Bitte warten...

[OBF-410818-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 18. August 1941

Geliebtes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde], Du!!!

Für Deinen lieben Boten vom Dienstag sei recht, recht lieb bedankt. Es ist mir so lieb zu wissen, daß Du mich in meinem Sorgen verstanden hast, daß Du mitraten hilfst in unsrem Herzensanliegen. Ich habe es nicht anders erwartet, Geliebte! So gewiß Du sein darfst, daß meine vorgetragenen Sorgen keine Ausflucht und kein Ausweichen sind, so bin ich es darüber, daß Du nicht kurzsichtig und schmollend die Erfüllung unsres Herzenswunsches übereilen willst. Er ist unser Herzenswunsch, Geliebte, auch der Meine [sic]!

Er ist die Krönung unsrer Liebe! Du weißt. Und wir beide fühlen die hohe Verantwortung! Geliebte! Wir sind beide ganz bereit, Du!! Du!!! Wir bekennen es froh und glücklich. Und das bedeutet, daß wir beide uns ganz ganz sehr von Herzen lieb haben, daß uns unsre Liebe etwas ganz Hohes ist. Mit dem Kindlein wird sie ganz sichtbar, zu ihm drängt alle Liebe letztlich, mit ihm empfängt unser Bund seinen bedeutsamen Inhalt. Herzlieb, diese Einsicht darf uns nicht beirren daran, daß unsre Liebe bisher auch von Gewicht war und Bedeutung und daß sie es weiterhin sein wird, auch wenn wir unseren Herzenswunsch zurückstellen. Oh Herzlieb! Sie ist kein leichtes Spiel, sie läßt uns nicht gleichgültig und ist uns keine alltägliche Gewohnheit. Du!!! Du!!!!! Sie ist der Inhalt unsres Lebens. Und sie war in den verflossenen Jahren ein Wachsen und Reifen und Zusammenstehen, oh, so reich, sooo reich!!! Ein Wachsen und Reifen von Stufe zu Stufe – bis zu unserem Bekenntnis zum Kindlein jetzt! Geliebte! Du weißt, wie wir diese Stufe erreichten, vor allem, wie Dein Mannerli sie erreichte.

Herzlieb, Du sagst es selbst: „Viele Türen sind dann geschlossen, die wir im Anbeginn unsres gemeinsamen Lebens selig froh und noch frei durchschreiten wollten.“ Herzlieb! Auch ich bin mir dessen voll bewußt – und trotzdem sind wir bereit – aus Liebe!!! Die Trennung hat sie nur heißer entbrennen lassen und uns unserem Herzenswunsch so nahe gebracht. Und er läßt sich nicht mehr zurückdrängen. Geliebte – ich weiß und fühle, wie Du mit der Stunde unseres Wünschens ferner rückst, so wie in den Tagen Deines Ferneseins und noch ein wenig anders, wie ich dann in Dir die Mutter sehen muß, wie Du Dich dann ein wenig zurückziehen mußt auf Deine große, schwere Aufgabe. Die Liebe findet dann neue Wege und schlägt neue Brücken und ich fühle, wie ich Dich dann mit all meiner Zärtlichkeit und Wärme umgeben muß. Und ich weiß, daß ich dann in der Fremde viel, viel Sehnsucht haben würde, diese Zärtlichkeit Dir zu zeigen – Dich zu umfangen und warm zu umhüllen mit dem Kindlein, die schwellende Frucht selber zu fühlen, oh Du!!! Du!!!!!

Oh Geliebte! Und ich weiß es beglückt, und Du bekennst es sooo lieb, daß Du mich bei mir [sic] haben willst, daß Du diese Zärtlichkeit brauchst und Dich so wie ich mich sehnen müßtest, ihrer teilhaftig zu sein. Es kann ja nicht anders sein, weil wir einander so liebhaben. O Herzlieb! Du!!! Du!!!!!

Ich weiß nicht, ob Dir der Gedanke je gekommen ist: Weil wir doch nun einmal jetzt fern voneinander sein müssen, da könntest Du dem Mannerli ein Kindlein bringen, und das Mannerli hätte gar nichts zu entbehren dabei, es könnte so die Zeit Deines Ferneseins ganz spurlos überwinden. O Du! Du!!! So ist das nicht! So fühlt die Liebe nicht! Ganz anders wünschte ich es mir. Ich möchte erleben, wie alle Liebe dann in Zärtlichkeit sich wandelt und möchte Dir tragen helfen, gar nicht bequem und untätig zur Seite stehen. Du weißt es! Aber ich sagte Dir, daß ich bereit bin, diese Wünsche zurückzustellen; wenn auch die Sehnsucht in mir sehr groß wäre dann.

