Ich liebe Dich so sehr!!!!!!!!!!!!!

Einen ganz lieben Kuß erst zum lieben, schönen Sonntagmorgen! Du! Wo steckst denn eben noch? Ach, mein Herzlieb hat die Guckäuglein noch zu und schläft so tief und fest und selbstvergessen wie ein Kindlein. Muß der Hubo noch ein bissel warten. Aber ich denke, sein [Hilde]lieb wird ihn schon dahin bringen, daß er mit ihm einschläft und aufwacht – wenn nicht im Guten, dann eben im Bösen – und wenn das nicht hilft mit einem feinen Wiegenlied (o, ich will aber unartig sein!!!) und des Morgens mit einem Klitsch (vor dem ich mich nicht fürchte).

Nun schreibt der Hubo auf seinem harten Bettlein weiter – er ist es nun gewöhnt. Bei meinem Herzlieb wartet ein feines, weißes – und breit ist es; gleich für zwei – gehört dem Hubo aber nur zur Hälfte – die andere aber ist nicht mehr leer – oh nein – schläft eine Prinzessin drin, eine Königin sooo schön, und gut und reich und lieb – mein liebes, liebstes Dornröschen! Und einer darf es hüten, darf über seinen Schlummer wachen – einer darf es küssen und einer erlösen!!!!! Oh der Glückliche der märchenhaft Reiche! Der Märchenprinz!!! Ich verrat es aber nicht, wie er heißt. Ach Herzlieb! So märchenhaft wird mir, wenn ich an unsre Liebe denke, an unsre Zweisamkeit. So schön und gut wird alles sein – muß alles sein, wo zwei sich soviel Liebes und Gutes erweisen möchten. Geliebte!!! Ich werde so glücklich sein mit Dir! Mit Dir sind Glück und Sonnenschein in mein Leben eingezogen! An Deiner Seite wird mein Leben sich erfüllen in kaum erhofftem Reichtum! Gott walte gnädig über dem Glück unsrer Liebe!

Noch eine Nacht hier – dann geht die Fahrt weiter – neue Bilder, ein neues Land, eine neue Unterkunft – Schicksal – Lebensbahn ganz sichtbar — aber Schicksal und Lebensbahn sind überall und jederzeit auch im tiefsten Frieden häuslichen Glückes, wenn die Zeit stillzustehen scheint – und allgegenwärtig ein Herr des Schicksals, über dem Deinen über dem meinem, über dem aller Menschen: Gott. Herzlieb! Wir glauben an ihn – in guten und bösen Tagen. Wir müßten wohl zerbrechen ohne diesen Glauben.

[der weitere Verlauf des Briefes ist unleserlich]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946