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[OBF-410819-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 19. August 1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebte, Holde mein! Du!! Du!!!!!

Nun hat mein Herzlieb so lang warten müssen. Doch gar nicht zur Strafe, das Mannerli hat doch immer etwas bekommen. Liebes, Du! Ach Du! Weißt Du denn, wie mir wird, wenn ich daran denke, daß ein liebes Menschenkind so sehnsüchtig auf mich wartet – auf den alten, borstigen Einzelgänger und Einspänner und Hubo – ach Du!!! Du!!!!! als ob mir jemand sooooo soooooo unendlich lieb über mein Köpfchen striche oder an das Herz mich drückte – in dieser großen, weiten, kalten Welt ein Ort der Traute und Wärme und Geborgenheit – Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Und diese Seligkeit ist in mir, nicht nur weil ich Liebe empfangen darf, sondern auch spenden – Herzlieb, mein liebes, liebes Weib!

Wenn ich Dich nicht hätte – oh, oh Du! Wieviel ärmer wäre ich da! Und ärmer wieder auch deshalb, weil ich nicht lieben könnte! Jetzt, vor meinem Urlaub – Geliebte!!! Ich habe meine Eltern lieb. Und ich weiß, wie sie mich lieben. Und ich bin wieder und wieder dahin zurückgekehrt – oh, so lange sitzen wohl selten die Vöglein im Nest wie wir drei Jungen im Elternhaus, und ich am allerlängsten. Es war mir Zuflucht und Geborgenheit sooo lange. Die Eltern haben mich immer so selbstverständlich lieb aufgenommen, sie haben mich im Stillen verstanden auch mit meiner Einsilbigkeit, Geliebte!, diese Einsilbigkeit und stille Betrübnis aus unerfüllter Sehnsucht! Du hast sie hinweggenommen, Einsilbigkeit und Betrübnis – erfüllt ist alle Sehnsucht – in meinen Armen, die ins Leere griffen, halte ich mein Glück, Dich, mein geliebtes Weib! Und nun ist es soooviel reicher und sonniger, dieses Leben! Du bist all mein Reichtum! Meine Sonne! Nun ist es soooviel lebenswerter dieses Leben, nun hat es Richtung und Ziel mit Dir!!! mit Dir!!!!!

Oh Geliebte! Ich habe Dir all das schon oft bekannt. Der Platz an meiner Seite, der Thron in meinem Herzen, sie stehen nicht mehr leer! Du sollst ganz glücklich wissen, daß unsre Liebe Dein Mannerli im tiefsten bewegt, daß sie in sein Leben tief eingreift, daß sie ganz drin in meinem Wesen und Herzen fest verankert ist, daß sie mich erlöst hat und befreit – daß sie die Erfüllung einer langen, tiefen Sehnsucht ist.

Oh Herzlieb! Nun bist Du in meinem ganzen Sein und Wesen, zutiefst im Herzen drin – mein Herz und Herzblut selber!

Es ist mir ja selbst nicht recht bewußt gewesen, was mir so fehlte, ich habe ja nicht ahnen können, daß gute Liebe sooo reich machen kann! Eine ganz andre Liebe ist es noch, als die Elternliebe, die so mächtig uns beherrschen kann – Nun [sic] ist sie zwischen uns! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich – und Du liebst mich!!! Wie wundersam ist das! Du!!! Du!!!!!

Bei wem ich zuerst einkehre, wenn ich nun heimkehren darf? Zu wem es mich zieht mit tausend starken Armen – zu wem es mich drängt mit allem Ungestüm und Eigensinn? Wem ich soooviel Freude bringen möchte, soviel Glück und alle Liebe? Herzlieb! Geliebte!!!!! !!!!! !!! Es ist so wundersam, so wundersam! Ich will zu Dir kommen! – Und Du willst mich aufnehmen! Herzlieb!!! Ach Herzlieb! Du verbreitest um Dich her auch anderen Liebe und Sonne – aber ich bin Dein [Roland] und Dein Mannerli! und Dein Herzensschatz – die Liebe zwischen uns, sie ist Gottes Geschenk, Gottes Geheiß, so glauben wir!

Du denkst so lieb an Siegfried. Ich habe ihm eines von den Bildern zu unserem Hochzeitstag geschickt als einzigem. Er steht allein. Ob die Bischofswerdaer Freundin noch zu ihm hält? Wenn sie ihm jetzt so lieb und treu und kraftspendend beistünde wie wir einander es tun, dann könnte sie sich wohl den Herzensplatz erobern und verdienen.

