Bitte warten...

[OBF-410817-001-02]
Briefkorpus

Sonntag, den 17. August 1941

Meine, liebe, liebste [Hilde]! Mein liebes, teures Weib!

Nur noch wenige Stunden sind am Tage, es geht auf 10 Uhr. Ich bin eben erst eingetrieben mit Kamerad K., Kamerad H. war Schreiber vom Dienst. Auf einem Ausflug waren wir heute. Für die Schreiber unten im Hafen war es so ein bissel Zwang, daran teilzunehmen, mir stellte man es anheim – und dem Kamerad K. zuliebe und um nicht unkameradschaftlich zu erscheinen, bin ich mitgefahren. Etwa 12 Mann fuhren wir in zwei Personenwagen die Bucht entlang, etwa 20 km von der Stadt entfernt zu einem Badestrand und Ausflugsort der Bewohner von Saloniki. Es war äußerst interessant, auf so angenehme Art einmal die Umgebung der Stadt kennenzulernen. Durch viele Weinfelder sind wir gefahren. Am Ziel waren mehrere primitive Kneipen – von etwa 50 Gästen besucht. Zuerst haben wir gebadet. Herrlich warm war das Wasser, beinahe wie in der Wanne, sodaß [sic] auch das im Wasser so leicht frostige Mannerli sich sauwohl fühlte. Ach, Dich hätte ich gar nicht mithaben dürfen, Du wärst mir doch davongeschwommen, Dich hätte ich gar nimmer aus dem Wasser heraus bekommen. Aber salzig ist die See hier, schlimm. Also hat sich das Mannerli ganz lieb von den Wellen tragen lassen – schön – ich hab doch sooo an mein Schätzelein denken müssen dabei!!! Nach dem Bade haben wir uns Weintrauben gekauft, billig, frisch vom Stock, zuckersüß, haben uns auf die Planken der Seebrücke langgestreckt – der Wind ist so lind übers Bauchl gestrichen – am Arm habe ich die Weintraube aufgehängt – und in den blauen Himmel schauend die Zuckerbeeren mir zu Gemüte geführt – Wohlbehagen – Schlaraffenland – Ach Du! Bei meinem Herzlieb ist es noch tausendmal schöner – und wenn es mit an der Traube gezupft hätte, an meiner Seite – ach, dann wäre doch erst die rechte Freude gewesen. Man holte uns dann zur Herde – die im Adamkostüm bei Biere schon am Tische saß. Es war kaum eine Unterhaltung. Dein Mannerli hat die Menschen beobachtet, hat sich mit einem Hund unterhalten und sich von der lieben Sonne bescheinen lassen. Gegen 6 Uhr sind wir aufgebrochen, denselben Weg wieder zurück im Abendschein – in verklärtem Glanze die Berge, das ganze Land im Abendglanz und Abendfrieden – es wäre ein recht schöner Ausflug und Sommertag gewesen – – wenn – – ja, wenn die Menschen recht dazu gestimmt gewesen wären. Ich habe mich geärgert über den Kraftfahrer, einen jungen Schnösel, der rücksichtslos daraufzu fuhr [sic], von unvernünftigen Kameraden dazu noch ermuntert. Sieht nicht die Schönheiten, hat keine Ahnung von der Muße eines Sonntagsausfluges, denkt nur daran, den Vorderwagen zu überholen, zu zeigen, wie sein Wagen zieht – setzt seine Insassen skrupellos Gefahren aus – ich werde nie wieder mitfahren. Ich danke Gott, daß ich wieder heil daheim bin. Weißt, das ist nicht die rechte Gesellschaft für mich. Das sind Menschen, mit denen mich nichts verbindet. Auf dem Heimweg ist der Bursche rücksichtslos in die spazierenden Bewohner gefahren, ein andrer spielte mit dem Scheinwerfer und blendete die Menschen. Herzlieb, zu denen passe ich nicht, zu denen geselle ich mich niemals freiwillig – Herzlieb, Du!!! Ich bin so froh und dankbar, daß ich wohlbehalten wieder daheim bin! Und ich bin doch im Herzen so froh heute! Sooo lieb hat mein Herzlieb mich heute bei der Hand genommen und mich heimgeführt – ach Geliebte! Geliebte!!! Welche Gedanken könnten mich lieber bewegen, als die Du mich heute führst [sic] – Geliebte, Geliebte!!! Die lieben, lieben Wege – oh Du!!! Du!!! Du gehst sie so gern und lieb wie ich!

