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[OBF-410617-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 17. Juni 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebte! Herzlieb mein!!

2 liebe Boten sind heute zu mir gekommen – fein der Reihe nach – heut mittag einer – und, ich habe mich ja ganz sehr gefreut, nach Feierabend noch einer! Zu Feierabend, wenn dann die Gedanken alle zu Dir gehen dürfen – wenn wir dann auch ein wenig Muße haben – und noch ein Stündchen auf dem Balkon stehen, nach der [un]tergehenden Sonne schauen – oder wie gestern und heute nach dem Wetterleuchten. Und heut abend erscheint nun auch der Schreibergefreite in der Anschrift. Mein Herzlieb freut sich – und nun freu ich mich gleich ein bissel mit – und das Kussel nehme ich gern an – und das handfeste Süße auch. Geliebte! Wir haben uns darüber nicht weiter gefreut. Wer nur halbwegs gut sich geführt hat, erglimmt [sic] nach 9 Monaten diese Rangstufe. Ein bissel gerechnet haben wir: gibt nun 36 M Wehrsold im Monat. Kann das Geschenk für das Herzlieb ein wenig reicher ausfallen. Ach – und erinnert wurde man daran, daß wir nun schon 9 Monate Soldaten sind. Herzlieb! Als nächste Beförderung wünsche ich mir nur die Eine: heim zu Dir! „Wenn Du auch nicht mit Leib und Seele Soldat bist – – “. Nein Herzlieb! Mit Leib und Seele bin ich nur mit Dir, mit unserem Glück, mit unserem Planen und Schaffen, Du!! Aber ich will nicht undankbar sein: und für Deine lieben Glückwünsche und Geschenke und auch die der lieben Eltern seid herzlich bedankt. Ich weiß ja, wie lieb Ihr an allem teilnehmt, wie ihr mit mir euch freuen möchtet – und ich fühle es ganz froh und glücklich. Nun will ich erst drannehmen, was mich am meisten bewegt – und worüber Du mich fragst und meinen Rat einholen möchtest.

Herzlieb! Ich schrieb Dir vor Tagen schon darüber, und heute wieder, über Deinen Platz, den Du ausfüllst. Ich vermeinte, eine Unzufriedenheit und ein Verlangen aus Deinen Boten zu hören, daß Du Dich nach einer Aufgabe sehnst, die Dir über die lange, böse Zeit des Wartens und Geduldens hinweghelfen möchte – besser als Deine Arbeit jetzt. Ich möchte und wollte Dir gern helfen dazu. Ich mußt[ Dir gestern sagen, daß Dein Tag ganz ausgefüllt und Deine Kräfte alle ganz angespannt sind – daß Du keinerlei Ursach hast, mit Dir unzufrieden zu sein. Heute schreibst Du m[i]r von der Möglichkeit, daß man Dich einspannen könnte.

1) Zunächst gilt es dann einmal, jeden Anwurf, jede Anmaßung, jeden Druck und jede Unverschämtheit der Behörde abzuwehren. „Vater und Mutter arbeiten, ich führe den Haushalt“. Einer muss den Haushalt führen!! Schon wegen Vaters angestrengten, unregelmäßigen Dienstes. „Wenn ich arbeiten soll, muß Mutter aufhören!“

2) Das Ansinnen, in einer Fabrik zu arbeiten – in einer Munitionsfabrik gar – überhaupt auswärts zu arbeiten lehnst Du rundweg ab. „Ich muß meiner Mutter an bewegten Tagen zur Hand gehen!“ Und dringt man weiter in Dich – läßt Du Dich auf weitere Begründungen und Erklärungen gar nicht ein – Du lehnst es ab und damit gut.

Machst Dich auf diese Weise erstmal halten – und je nach dem, kannst Du ja dann mit einem Vorschlag einlenken. Herzlieb – in eine Fabrik, in eine Munitionsfabrik gar, lasse ich Dich nicht! Du bist körperlich wie seelisch dazu einfach nicht in der Lage! Ich würde selbst aus dieser Ferne dann alle Hebel in Bewegung setzen – und ich bitte Dich, meinem Wunsche nach Deinen Kräften zu entsprechen.

Und nun Deine Vorschläge für den Fall, daß – – –. Die Richtung der Vorschläge gefällt mir schon. Herzlieb! Bitte nicht in das Lager der Volksdeutschen zu den Kranken. Nicht zu den Kranken, Herzlieb! Zu den Wöchnerinnen schon eher.– Nachrichtenhelferin? Es sind jetzt auch welche hier in [geschwärztes Wort] Herzlieb!

