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[OBF-410722-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 22. Juli 1941

Mein Herzelein! Mein liebes, teures Weib! Geliebte!

Mittagsstunde ist. Bis um 3 Uhr. Schöne Zeit zu einem kleinen Schläfchen. Aber ich kann nicht. Zu Mittag kommt doch immer mein Herzlieb zu mir in seinem lieben Boten – und dann bin ich doch immer so munter – ach Herzlieb! So munter – und dann ist ein Strahlen in mir – ein Strahlen – zu Dir! zu Dir! Und als müßten mir die Augen übergehen – und das Mündel und das ganze Gesichtel wollen sich verziehen – Strahlen, Geliebte! wollen Dich anstrahlen und strahlen machen – wollen Dich treffen – wollen in Dich dringen – Du!!! Du!!!!! Auch der Sonnenstrahl! 

Ganz schnell und regelmäßig kommt Dein lieber Bote jetzt zu mir, braucht nur 6 Tage. Und heute habe ich schon den vom Mittwoch. Geliebte! Laß Dir danken! Du!!!!! Ach, wenn die Kameraden da sind, da muß ich mich zu Mittag mit ins Bettlein verkriechen, sonst würden sie sich lustig machen über meinen Eifer und mich stören. Aber heute bin ich ganz allein, Du!!!!! Kamerad H. hat heute durchgehenden Dienst – und schnell ist der Hubo wieder zurückgefahren ins Quartier, mein Herzlieb bei der Hand. Zu sind die Fensterladen – die Tür zugeschlossen – und Deine lieben Bilder schauen mich an – und nun? Du?!!!!! – Schreiben kann ich Dir nur, schreiben! Geliebte!!!!! Aber erst hab ich mir doch alles Liebe sagen lassen von Deinem Boten, Du!!! Und das liebe Kussel, das ganz, ganz liebe, Du!!! wenn Du bei mir wärst, da gäb ich’s Dir gleich wieder, aber eins, auf das Du mir gleich antworten müßtest – Du!!!!! Ein langes, langes Kussel würde das! Und auch streiten würde ich mich jetzt mit Dir – ums Liebhaben, Du!!!!! Deine Bilder, Geliebte, die gefallen mir doch sooo sehr – gefallen ist doch gar nicht das rechte Wort. Herzlieb, Herzlieb!!!!! Sie sprechen zu mir so eindringlich von aller Liebe und Sehnsucht – Du, sie zeigen diese Liebe zu deutlich beinah – das eine Bild darf ich doch gar nicht lange anschauen[!] – und daß der Photograph Dich so gesehen hat, das macht mich doch beinahe ein bissel eifersüchtig. Oh Herzlieb! Sie zeigen mir mein allerliebstes, herrliches Weib – in aller Schönheit – wie noch nie auf Bildern vorher – Du mein einziges, liebes Weib – ich muß Dich soooo liebhaben, sooooo sehr. Und wenn ich Deiner Liebe und Treue nicht so ganz gewiß wäre, ich müßte mich verzehren vor Eifersucht. Oh Herzlieb! Aber Eifersucht stört alles Liebesglück. Und ich will ga[r] nicht eifersüchtig sein – und brauche es auch nicht – weil Du mich sooooo lieb hast und ganz mein bist, ganz mein!! Ach Herzlieb! Da muß ich Dir noch etwas beichten! Daß ich eifersüchtig war und darum ganz stumm und traurig wurde: ich hatte es schon ganz vergessen, es hat mich auch nicht lange geschmerzt, und ich hatte wohl auch keinen rechten Grund. Bei unserem Abschied in Leipzig – wir saßen die letzten Stunden zusammen im Hauptbahnhof – da hast Du Dich so oft umgeschaut. Hinter uns saßen an einem Tisch zwei Flieger mit Angehörigen. Du warst so unruhig. Und mein Herz konnte gar nicht zu Deinem finden.

