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[OBF-410820-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 20. August 1941

Mein liebes, teures Herz! Holde, Geliebte mein!

Wirst denn glücklich wieder heimsein [sic] von der Hamsterfahrt? Morgen werde ich es wissen. Acht Tage sind wir ja im Kalender immer zurück im Wissen voneinander. Und dieser Bote wird schon keine Antwort mehr finden – Du! Du!!! Höchstens mündliche! Oh Herzlieb!!! Auf mündliche Antwort freue ich mich doch soooooo sehr! Darauf bin ich doch ganz begierig!!! Bist Du es auch? Weißt, ich bin es mehr – auf die Antworten von Deinem zucker-zuckersüßen Herzmünchen! Oh Geliebte!!! Bald wird es mir wieder ganz, ganz nahe sein! Vor Deinen großen Beißern darin fürchte ich mich nicht. Weißt noch, wie wir das Küssen lernten? Du! Ich wußt’ erst gar nichts damit anzufangen – Du!! Du!!! Jetzt weiß ich es! Jetzt weiß ich es!!!!! Nur die Herzlein sollen dann noch sprechen – und die Äuglein – Du!!! Ist’s denn eigentlich auch richtig so, wie wir küssen? – Ich glaube doch, weil es so süß ist! Nun muß ich aber auch gescheit fragen, daß ich auch so zuckersüße Antworten bekomme! Ach – die Antworten von meinem Weiberl sind alle süß – auch die Klapse.

Du! Warm ist es wieder bei uns seit 4 Tagen. Wollt’ schon mal mein Weiberl schwitzen sehen hier! Du! Ich wünsche es Dir nicht! Würdest Dich schon auch recht zu wehren wissen, ja? Und wie es sich wehrt – das wollt ich schon gern mal sehen – bloß von weitem, von ganz weitem – Du!!! Lang könnte ich es nicht sehen – dann müßte ich kommen und seligfroh umfassen, was mein ist, so ganz, ganz mein, Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Ein paar recht recht schöne Tage wollen wir uns nur wünschen. Der September bringt ihrer oft viele. Auch schon [ein] paar Tage mit Altweibersommer. Herzlieb! Wie sehr ich mich freue, mit Dir unsre lieben Wege zu gehen – und mit Dir heimzukehren – oh, ganz, ganz heimatlich wird mir dann sein! Unsre lieben Elternhäuser werden uns wieder aufnehmen. Wie es ist, wenn sich erst die Tür des eigenen Heimes hinter uns schließt – wir wissen es noch nicht – wir ahnen es aber – es wird noch schöner, noch heimlicher sein! Und unser Heim, das wird uns der liebste Ort sein auf der Welt – dazu werden wir beide helfen, Du zu allermeist, Geliebte!!!

Ach weißt, zu unserem Bummeln wird doch die blaue Uniform viel unpassender sein als die graue. Überall wird man angeglotzt und begafft. Ich werd sie eben manchmal gar nicht erst anziehen! Ich schrieb Dir wohl schon, daß es verboten ist, auf Urlaub weiß zu tragen. Bluse und Mützenbezug bring ich aber trotzdem mit und trage sie auch einmal, in eurer „Garnison“ wird das wohl nicht gleich alarmierend wirken, höchstens in der B.kaserne [wohl: andere Mietpartei im Haus]. Da machen wir eben ganz schnell dran vorbei – ein paar Stufen höher ist das Dornröschenschloss – unser Schloss – ganz allein unser – [das] können wir zuschließen, und den Riegel vorschieben – und wer auch schon hereinkommt, er weiß nicht und ahnt es kaum, welch märchenhaftes Glück darin sich verbirgt – – – – und das Sprüchlein, das Sprüchlein, das weiß doch nur einer, Herzlieb!: „Herzlieb mein laß mich herein!“ Und dann tun sie sich lieb auseinander, die Wächter vor der Pforte, die wehrhaften Dornen – – und dann brauchen wir nur noch ein Schlüsslein. Woher wir das nehmen? Du!!!!! Eines passt nur in der ganzen Welt, ja? Du!!!!! !!!!! !!! Und ein Gärtlein wird es ja nur aufschließen – Du!!! Und dann – – – Herzlieb, Herzlieb!!!!!