Wir empfinden es täglich dankbar, wie gut es uns hier geht. Wir führen ein geordnetes Leben, in dem wir kaum eine der Segnungen menschlicher Kultur entbehren. Schon viele Kameraden hier in Griechenland sind schlechter daran – liegen in malariagefährdetem Gebiet. Ein paar Kilometer von der Stadt entfernt beginnen ja schon Öde und Unkultur. In Rußland aber sind neben Strapazen und Entbehrungen noch harte Kämpfe zu bestehen. Dieses grausig-weite Land ist wie ein Moloch – diese endlosen Weiten machen den Menschen stumpf, sie haben etwas von verzweifelter Ausweglosigkeit. Beinahe mehr noch als mit den vorwärts dringenden Kämpfern fühle ich mit denen, die dieses Land dann besetzt halten müssen.

Mein Herzensschätzelein! Gestern kam ein Chemnitzer Urlauber zurück. Von ihm habe ich mir ganz genau erzählen lassen, wie es zugeht. Am zweiten Tage also gegen Mittag ist der Zug in Wien. Bis Wien befindet sich im Zuge ein Verpflegungswagen, der den Soldaten unentgeltlich Kaffee und Suppe verabreicht. In Wien muß ich mit der Straßenbahn vom Südbahnhof zum Franz-Josephs-Bahnhof fahren. Auf diesem Bahnhof laufen alle Züge in Richtung Dresden und München aus. G., so heißt der Chemnitzer Kamerad, hat auch ein Telegramm aufgegeben – hat bis nach Hause nur eine Stunde gebraucht. Er ist dann über Dresden gefahren und war morgens gegen 10 Uhr in Chemnitz. Und Dein Mannerli will ja versuchen, über Hof zu kommen und schon gegen 8 Uhr in Chemnitz zu sein. Sind schon 2 Stunden früher, zwei Stunden länger bei meinem Herzensschätzelein – die kann mir niemand mit Golde aufwiegen – Du!!! Du!!!!! Seit zwei Tagen fährt ab S. ein zweiter Urlauberzug, Abfahrt 14,30 Uhr. Müssen uns mal umtun, ob wir mit dem viel vorteilhafter fahren. Kann es geschehen, daß Dein Mannerli Dich doch wieder aus dem Bettlein holt – ich darf es ja – und mir kannst [Du] auch im Hemdlein aufschließen. Das Engelein darunter, es gehört doch mir, ist ganz mein Eigenoh Geliebte! Geliebte!!! Ob das Mannerli Dir helfen wird brav [zu] sein? Ich richte mich nach Dir – und bin so brav wie Du – und Du richtest Dich nach mir – und die Richtung, die bestimmen unsre Herzelein, Geliebte! Du!!!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Heute habe ich doch schon Deinen Boten von Donnerstag bekommen, in dem Du mir froh sagst, daß Du nun wieder von mir weißt. Mußt nun gerade wieder am bösesten Tage Dich schleppen und buckeln – Herzlieb, wenn ich bei Dir wäre, ich hätte es Dir verboten – Du bist leichtsinnig manchmal. Geliebte! Und eines muß ich Dir nun scharf machen: Niemandem versprichst Du einen Besuch mehr, sonst ist mein Urlaub ein einziger großer Besuch – muß ich immer wieder von vorn erzählen und g kann gar nicht einmal alles vergessen – das will ich doch, ganz daheim möchte ich mich fühlen. Besuche bleiben ohnehin nicht aus, Du weiß[t:] Die Großmütter, D.s, G.s. Herr G. schrieb mir eine liebe Karte. Herzlieb, das sind schon 6 Besuche! Ach Du! Am allerliebsten schlösse ich mich doch ein, oder flüchtete mit Dir auf eine einsame Insel! Ich mein es nicht bös, Herzlieb! Und Du verstehst mich doch. Wir wollen über unsre Zeit ganz frei schalten und walten, ich lasse mir auch nicht durch einen Besuch etwas anderes stören – darin bist Du doch mit mir am allereinigsten! Ganz für mich will ich Dich haben! Freust Du Dich darum? Ganz für uns wollen wir sein! Ganz daheim will sich Dein Mannerli fühlen – daheim, daheim – oh Herzlieb! Du!! Du!!! Geliebte!!!!! Wie ich mich danach sehne – wie ich darauf mich freue – Wie [sic] ich Dich liebe!!! Dich! Meine Heimat! Herzensschatz!!!!! Gott behüte Dich mir! Ich komme zu Dir! zu Dir!! Bald, bald!!!

In ewiger Liebe und Treue ganz Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946