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[OBF-410627-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 27. Juni 1941

Herzallerliebste, Du! Mein liebes Sommerferienvöglein!

Jetzt komm ich gleich erst 1 mal [sic] auf einen Sprung zu Dir! Es ist noch früh – ½ 9 Uhr – gerade mal reine Luft in der Schreibstube – und da muß ich doch erst mal nach meinem Herzlieb ausschauen!

Hat es denn schon fein ausgeschlafen? Sonst küß ich es gleich munter! Ist´s denn fein grad aufgestanden? Sonst mach ich aus dem mürrischen Bübchen gleich ein frohgemutes. Wie ich das mache? Ich drücke, drücke es ganz lieb und sehr, Du!!!

Womöglich streckt es sich noch wohlig im Bettlein. Dann helf ich ihm gleich mit in die Kleideln, ja? Du!!! Ich weiß doch die richtige Reihenfolge schon nimmer! Welches Oberkleidel ist denn heute dran? Ein stilles, strenges, Du!!! Und dann geht es an den Morgenkaffee. Möcht gleich mit Dir dran sitzen – ganz allein, Du! – mein liebes Bübchen auf dem Schoß – und wollte es füttern – ein Zückerchen – ein Küßchen – ein Schlückchen – ein Küßchen – Du! Viele Küßchen dazwischen, Du!!! Magst das? Ach, ich denk mir´s doch heute ein wenig verschlafen und stumpf und niedlich – zum Fressengernhaben [sic] – und der Hubo ist so munter und – ja auf stumpf paßt nur scharf, – scharf also und so, daß er viele Kusseln austeilen möchte. Du!!! Du!!!!!

Und nun wär ich schon ein wenig neugierig, daß das Tagesprogramm zu erfahren. Ob ich auch mit drinstehe? Und um welche Stunde? Ach, mein Herzlieb möcht sich ja zerteilen – kommen alle zu ihm gelaufen – laden es ein – möchten es gleich behalten – und ich weiß es doch, es gehört ganz mir!!! Und am liebsten kommt es doch zu mir!!! Und in seinem Herzen, da wohnt der Hubo ganz allein – und das allerliebste und allerbeste hebst Du doch mir auf! Und wohin Du auch gehst, Du nimmst mich mit!!! Du! Ich lass mich doch sooo gerne von Dir liebhaben! Oh sooooo lieb!!! So! Nun muß ich wieder an die Arbeit! Sicher bist Du keinen Augenblick vor mir! Wenn ich nur kann, komm ich geguckt – muß mein Herzlieb immer mal ein bissel aufsterlen [sic]? Sonst wird es zu dick – und dann paßt es zum Hubo nimmer. Na, wenn ich wieder zu Haus bin, werd ich schon auf das rechte Maß halten, Du!!!!! Du!!!!!

Du! Ich glaub[,] dem Mannerli ist heute zu wohl – er sieht seinen Gegner nicht – fühlt sich als Alleinherrscher. Ich denk mir nur, sein [Hilde]lieb wird diese Herrschergelüste auf das rechte Maß beschneiden.

Aber ganz sehr lieb hab ich Dich, Du!!! Du!!!!! Heut braucht mein Frauchen nicht zu kochen – und da ist es doch ganz für den Hubo da – ach, und der Hubo wär doch auch sooo gern ganz für sein Frauchen da! [*] Herzlieb! Du!! Du!! Ich hab Dich so lieb!! Sooo lieb!!!!! Schon zum frühen Morgen! Du!!! 

Und nun ist schon wieder Abend. Und der Hubo hat sooooft an Dich denken müssen heute – hat heute fleißig geschrieben – Du! Darauf bin ich ja gespannt: Werden meine Boten Dich denn in der Sommerfrische erreichen? Ich schicke sie alle nach dem Dornröschenschloß – weiß d[och] noch gar nicht, ob meine liebe Prinzessin auch wirklich verreist ist – und zum andern die Ungewißheit, ob die Boten auch schnell genug sind, daß sie Dich rechtzeitig erreichen.