Weißt – ich bin heute Nachmittag ganz allein in der Schreibstube. Der ‚Spießʼ und D. haben ihren freien Nachmittag. Hab ich gleich mein Urlaubsgesuch geschrieben – und hab mich doch ganz sehr gefreut dabei – und für meinen Herzensschatz mit! Sind doch zwei, die auf meinen Urlaub warten, Du!!! Oh sooo sooooo sehnsüchtig! Gehen alle beide auf einen Urlaubsschein, ich und mein liebster Kamerad! Sind doch auch ganz unzertrennlich im Urlaub – und immer sonst – die beiden Kameraden. Sind ein Herz und Sinn, sind ganz Eines. Brauchen nur einen Urlaubsschein und ein Kämmerlein und ein Tellerlein und ein Bettellein – sind ganz, ganz unzertrennlich, Du!!!!! Und mein liebster Kamerad im Urlaub, der hat doch gar keine Uniform, ist mein Feinslieb [sic], mein Herzlieb, mein geliebtes Weib! Hat viel, viel schöne Kleidel, über die sich das Mannerli sooo sehr freut. Ach Herzlieb! Ich werd doch ganz schnell zuhause sein wieder bei Dir! Weil Du mir sooo lieb immer die Hand gereicht hast, weil Du mir sooo nahe warst allezeit! Und Dein Mannerli – ist ganz das alte noch, Du!!! Ist gar kein Soldat, kein rauer Kriegsmann mit Fluchen und Schimpfen – hat ganz treu und rein Dein Bild bewahrt, bewahrt in seinem Herzen – wer vermöchte es je auszuwischen? – ist voll Sehnen nach uns[e]rer schönen Liebe, nach Zärtlichkeit, nach allem tiefen, feinen Empfinden. Magst Dein Mannerli so empfangen? – hat freilich auch keine Orden und Litzen –  Du!!!!! Herzlieb! Weil ich weiß, daß Du von meiner Art bist, darum bin ich gar nicht bange vor Deiner Antwort; Du!!! Du!!!!! Jeder Mensch hat seine Gaben und Kräfte und Grenzen und darnach muß jeder seine Rolle spielen. Glücklich, wer die seinen Kräften entsprechenden Aufgaben findet. Glücklich der, den das Schicksal nach seinen Kräften bedenkt. Weißt, ich  denke doch überhaupt nicht daran, mit meiner Uniform etwas vorzustellen – ich denke nur daran, bei Dir zu sein. Soldat ist Dein Mannerli, weil Krieg ist. Tut seine Pflicht. Und wenn es lange dabeibleiben müßte, würde es bald auch steigen, weil es seine Pflicht recht tut! Aber tausendmal lieber wünschte ich mir, Dir recht bald heimzukehren!!!!!

Herzlieb, schrieb ich Dir schon von meinem jüngsten Kauf? Einen Wintermantelstoff habe ich erstanden, ein dicker, wollender Ulster, blau mit Fischgrätmuster. Ob Du den wohl magst? Ich kann mir denken, daß er sportlich gearbeitet, Dich ganz gut kleidet – wärmen wird er Dich gewiß. Das ist nun freilich ein teures Stück – und Mutters Wunsch nach einem blauen Kleid ist doch darin fast ganz mit aufgegangen und der Deine nach einem blauen Rock. Wollen mal sehen, was das Mannerli noch im Portemonnaie hat. Weißt, Strümpeln [Strümpfe], dazu langt es jetzt aber beim besten Willen nicht, da gibt es bestimmt noch welche nach meinem Urlaub – kriegst dann gleich fünf Paar – ja? Du! Oder ich darf keinen Samos mitbringen und keine Rosinken [sic]. Nein. Weil ich doch diesmal nun zu der Eltern Geburtstag komme, möchte ich ja auch nicht mit ganz leeren Händen erscheinen. Für Vater habe ich an Oberhemden gedacht, für Mutter an eine seidende Bluse. Aber dann ist der Mannerli ganz am Ende seiner Kraft, seiner Finanzkraft! Mal sehen, wohin sie denn verschwunden ist – mal sehen, Du!!! Mittenwoch [sic] ist gleich vorbei – und in 14 Tagen (gar nicht mehr in Wochen), so Gott will, bin ich schon bei Dir! Und bei euch Lieben allen! Und mein Herzlieb darf gar nicht aufs Örtchen verschwinden, wenn ich die liebe Mutsch drücke, unseren getreuen Eckhart – stellt sich gleich mit in den Kreis, und da drück ich Euch alle beide – und dann sag ich zur Mutsch: jetzt mußt uns aber ein Viertelstündchen ganz allein lassen, jetzt müssen wir einander erstmal Guten Tag sagen. Oh Herzlieb! Du!! Du!!!!! Geliebte!!!!! Behüte Dich Gott! Er schenke unseren Herzenswunsch Erfüllung! Bleibe froh und gesund!

Du wartest mein – und ich will bald bald bald kommen, Geliebte!!! Du!!! Du!!!!! Ich liebe Dich sooo sehr!!!!! !!!!! !!! Ich bleibe in Liebe und Treue ewig

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946