Herzlieb! Du bist so lieb und einsichtig, Deinem heißen Wünschen entgegen, Dich meinen Sorgen nicht zu verschließen. Du erkennst sie an, Du führst noch andere an, an die ich nur eben erst leis bei mir denken wollte. Ich meine die Rücksichten auf Dein Elternhaus. Herzlieb, und weil Du so ehrlich und frei und der Wirklichkeit ins Auge schaust, so kann ich es sagen, ohne Dich zu kränken und Dir wehezutun [sic]: das Kindlein, das wir uns jetzt wünschen, wäre ein Notkindlein. Wir würden darüber nicht verzweifeln – und Du schaust selbst dieser Not tapfer ins Angesicht, wenn Du daran denkst, Dir schlimmstenfalls eine Wohnung zu suchen – Herzlieb! Dieses trübe Bild trostloser Verlassenheit und Einsamkeit – das könnte ich nicht mit ansehen – dahin käme es auch nicht. Ach Geliebte, um die Gedanken die ich mich jetzt mühe, sie werden viel lebendiger aufstehen, wenn wir Herz an Herz und Hand in Hand einander lieb beraten – das wollen wir!

Eines weiß ich nur jetzt schon, Herzlieb! Unsre Liebe bleibt gut und reich, auch wenn wir unseren Herzenswunsch jetzt zurückstellen. Er läßt sich nie mehr zurückdrängen – und die Stufe unsrer Bereitschaft, die wir erglommen [sic] haben, wir müssen sie halten. Du bist mein über alles geliebtes Weib! Und unser Warten nun noch, es wäre ein liebes Zunestetragen [sic] und beide gingen wir hochgemut mit der Hoffnung auf die seligste Stunde und mit dem glücklichen Bewußtsein innigsten Einverständnisses – und so, wie wir es jetzt schon taten, nur in noch stärkeren Maße trügen wir alles Widrige und Schwere dieser Tage der Trennung mit dem Gedanken an die Erfüllung unsrer Liebe, mit dem Willen durchzuhalten und zu leben für unser Kindlein!!!

Herzlieb! Es ist wenig Zeit und Muße äußerlich und innerlich, all diese Gedanken recht zu Ende zu denken. Du nimmst das Wollen für das Vollbringen und sollst nur froh erkennen, daß ich Dich sooo sehr lieb habe, sooo sehr lieb, über alles in der Welt! Äußerlich weniger Muße: zu dritt geht es doch wieder etwas lauter zu. Und innerlich: Du! Die Freude auf den Urlaub, auf unser Wiedersehen, die will mich doch ganz einnehmen! Ich soll Dich bald wiedersehen, soll bei Dir sein dürfen – – oh Du!!! Du!!!!! Du!!!!! !!! Welch große, große Freude löst das aus! Wieviel Dankbarkeit! Wieviel Glückseligkeit! Ganz helle, frohe, wunschlose Glückseligkeit auch! Herzlieb! Unsre Liebe war nie eine taube Frucht – und ist es nicht – und wird es nie sein! Wie lieb bist – Du allzeit um mich g[e]wesen – mir zum Trost, zum Licht, zur Kraft, zum Willen durchzuhalten, zum Halt! Wieviel Kraft hast Du mir täglich gespendet mit Deiner großen Liebex,

die mir Deine lieben Boten treu zutrugen, die mich in Deinem Lieben und Sehnen immer umwebte. Und wieviel Glück, Inhalt, reichster [sic], meines Lebens, Dich zu lieben, Dich in der Heimat zu wissen, ein geliebtes Wesen so fest in mein Herz zu schließen und in mir zu tragen, Heimat in aller Fremde, Vertrautsein in aller Ferne, Wärme in aller Kälte!! Geliebte! Du bist mein bester und treuester Kamerad! Dir will ich heimkehren! Dir will ich leben und schaffen! Dieser Wille ist in meiner Liebe zu Dir fest verankert! Gott segne ihn! Er behüte Dich mir! Er segne unseren Bund.

Geliebtes Herz! Ich habe auch die lieben Blumengrüße gefunden, Du! Liebes! Gutes! Herziges! Ich liebe Dich! Du!!! Der Eisenhut – er mag mich schützen auf der Fahrt zu Dir! Die Nelke, wie eine Fackel, sie mag mir leuchten auf dem Weg zu Dir! Die beiden ‚Sonnenblumen‘ aber mit ihren strahlenden Gesichtern – das können doch nur die beiden Glückskinder sein – Du und ich! Ich komme zu Dir, Geliebte!!! Weil Du mich so liebhast – und weil ich Dich sooooooooooooo liebhaben muß. Du!!!

Dein [Roland]

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946