Herzlieb! Heute kam Dein Zeitungspaket an. Sei recht sehr bedankt für Deine liebe Sendung. Du! Die Zeitung „Das Reich" lese ich schon lange mit Dir! Ich habe mich ja gefreut, als ich sie hier in der Schreibstube liegen sah. Wir bekommen sie regelmäßig geliefert, und zwar ganz pünktlich. Daß ich lese, was Du liest und anschaue, was Du anschaust, das ist mir doch sooo lieb! Also hör zu: Die feinen Zeitungen hebst schön auf – und wenn ein Artikel Dir recht bemerkenswert schien, dann streichst ihn an, dann lesen wir ihn noch einmal miteinander – im nächsten Urlaub, Du!!! Wenn wir dazu kommen und die Zeitung dann nicht etwa nur als Tarnung benutzen, Du!!! Du!!!!! Die Berliner Illustrierte [sic] bekommen wir im Lesezirkel auch zu sehen. Die Freude am Schicken möchte ich Dir doch aber nicht nehmen. Weißt, schickst mir die Münchener Illustrierte, [d]ie hab ich früher auch gern gelesen!

Du!! Wielange [sic] wollt Ihr denn zu Hause uns die Post versperren? Nur nicht gar zu lange! Ich möcht doch so gern etwas vom Ferienurlaub hören! Ist neugierig, das Mannerli! Will doch nur sich recht von Herzen freuen mit Dir und teilnehmen an Deinen Erlebnissen – an Deiner Welt! Noch hat jedes von uns seine Welt – räumlich jetzt – aber doch bloß äußerlich – innerlich leben wir doch beide schon ganz [in] unsrer Welt – ach, und diese unsre innere Welt nimmt ja soviel Raum ein in uns! Ist doch nichts, das wir nicht gemeinsam erleben und empfinden! Ist doch nichts, das wir nicht in Beziehung bringen zu unsrer Welt. Du! Wir halten schon ganz fest zusammen wie zwei rechte Eheleute. An wen sollte ich mich auch halten – wem könnte ich mein Herz ausschütten – wer möchte meine Sorgen auch liebend zu den seinen machen? Und doch sind es keineswegs nützliche Erwägungen, die uns so eng zusammenschließen. Ach Du! Herzlieb! Es ist der gleiche Herzschlag - und weil wir einander sooooo liebhaben!

Hast recht, und auch ich empfinde es manchmal wie Du, als ob wir noch gar nicht Mann und Frau wären. Weißt, weil wir noch kein Heim, kein Nestel haben, weil wir immer erst nur einander besuchten. Aber im Herzen, Du!, da sind wir es schon ganz, Mann und Weib. Und Du bist mein liebes Weib, Du!!! Du!!!!! Ja Du!!!!!

Weib! Oh Geliebte! Was dieses Wort in sich birgt in seinen Tiefen, das bist Du mir!! Liebste! Liebste!!! Und alle Regungen und Empfindungen in ihrer Feinheit und Zartheit und auch in ihrer Gewalt – Du rufst sie wach, von Dir strahlen sie aus – und darum bist Du mein Weib! Meines Herzens Königin! Und alle hohe Meinung und reine Freude und Hochacht[un]g vor dem andern Geschöpf, sie ist in Dir sooo reichlich erfüllt!, ich liebe in Dir das Weib. Herzlieb! Und wie wir zusammenleben, wie unsre Herzen zusammenschlagen, wie wir uns miteinander freuen können, und dann auch füreinander einstehen: darin sind wir schon ganz Mann und Weib.

Du!!!!! Wir können einander doch sooo nahe sein – näher geht´s doch gar nimmer! Und meine [Hilde] bist Du trotzdem und bleibst es wohl auch. Von Vater und Mutter und Bekannten magst Dich damit wohl wie in Kindertagen angerufen fühlen – aber vom Mannerli -  - Du! Wenn das Mannerli so sagt und schreibt, da denkt es nicht an ein Kindlein, da denkt es an das große, liebe Mädchen, das im Lichtenhainer Stübchen kaum aus dem Fenster schauen konnte, da denkt er an all die Stunden des Sehnens und Wartens und heimlichen Rufens – und an all die Stunden, da Du nun bei mir warst, Erfüllung allen Sehnens! Oh Geliebte! Du bist mein Weib! Meine liebe Frau! Bist stärker, als Du meinst! Bist Deinem [Roland] alles, alles!!!!! !!!!! !!! Ach, wenn Du das magst, wenn Du glücklich bist darum, dann bin ich es auch! Sooooo glücklich!!!!!

Gott behüte Dich mir!!! Herzlieb! [Hilde]lieb!! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb! Und ich habe auch Sehnsucht! Und ich küsse Dich! Du!!! Du!!!!! Dein [Roland]! Geliebte! Holde mein!!!

 

[* = an dieser Stelle mag etwas eingeklebt gewesen sein, hier ist nur das leere Papier zu sehen, die nachfolgenden Sätze bis zum folgenden Absatz an den Rand gedrängt daneben geschrieben]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946