Soll ich aus Deinen wenigen Zeilen dazu einen Wunsch lesen und aus dem „das ist nichts für mich“ einen resignierten Verzicht? – Geliebte! Ich will Dir keine Szene machen. Dieser Dienst hat etwas Verlockendes vonwegen des Reisens. Wer möchte dieser Lockung nicht erliegen, der sich noch jung fühlt? Und wenn es einer Deiner Lieblingswünsche ist – ich erfülle ihn Dir! Du sollst keinen Augenblick an meinem Großmut zweifeln. Und Du sollst auch wissen, daß ich um Deine Liebe und Treue keinen Augenblick mehr bange. Und wenn Du mich damit auf die Probe stellen willst, ich wollte sie bestehen – wollte all meine Sorgen dazu hintanstellen – und wollte die neuen Sorgen gern auf mich nehmen. Sorgen würde ich mir freilich machen, so wie Du Dich um mich sorgst, vielleicht mehr noch, weil ich schon besser gesehen habe, wie es zugeht. Und wenn ich nicht mehr so lieb nach Haus denken könnte, weiß nicht, wie mir dann manchmal zumute wäre. „Da hätte mein Herzlieb viel zu viel Sorge“ – hätte ich Dich denn recht lieb, wenn ich mir keine Sorgen machte? „viel zu viel Sorge“ –. ach, ich will aufhören damit, Du! Versteh mich nur recht, Geliebte! Ich will Dir nichts drauf lassen [sic]! Ich mag vor Dir nicht schwach erscheinen. Hättest Du Dein Mannerli freiwillig in diesen Krieg ziehen lassen? Ich weiß Deine Antwort, Geliebte! Ob ich Dich freiwillig ziehen lasse? Nein! Weil ich Dich so lieb habe!!! Aber wenn Du aus dieser Weigerung engen Sinn und Schwäche folgern wolltest – „das ist nichts für mich“ – so würdest Du allen Stolz, Großmut und Stärke auf den Plan rufen.

Siehst – jetzt wirst alles wieder einrenken und richtig stellen müssen, und Deines Mannerli Gedankenwogen glätten. Herzlieb! Wir halten einander doch so fest – unser Glück ist sooo groß – für Deinen [Roland] ist es das Glück der Heimkehr – für Dich das Glück des Empfangens. Und wir wären nicht schwache Menschen, wenn wir nicht darum bangten und sorgten – und es zur sichern versuchten, es jeder Gefahr zu entziehen. Du bangtest nicht darum? Geliebte!! Ich weiß es doch ganz anders!!

Zum Schluss aber noch ein recht Liebes! In Deinem lieben Boten vom Sonntag stecken 4 Bilder. Zwei habe ich mir gewüns[ch]t – die beiden anderen – Du! – sind Zugabe – oder sollen sie mir eine Geschichte erzählen? Zwei Geschichten kann ich mir denken! Heimkehren, heimkehren soll ich – dort, wo ich recht wirken kann, dort, wo mein geliebtes Herz mir zur Seite stehen will als mein allerliebster Kamerad – und von der Heimkehr kann mir auch das andre Bild erzählen: Mutter und Herzlieb bezeichnen die Heimat am deutlichsten! Du!!! Geliebte!!!!!– Die andre Geschichte erzähle ich aber nur, wenn mein Herzlieb mir einen kleinen Wink gibt, ob der Hubo recht hat mir der Geschichte – ja? Du!!! Herzlieb! Weißt Du, wie ein feiner leiser Wink vom geliebten Weib das Mannerli ganz selig machen kann? Du!!!!!!!!!!!!! Mein Herzlieb hat den Sinn vom Familienbaum gewiß ganz tief begriffen und sich gemerkt, ich kenn es doch darin! Mutter – Lebensbaum – Kinder, oh Du!!! so viel!!! – wer ist denn grade dran, am Lebensbaum zu blühen und zu fruchten? Oh Herzlieb!!! Du und ich!! Auf des Lebens Höhe! In des Lebens Hochzeit! Ich habe dich sooo lieb!!! Und Du hast mich sooo lieb! Und bald soll alle Liebe gekrönt werden, Du!!! Ein Kindlein willst Du – von mir? Von mir?? Oh Geliebte!!!!! !!!!! !!! Und ich weiß es und fühle es – all meiner Liebe Krone kann nur sein – Dich ganz zu erfüllen und Dir eines zu wecken [sic], ach, das Beste und Liebste, das ich nur könnte.

Du!! Du!!!!!! Ich liebe Dich!!!!!! Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund! Er erhalte Dich mir froh und gesund. Ich habe dich sooo lieb! Ich gehöre Dir ganz, Geliebte. Ich bleibe Dein in alle Ewigkeit –

Dein [Roland]! Ganz Dein!!! Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946