Du! Dein Mannerli könntest [Du] ganz leicht eifersüchtig machen. Aber wir werden uns damit nie wehtun mit Fleiß. Wenn der Mann nach anderen Frauen sieht, das heißt, ihnen Augen macht – womöglich noch im Beisein der eigenen Frau (besinnst Dich noch auf eine Fahrt im Zuge nach Schmilka, so ein bihmscher schwarzer [sic] mit Kind und Kegel drehte Dir damals Augen), dann ist das ein ganz böses Wehetun, das Ausdruck tiefer Unstimmigkeiten und Mißverstehens sein kann. Gibt es eine schlimmere Anklage zwischen Eheleuten als die?: Du bist mir nicht genug, Du kannst mich nicht zufriedenstellen? Sie muß alles Vertrauen zerstören.

Du!!! Herzlieb! Brauchst gar nimmer eifersüchtig zu sein: Dir gehöre ich, sooo ganz! Kein lieberes Weib kann ich finden! Keines kann ich so lieb gewinnen wie Dich! Keinem noch einmal mein Herz so schenken wie Dir! Kein andres Weib kann mich je von Deiner Seite reißen! Keines wie Du mir so ganz Erfüllung sein! Geliebte!!! Weißt, diese Eifersüchteleien hin und her – das sind noch Kinderkrankheiten unsrer jungen Liebe – und sie wären schon längst überstanden, wenn wir immer umeinander sein könnten. Oh, dann haben alle Strahlen ihr Ziel – alles Strömen sein Bett – dann findet alle Liebe ihren Widerhall sofort – dann sind uns[e]re Wesen so vielfach verschlungen mit ihren besten Fasern. Dann sind wir uns so nahe und reich genug! Oh, ich fühle es! So wird es sein! Und so war es schon immer, wenn ich bei Dir war.

Herzlieb! Was Du mir von Euren inneren Verhältnissen berichtest, ist wenig erfreulich. Gegen das Vorjahr ist es also schlechter geworden, das läßt sich nicht verheimlichen. Das ist nun der Krieg in der Heimat. Ich habe ihn schon einmal als Kind miterlebt, schon mit gutem Bewußtsein, aber doch nicht mit dem vollen Verständnis für die Sorge. Wo zu alldem nun noch die täglichen Ruhestörungen kommen durch die Flieger – da haben die in der Heimat oft schwerer zu tragen als viele Soldaten. Geliebte! Macht Euch nur keine Gedanken und Umstände dan[n] wenn ich auf Besuch kommen will. Du kennst mich ja.

Und nun bäckst Du doch immer noch – und auch für mich – und schickst mir! Ach, ich weiß, über aller Liebe kannst Du doch Dich selbst vergessen. Das sollst Du nicht und darfst es nicht! Herzlieb! Und alle Leckerbissen – selber essen, Du!, damit Du groß und stark bleibst! – Dein Hubo ist jetzt besser dran! Fein hat er geschmeckt, Dein Kuchen, und alle ist er schon, vom Sonntag her – eine bessere Empfehlung für seine Güte kann es doch gar nicht geben! Sei mir recht lieb bedankt, Du!!! Du!!!!!

Siehst – und ganz, ganz notwendig ist jetzt mein Weiberl im Haushalt – sie sollen nur kommen! – ist ja gar nicht zu Hause meist – und wenn Du‘s bist, schließ nur fest zu. Ach, ich will mir nicht zu viel Sorgen machen um Euch daheim: ich vertraue viel Eurer Findigkeit und Eurem Geschick und Eurem guten Humor bei aller Ernsthaftigkeit. Nur gesund bleiben, das ist das Wichtigste.