Oh Herzlieb! Wenn mein Auge Dich wird entdecken – mein liebes Weib ganz leibhaftig! Und dann führst Du mich heim – ja, Du führst mich – Geliebte! Geliebte! Heim! Heim!!!!! Und Du führst mich! Oh Herzlieb!! Herzlieb!!!!! Du liebst mich! Liebst mich sooo sehr!!!!! Die Wege, die mir so lieb geworden sind, seit Du mein bist!

Die Dein Mannerli schon so oft klopfenden Herzens gegangen ist – Dein Mannerli auf Freiersfüßen, als Liebhaber! Wen hatt‘ es denn so lieb? Wen wollt‘ es denn freien? – ‚[Laubes Hilde], wißt Ihr denn das noch nicht? Der [Nordhoff], der hier mal Lehrer war?‘ Oh Herzlieb! Jetzt klopft mein Herz nicht mehr bang – jetzt hüpft es nur vor Freude, vor Freude, vor Glück!!! Wohin führt mich den[n] mein Herzlieb? Das böse Mannerli? Auf die Polizeiwache? – Hat doch ein Herz gestohlen, zu D.s – Dort hat es doch so lang gewohnt. In den finsteren Keller? – Weil es doch gar nicht brav sein will. Nein, nein –  hat selber gestohlen, kann selber nicht brav sein – führt das Mannerli, das böse, fein zu sich, ins Dornröschenschloß! Und das Mannerli? Läßt es sich denn führen ins Märchenland, ins Kindermärchenland? Oh ja!!! Ja!!!!! Herzlieb! Herzlieb!!!!! du führst mich dahin, wo Du bist – wo ich immer um Dich sein muß – wo ich Dich immer sehe und spüre – oh Geliebte! Deine holde Nähe! Dein Gang! Deine Stimme! Die Wohlgestalt! Deine Nähe! Geliebte! Geliebte!! Du! Oh Du!!! Führe mich bald fein zu Dir!!! Ich will Dir heimkehren – aus der kalten, rauhen, harten Welt heim zu Dir – in die Traute und Wärme und Heimlichkeit uns[e]rer Liebe! Oh Du!!! Du!!!!! Wie gerne! Ach sooo gerne!!!

Herzlieb! Herzlieb! Wie ich es schon tat für mich, so rufst Du alle Bilder und Empfindungen und Pläne herauf. Du!!! Du!!!!! Und wenn ich dann bei Dir bin und wir umeinander sind, dann brauchen wir doch gar kein Programm – dann gibt eines das andere, so wie uns ums Herz ist. Ja? Du! Du!! Liebes, liebstes Weib! Süßes Weiberl! So streng willst mit mir sein? – Wenn ich auch so streng bin! Und nun soll ich nicht einmal widersprechen  nur ein Mündel ziehen! Ach Du, ich will doch zuerst ganz Dein lieber Bub sein – aber zum Mittagsstündchen – da muß die liebe Mutti erst noch ein bissel neben mir sitzen und das Händchen halten – sonst weint Dein Büberl! Aber wenn es dann ausgeschlafen ist, dann will ich doch gar nimmer nur Dein Büberl sein, wenn ich auch Deckelhosen anhab! Und gar putzige Höseln, die das Mannerli anhat – sieht doch aus als wäre gar kein Eingang – ist aber einer – auch ein geheimer! Du!! Du!!!!! Mein Weiberl hätte auch Höseln an? Das weiß ich doch gar nicht. Und ohne Deckel, ganz ohne Deckel? Gar kein Eingang? Auch kein geheimer? Du!!! Du!!!!! ich hab ja mein Zaubersprüchlein!!! Oh Herzlieb! Erzählen soll ich? Wo fang ich da nur an? Na, jeden Abend ein Stückchen – dann bin ich mit Dir müde – ja? Du!!! Du!!!!!

