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[OBF-410629-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 29. Juni 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebte, Holde mein!

Der Tag will doch gar nimmer zulangen, Dein zu denken! Ach, ich möchte mich doch gleich einmal einschließen, um mit Dir ganz allein zu sein, Geliebte – um hineinzulauschen in mein Herz und zu vernehmen, wie es Dir schlägt in Liebe, ganz zart und ganz mächtig – hineinzulauschen, um es Dir dann zu künden, froh, und jubelnd Dir zuzurufen, wie ich Dich liebe! Und ich müßte mich doch der Worte bedienen, der dürren. Ach Geliebte! Leben, leben möchte ich mit Dir!!! Mit Dir leben ein gutes, starkes Leben! Bewähren möchte sich meine Liebe – sich verschenken – Dir! all Dir!! Möchte Gott im Himmel uns doch gnädig aushelfen zu diesem Leben! Ach, Herzlieb, und ein einschließen darf ich mich nicht, sonst steigt die Sehnsucht zu mächtig auf! Du! Geliebte!! Heute zur Mittagsstunde hast Du so lieb und süß meiner gedacht – und unsre Gedanken sind sich begegnet, ich habe es gefühlt, Du!!! Ach, ich fürchte mich vor dem Bettlein heute abend – Geliebte!!! Du mein Sehnen! Du!!!!!

Kamerad H. hatte heute Sonntagsdienst – und Kamerad K. hat mich bestimmt, mit ihm auszufliegen zu einem der Grashügel. Ein heißer Tag war heute. Gegen 4 Uhr haben wir uns aufgemacht. Fast menschenleer die Straßen. Ohne Sonnenbrille hätten uns die Augen geschmerzt. Durch die ärmlichen Siedlungen der Vorstadt führte unser Weg – viele Wohnungen gleichen mehr Baracken, möcht mal sehen, was da drin steht. Aber in Grün gehüllt ist alles: Weingeländer, Pflaumen, Feigen, Quitten, Nüsse – wenig Blumen. An den Reben hängen schon mächtige Trauben. Und nun ins Freie, im glutigen [sic] Sonnenbrand. Aber in der Höhe frischt der Wind auf, und die Sonnenbrille verhindert das Schmerzen der Augen. Dürr und kahl und öde alles – aber schön doch und dem Auge willkommen die Linien der Hügel und Berge, das Winden des Weges und die Weite des Ausblickes. Dankbar nahm ich es auf. Nur hätte ich mögen schweigend gehen, mit meinem Lieb nur Zwiesprach haltend, von dem ich doch gar nicht loskomme diese Tage. Und so war ich dem Kameraden wohl nicht der froheste Gesellschafter. Schön der Blick von der Höhe! Fremde! Südland! Auf dem Rückwege begegneten uns, kleinen Panzern gleichend, Schildkröten. Leben hier wild! Auch uns eine überraschende Entdeckung. Große alte und niedliche junge haben wir getroffen, etwa 8 im ganzen. Nun bin ich nach Haus. Kamerad K. ging noch ins Kino. Aber danach verlangte es mich gar nicht. Und jetzt bin ich ganz allein, Kamerad H. ist noch ausgeflogen – und das ist mir doch sooo lieb! Ach Du!! Ich muß mich sooo sehnen heute! Du!!! Du!!!! Denkst auch sehnend mein, ich fühle es! Ganz bei Dir möchte ich sein, Dir ganz nah, ganz ganz nahe, Geliebte, Dich beglücken, Dich erfühlen – Du!!! Du!!! Ein neues Röslein ist erblüht, ein neues Lichtlein aufgesteckt – oh, Du!!!!! Wann wird ich es wieder pflücken dürfen – wann wird ich es anzünden dürfen? Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ach Herzlieb! Ich habe Dich müssen ganz lieb haben, Du!!! So schwül war der Abend, und so heiß im Bettlein – wielange [sic] ich munter gelegen habe, ich weiß es nicht – Herzlieb! Die Sehnsucht war sooo groß und schmerzvoll – und so dumpf das Bohren und so groß das Verlangen – – – ach Geliebte! Und ich bin doch nicht glücklich danach. Der Widerstreit steht auf. Herzlieb, Herzlieb! Verzeih mir!! Ich will ganz stark werden! Und wenn ich bei Dir bin, wird alles gut sein! Oh Du!!! Wirst Du mir verzeihen? – Nun wieder eine neue Woche. Es wird kein Boot kommen bis zum Sonntag vielleicht. Am Sonnabend, so habe ich gehört, hast Du Deinen Boten abschicken dürfen. Zwei stehen noch aus, der vom Sonnabend und Sonntag, wenn Du an diesen Tagen zum Schrieben gekommen bist. Ich bin Dir gar nicht böse darum, wenn es ausbleibt.

Geliebte! Die Woche wird schnell vergehen – und ich erwarte froh ihr Ende, weil dann Deine lieben Boten kommen. Möchtet Ihr doch noch ein paar recht schöne Tage haben im Elbtal zum Sonnen und Sommern [sic].

Oh Herzlieb! Wenn es ums Reisen geht, dann wird der Hubo wohl kein Dickschädel sein – ach überhaupt nimmer. Er wird doch sooo viel Freude haben, wenn sein liebes Weib ihm mal einen Wunsch und Eigenwillen vorträgt. Darfst Dich gleich auf meinen Schoß setzen dazu und mich beim Bart nehmen und an den Ohren fassen – und ich will ganz lieb zuhören – Deinen guten Gründen werde ich mich nie verschließen. Und wenn ich Dir einen Herzenswunsch erfüllen kann, Du weißt, dann sprechen nicht nur gute Gründe.

Oh Herzlieb! Mit Dir leben, leben möchte ich doch sooooo gerne!!! Dann wird Frieden sein in mir und Heimat und Glück ohne Ende! Walte es Gott! Er behüte Dich mir auf allen Wegen!! Herzlieb! Herzlieb!! Verzeih mir meine Schwäche! Ich habe Dich so lieb!! Dich, Dich ganz allein!!!!! Du, mein Ein und Alles!

Ich will ganz Dir gehören, Dein [Roland]!!!

Bitte grüße die lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946