Ach Du! Und all das vermag doch die Freude auf unser Wiedersehen gar nicht zu trüben! Herzlieb! Du! Vielleicht schon heute in fünf Wochen, daß ich fahren kann! Und langsam, langsam muß ich doch schon an die Vorbereitungen denken, an die Einkäufe – ohne Geld, Du! – ein paar Rosinen und Mandeln möcht ich doch erwischen – und an Deine Wünsche sonst noch denken. Frischobst kann ich kaum mitbringen – getrocknetes Obst – vielleicht paar Backpflaumen. Na, und dann möcht ich sachte an meine Kleider denken, die Schuhe noch besohlen lassen, Hosen bügeln, ein paar Winkel aufnähen (die waren mal ausgegangen) – muß beizeiten drandenken [sic] und die Arbeiten verteilen, sonst kommt mir’s dann alles über den Hals.

Und mein Herzlieb! Oh Du! Das wird auch bald, bald zu draschen anfangen! Teil Dir’s schön ein! Ach Du! Verbieten kann ich Dir‘s nicht, weil es ohne Draschen nicht ganz geht und weil es  Ddir viel Freude macht – und dem Hubo, wenn er sieht, wie alles blitzt und blinkt, auch, Du!! Du!!! Aber die Hauptsache, daß wir persönlich recht gerüstet sind auf den Besuch. Du! Was ich da sage! Als ob ich die Amtsmiene probieren, Hofknix und Kratzefüße üben müßte! Eine Amtsmiene ziehe ich nur – wenn uns die Mutsch beim Kusseln überrascht (Du! Das soll vorkommen!) – oder wenn Du mich fressen willst. Aber sonst setz ich doch das Gesichtel auf wie jetzt beim Schreiben – (aufsetzen ist wieder nicht das rechte Wort! man hat seinen Ärger mit dem bissel Sprache!) – das strahlende [Gesicht] – ach Herzlieb!!! – Du! Wir werden uns noch ganz sehr zusammennehmen und gedulden müssen. Und der Hubo muß fleißig sparen – und mein Herzlieb? Du!!!!! – Ach, ich habe Dich sooooo lieb! Du weißt es! Liebgewonnen habe ich Dich! mein Weib, soooooo lieb! Verschlossen und gefangen saß alle Liebe – Du hast sie befreit aus ihrem Gefängnis – Du allein vermöchtest es – die spröde, eigensinnige, scheue zu befreien – Du hast die Quelle angeschlagen mit Deiner großen Liebe – hast sie Dir errungen! – hast kraftvoll gleich beim ersten Male sie befreit – daß sie begann zu rieseln – nun strömt sie all, all zu Dir! zu Dir!!! Geliebte!!!!! Zu ihrem Befreier – sicher, groß und dankbar und von der Liebe Wunderkraft unaufhaltsam getrieben!!!!!

Oh Geliebte! Ich liebe Dich! Und alle Herzenskraft, aller Eifer, alle Herzinnigkeit ist in dieser Liebe! Nichts sonst, daß mich so bewegte! Ach Du! Am Rande liegt alles andre nun. So kann es gar nicht weitergehen: Meine Berufsarbei[t!] Ach es wird alles ins rechte Geleise kommen, wenn ich ganz bei Dir bin! Aber unser Liebesglück, es wird die Sonne bleiben, der Mittelpunkt meines Lebens!

Und was ich jetzt hier treiben muß, es läßt mich sooo leer! Du bist mein Alles! Alles!!!

Oh Geliebte!!! Daß ich Dich habe! Du!!!!!!!!!!!!!

Gott behüte Dich ! Er sei uns gnädig und unser[e]m Glücke!

Du! Ich bin ganz, ganz Dir! Dir allein gehöre ich! Du allein, ganz allein, hast ein Recht an mir! Aber das magst Du gar nicht – nur meine Liebe! Denn in ihr ist das Beste, ist alles! Du hast sie all! all!! Meine Liebe!!!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Geliebte! Herzlieb! Liebes Weib! Mein – Dein!

Dein [Roland]!

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Autor Roland Nordhoff
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946