Herzlieb! Herzlieb! Es ist schon spät. Bald steht die 18 am Kalender – die Hälfte des Monats ist schon verstrichen. Gar nicht mehr viel Boten brauchst mir zu schicken – mußt Dir nun fein zurechtlegen, was Du mir alles noch sagen und auftragen willst.

Geliebte! Siehst Du meine Freude? Fühlst Du, wie glücklich ich bin? Wie gerne ich Dir heimkehre? Ach Du! Wäre es doch schon für immer! Aber nicht undankbar sein!

Herzlieb! Ich gehöre doch zu Dir! Wir sind nur noch gemeinsam ein Ganzes in allen Stücken: in unserem Planen, Denken und Fühlen und Sinnen, in unserem ganzen Leben. Gott weiß es. Gott muß es so wollen. Ihm befehlen wir unser Glück!

Er behüte Dich mir! Er führe uns gnädig zusammen. Oh Geliebte! Sollst nun endlich Dein Mannerli wiederhaben! Armes, liebes, junges Weib! Dich verlassen, Dir fernesein – das härteste Los, die schmerzlichste Entsagung – Du weißt es, wie es mich selber schmerzt, wie ich ganz anders wollte, wie ich Dich beglücken möchte und mit Dir leben – es steht nicht in meiner Macht, hier gebietet das Schicksal, und wir glauben, daß Gott es so schickt – und darum können wir stille werden darüber, weil wir glauben, daß er es gut meint mit den Menschen, die ihn lieben. Oh Geliebte! Du weißt, wie ich an Dir hänge, wie ich mich sehne nach dem Heim das Du mir bereiten willst – wie all mein Glück in Deiner holden Nähe und uns[e]rer Liebe ruht. Ich mag Dich doch gar nicht verlassen! Möchte Doch immer um Dich sein!

Herzlieb! So weit habe ich gestern abend geschrieben! Merkst Du denn, wie meine Schrift immer schlechter und flüchtiger wird? Herzlieb! Sollst nicht denken, daß ich keine Zeit für Dich habe. Ich wollte Dir doch noch soviel erzähle[n] und es war doch schon spät. Ich habe auch nicht die richtige Feder. Weißt, ich glaube, vor unserem Wiedersehen wird sie nicht mehr viel besser die Schrift – das Herz will doch mit der Feder durchgehen! Ach Herzlieb! Du wirst doch nimmermehr denken können, daß Du einmal weniger Raum in meinem Herzen einnehmen könntest. Wie wird das sein – niemals! Weißt, wenn wir beide uns noch lange schreiben müssen, dann wird meine Schrift eine richtige Geheimschrift, in die sich zu vertiefen der Schnüffler weder Zeit noch Lust verspürt. Nur mein Herzlieb versteht sie dann noch zu lesen – im Sinne des Herzens ist es ohnehin schon so.

Mein liebes, teures Weib! Sollst es ganz froh und glücklich wissen, daß Dir in der Ferne ein Herz schlägt, oh, so treu und lieb! Daß hier ein Mensch ist, dem Du alles bedeutest, den Deine Liebe im Tiefsten bewegt und anrührt, in dem sie alle Gegenliebe aufruft, der an Dir hängt wie an seinem eigenen Leben und noch mehr. Alle meine Herzfasern sind ausgestreckt nach Dir, alle nach Dir – daß sie sich mit den Deinen verschlingen, vermählen – tief und innig und fest zu unlöslichem Bunde.

Gott behüte Dich mir! Er segne unseren Bund!

Ich liebe, liebe Dich! Sooo sehr liebe ich Dich!

Dein [Roland]! Du!!!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946