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[OBF-410827-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 27. Aug. 1941

Mein liebes, teures Weib! Herzensschätzelein! Holde mein!!

Nun ist es so weit, daß ich Dir meinen letzten Boten schicken soll, bevor ich selber komme, bevor wir uns wiedersehen. Oh Geliebte! So dicht vor unsrer großen Freude, so kurz vor meiner Heimkehr zu Dir, zu Dir, laß uns die Zeit unsrer Trennung bedenken, damit wir uns auch ganz tief und dankbar freuen. Gott war mit uns bis zu dieser Stunde. Er hat mich Dich dir mir behütet, Dich froh und gesund erhalten samt allen Lieben daheim – so wie ich ihn gebeten habe darum jeden Abend. Er hat uns bewahrt bis auf diese Stunde vor den harten Schlägen dieses furchtbaren Kriegsgewitters. Wir durften zu ihm kommen mit all unseren Sorgen und Bitten. Das ist wohl die größte Gnade, daß wir den Weg zu Gott wissen.

Und, Geliebte, er hat mich behütet bis auf diese Stunde, so wie Du [u]nd alle Lieben daheim es gebetet habt. Oh, sie beten alle füreinander – und Du, Geliebte, betest für mich, Du betest für mich!!! Er hat mich behütet, Geliebte, einmal ganz sichtbar behütet, ich werde es Dir erzählen.

Ganz dankbar wollen wir aufschauen zu ihm: „Herrgott im Himmel! Wir lassen Dich nicht, Du segnest uns denn!" 

Ihm haben wir unser Leben befohlen und das andere, das nun mit diesem Leben unlöslich verbunden ist: unsre Liebe! Gott war uns gnädig. Unsre heiße, eigensinnige, unbändige Liebe – oh Geliebte! Gott sei uns gnädig und geduldig darum! Er erhalte uns demütig in unserem Glücke. Wenn wir Gottes Gnade nicht hätten, wir faßten und hielten es nicht, unser reiches Glück. Geliebte! Geliebte!!! Wie reich, wie reich hat sie uns geblüht, unsre Liebe!!!!! Über alle Ferne waren wir uns näher denn je. Wieviel heißes Sehnen, wieviel inniges Verstehen und Raten, wie festen Halt, wieviel Herzenswärme und Herzensfreude und Herzenskraft hat sie uns geschenkt. Und nun ist sie größer und herrlicher denn je, nun drängt alles zu ihrer Krönung, zu letztem Einssein!!! Nun will sie uns schier verbrennen, nun müssen wir fast ertrinken in ihrem Meere, nun will sie all verströmen reicher denn je [!!] Und wir beten zu Gott: wenn wir im tiefsten Glücke sind, wenn wir uns ganz aneinander verlieren in brünstiger Liebe, wenn wir einander umschlingen und alles um uns versinkt vor Liebesseligkeit – er möge bei uns wachen, er möge es gnädig mit uns fügen, er möge unsre Liebe segnen, daß sie gute Frucht bringt! Oh Geliebte! Sie beseelt uns so ganz – sie erfüllt uns so ganz - sie ist uns so unschätzbar und kostbar. Ich kann nichts Lieberes denken, nichts Köstlicheres, ich weiß nichts Schöneres, ich weiß nichts, das alle Herzenskraft u[n]d Herzenswärme auf sich zöge.

Oh Herzlieb! Deine Liebe und meine Liebe, sie sind nun ganz eins, sie haben so innig sich vermählt zu einem hohen, reinen, seltenen Klang, und wir kennen sie doch gar nimmer auseinander, die Töne, die diesen Klang bilden. Und wenn wir werden immer umeinander sein dürfen, dann wird nur noch ein einziges Klingen sein, und ein frohes Schaffen und Leben Seit an Seite. Oh wie sehnen wir es beide herbei, dieses Leben, diese tätige Liebe, die allzeit gegenwärtig ist!

Aber nun trennt uns noch die Reise. Und unsre Boten müssen hin und wieder gehen – wir müssen einander rufen, einmal Du,  einmal ich – müssen aufeinander lauschen, warten. Ach Geliebte!!! Und nur so noch will es uns immer wieder drängen, Dank zu sagen. Lieben ist doch ein immerwährendes Schenken zwischen mir und Dir, und alles Danken liegt darin beschlossen.

Aber nun, über die Ferne, drängt es uns, zu danken. Oh Geliebte, Geliebte!!! Das heißeste Sehnen, das sehnlichste Verlangen, der tiefste Liebesschmerz, sie sind darum, daß wir einander nicht beschenken, beglücken können – daß unsre Liebe in Worten und Zeichen sich kundtun muß. Herzlieb! Herzlieb!!! Wir haben einander so unendlich und ausschließlich lieb – und so heiß und jung, eigensinnig ist sie noch, unsre Liebe – und sie möchte sich doch täglich, stündlich, immer, immer kundtun – armes, liebes Weib! Du mit Deiner unendlichen, [u]nsäglichen Liebe, wieviel Schmerzen hast Du erdulden müssen!, wie hast Du Dich fassen müssen in Geduld! wieviel Tränen hast Du vergießen müssen darum! Um unsre Liebe – um meinetwillen!

Oh Herzlieb! Ich danke Dir für Dein liebes, treues Ausharren! Ich weiß, Du konntest nicht anders – aus Liebe. Und Du weißt es! All unser Glück hängt daran, unser Leben! Ich habe Dich immer ganz nah bei mir gefühlt – oh Herzlieb, mit Deinem Sorgen und Beten, mit Deinem Glück und Deiner Freude – und mit Deinen liebsten, heimlichen Gedanken – oh Herzlieb! Und mit Deinem heißen Lieben und Sehnen. Du!!! Du!!!!!!!!!!!!! Ganz fest hast Du mich so gehalten, mein treuester, liebster Kamerad – und in meinem Herzen ist allzeit Dein Bild gestanden, mittendrin im Herzen, dort, wo es am heißesten schlägt, wo alles Herzblut zusammenströmt.

Oh Geliebte! Und so trug ich es immer bei mir in der Kälte und Öde der Fremde, bei meinem Wundern und Staunen, meinem Sorgen und Bangen, meinem Frohsein – Dein Bild, das Bild der Heimat, der Heimat, die Du mir bewahrst und bereitest so lieb und reich und innig, wie kein anderes Menschenkind es könnte, das Bild der Heimat mit ihrer Geborgenheit, ihrer Traute und Heimlichkeit, ihrer Wärme und Herzinnigkeit. Kein lieberer Gedanke, kein sehnlicheres Verlangen, kein schönerer Traum als Dir heimzukehren, Geliebte! Geliebte!!! Und wie ein Traum will es mir noch dünken, daß er sich nun erfüllen,[sic] soll, dieser heißeste, sehnlichste Wunsch, Dir heimzukehren! Keinen Augenblick könnte ich die Heimat vergessen - kein Gedanke, kein Gang ohne Dich - keinen Herzschlag die Brücke zur Heimat vergessen. Geliebte! Ich sage es, um ganz glücklich darüber zu sein, daß ich sooooooooooooo Dich lieben kann – ach Du!!! Du!!!!! Du!!!!!!!!!!!!!

Ich kann nur Dich lieben, nur Dich! Meine scheue, eigensinnige Liebe findet nur zu Dir! Weil Du mir so verwandt bist, weil Du mich ganz verstehst, weil Deine Liebe so tief und innig ist, weil wir uns verstehen aus dem Grunde unsrer Wesen, weil unsichtbar, wie die Grundwasser der Erde, ein Strom dunkler, tiefer, mächtiger Liebe unsre Wesen bindet – unlöslich, unzertrennlich, mit Urgewalt. Oh Geliebte! Geliebte!!! Du entdecktest diese Ader. - Du hast mich erkannt in meinem Wesen. Und fühltest Dich so gewaltsam hingezogen. Oh Herzlieb! Nun spüre auch ich die Urgewalt – Du mein einziges, allereinzigstes Weib! Ich liebe, liebe Dich!!!!!!!!!!!!!

Ich kann Dich nimmermehr lassen! Mein Leben hängt an unsrer, an Deiner Liebe! Wenn sie erstürbe, muß auch ich sterben. Nichts brauche ich von dieser Welt, nichts gilt mir unersetzlich, unschätzbar – aber Deine Liebe, oh Du!!! Ohne sie kann ich nicht mehr sein! Sie ist meine ganze Freude, mein ganzes Glück, Inhalt meines Lebens, meines Sinnens und Trachtens, uUnsre Liebe! Deine Liebe! Wenn sie mir nur bleibt, wenn Du mir nur bleibst, dann bin ich froh, dann habe ich Mut zum Leben.

Und meine Liebe, Du!!!, sie ist so scheu und eigensinnig, ach Geliebte! So ernst auch und entschieden und ganz. Ich will Dich so ganz einnehmen! So überschwänglich und mächtig ist dieser Wille! Ach[,] meine Liebe braucht so tiefe Geborgenheit, sie will so tief sich zu Dir neigen, sie will so tief in Dich dringen, sie will um Dich sein so zart und heimlich wie ein Märchen – mein Eigen, mein Ureigen sollst Du sein – ganz nah möchte ich Dir sein! So ist meine Liebe! Du kennst sie! Dir hat sie sich erschlossen, ergeben, Dir hat sich mein Herz geöffnet – nun strömt sie zu Dir – und nun nehme ich Deine Liebe auf in meinem Herzen. Bei Dir finde ich reichste Erfüllung – bei Dir ist all mein Glück!!!

Geliebte! Geliebte!!! Gleich ist es so weit!! Segne Gott unser Wünschen und Wollen! Nun muß ich all meine Gedanken zusammennehmen: die Vorbereitungen für die Reise, die Übergabe im Dienst. Urlaubsschein und Fahrschein sind fertig, eine Platzkarte habe ich. Morgen will i[ch] mein Reisegeld holen – es ist ein schönes Stück Geld – aber es ist schon alles gerechnet. Die Geschäfte muss ich nun abschließen. Die beiden Koffer werden gar nicht alles fassen. Ich habe schon probegepackt. Ich brauche nicht zu laufen nach dem Bahnhof, ich werde im Auto hingebracht. 3 mal werde ich nur umsteigen müssen – das geht an, ich bin schon viel schwieriger gereist – und nun beflügelt und beseelt mich doch nur der eine Gedanke: Zu Dir, zu Dir!!!!! Ach Herzlieb! Hätte ich Flügel, ich wäre ja soooooooooooooo schnell bei Dir! Nun wird die Ungeduld mich noch ein wenig plagen und ermüden. Aber mürbemachen lasse ich mich nicht – und bei Dir werde ich doch ganz munter sein!

Nun behüte Dich Gott!

Oh Geliebte! Nimm diesen Glücksboten gütig auf! Ich liebe Dich!! Ich liebe Dich sooooooooooooo sehr! Ich komme zu Dir! Ich werde bald bei Dir sein! Bald, bald!!! Ich komme! Ich komme!!! Ich bleibe bei Dir !!!!!!!!!!!!! Oh Du!!! Du!!!!! Geliebte! Geliebte!!!!!

Ich liebe Dich in Zeit und Ewigkeit!

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946