Donnerstag, den 2. Okt. 1941
Mein liebes teures Herz! Geliebtes Weib!
Nun ist wieder Abend, Feierabend auch. Ein schöner Tag mit wolkenlosem Himmel geht zu Ende. Aber vom H [sic] Meere her ging eine kühle Luft und nach Sonnenuntergang wird es sehr kühl. Den ganzen Nachmittag haben wir der Sonne unsre Balkontür geöffnet, aber nun habe ich sie schleunigst geschlossen. So haben wir uns für den Abend schöne Wärme eingefangen. Scharf und dunkel trat das Gebirge hervor heute abend mit dem Olymp. Er trägt schon eine Schneehaube. Wir fürchten den Winter nicht. Alle Scheiben sind eingezogen. Ein niedliches Öfchen mit langem Rohr harrt der Benutzung. In der Schreibstube nebenan steht ein größerer, leistungsfähiger, von dessen Wärme auch wir ein wenig profitieren werden.
Unsre Bude ist also wieder entwanzt worden. Die Koje des Kameraden H. war am schlimmsten befallen. Mal sehen, ob ein Pärchen das Gericht überstanden hat, dann gibts wieder Junge. Wir werden unsre Bude so wohnlich wie nur möglich gestalten. Nächstens bekommen wir noch eine bessere Beleuchtung. Dann können wir desto besser Feierabend halten – und dabei ist mein Herzlieb doch die Hauptsache.
In der Schreibstube ist augenblicklich viel Arbeit. Mancherlei ist aufzuräumen und nachzuräumen, Beförderungen aufzuarbeiten. Die meiste Arbeit aber verursachen ein paar Straftaten. Zwischendrein heirat[et] auch noch einer – [,] mit all dem muß sich Dein Mannerli jetzt herumschlagen. Mein Hauptaugenmerk richte ich jetzt darauf, unsre Arbeit zu ordnen, zu rationalisieren und damit zu erleichtern und zu vereinfachen. Ich muß dazu noch mehr Mappen anlegen, noch mehr fächern [sic], damit alles griffbereit liegt. Also, der Wirklichkeit gerade ins Auge geschaut – wie mein tapferes Weib zu Hause.
Geliebte! Ich habe mich ja so sehr gefreut über Deine beiden Boten vom Freitag und Sonnabend. Gefreut, Herzliebes – all Dein großes, heißes Lieben schlägt mir aus Deinen Worten entgegen – wie so glückhaft, oh Geliebte!!!!! Und ich habe es habe es erfahren, oh Herzensschatz, Du, so tief und reich! Ich bin so froh und glücklich unsrer Liebe – ich trage sie mit mir als mein starkes Bewußtsein tiefster, heimlichster Geborgenheit, köstlichen Besitzes. Ich bin seiner ganz gewiß. Geliebte! Du trägst mich in Deinem Herzen! Du verstehst mich so ganz! Oh Gelieb[te!] Ich hätte fest jubeln mögen darum, daß Du mir Dein liebstes Geschenk bewahrtest! Du!!! Du!!!!! Und Du liebst mich aus tiefstem Herzen, ein Strom von Liebe verbindet uns insgeheim!
Oh Herzlieb! Wie reich beschenkt durfte ich von Dir scheiden! Wie habe ich unsre Liebe so reich erfahren! Und glücklich bin ich darum – oh ja, daran hängt mein ganzes Glück – daß Du so wie ich fühltest und erlebtest, daß Du so glücklich bist.
Erhalte uns Gott unsre Liebe!
Du! Wieviel Kraft, wieviel Wille und Durchhalten, wieviel zukunftsfrohes Hoffen geht nun von dieser Liebe aus!
Ich danke Dir für alle Einzelheiten, die Du mir berichtest. Wie lieb und wichtig ist mir all das geworden, das mit Dir lebt und Dich umgibt! Mit jedem Male wird es mir lieber. Fühlst Du es glücklich mit mir, wie wir auch bei Euch immer mehr eine Familie werden? Wie auch Vater dabei lebendiger wird? Ach! Ich wäre doch so gerne wieder mit Euch über Land gegangen. Du hast mich doch mitgenommen, Herzliebes! Hat denn Mutsch das Tagebuch noch einmal durchgelesen? So wie Dich drängte es auch mich, den K.er Eltern von dem bunten Erleben zu berichten der letzten Urlaubstage. Wie doch die harte Zeit uns all der Bande zu unseren Lieben so froh bewußt werden läßt!
Morgen, Freitag, nehme ich zusammen mit Kamerad K. den freien Nachmittag. Bei schönem Wetter wollen wir gleich nach dem Essen ein Stück ausfliegen, am Abend vielleicht einen Film besuchen. Ich habe Lust, mir einen französischen anzusehen, der jetzt hier läuft unter dem Titel „Gewitterturm“, soll wahrscheinlich heißen der Gewittersturm. Den griechischen Übersetzern unterlaufen des öfteren solche Verwechslungen. Das Baden haben wir auf Sonnabend verschoben. Über Sonntag wirst Du also allein haushalten müssen. Na, mit dem Pappsch wirst Du leichter fertig als mit mir, ja? Herzliebes! Ich will doch immer mal kosten und naschen, und sei es nur ein liebs [sic] Kussel. Hättest wohl auch Appetit darauf wie Dein Mannerli? Nein, jetzt müssen wir uns erst fein gedulden und bis Weihnachten, denke ich, wird das gar nicht so schwer fallen. Und mit Dir kann ich mich doch auch ganz lange gedulden, solange, bis uns Gott für immer zusammenführt.
In meinen Monatsheften habe ich die Bücheranpreisungen mitgenommen, und da möchte ich doch gleich ein paar Bücherwünsche vorbringen, darf ich denn das, Du liebes gutes Weihnachtsmannherzensschäzelein [sic]? Man kann doch gar nicht zeitig genug an die Weihnachtseinkäufe denken. Also Nr. 1 für mich, Dein Hubomannerli: Ich wünsche mir
1) Werner Bergengruen „ Am Himmel wie auf Erden“, Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 7,50 M
2) August Winnig „Wunderbare Welt“ in demselben Verlag 5,80 M
3) Hans J. Moser „ Kleines Heinrich–Schütz-Buch“ 1,20 M
4) Robert Schumann „ Musikalisches Denk- u. Dichtbüchlein“ 1,20 M, beide im Bärenreiter-Verlag Kassel
So, jetzt habe ich auch noch dem lieben Weihnachtsmann die Preise vorgeschrieben und damit eine böse Selbsteinschätzung begangen. Bin ich denn auch soviel wert?
Für Elfriede, richtiger „Hellmuths“ habe ich gedacht an
Werner Bergengruen „ Der Starost“ Hanseatische Verlagsanst. 4,80 M [,]
für Dich – – halt, das darf ich doch nicht in diesen Brief schreiben, Du! Ach Herzlieb! Ich möchte Dich doch wieder und wieder so reich beschenken. Alles, was ich liebe, das kann ich Dir schenken in dem Glücklichen Bewußtsein, daß Du es ebenso liebst und liebgewinnen wirst.
Für heute genug, Herzallerliebste!
Ich bin immer bei Dir – und Du bist immer mit mir, ganz nahe, in meinem Herzen.
Ich liebe, liebe Dich sooo sehr und bleibe immerdar
Dein [Roland].
Am Sonntag werde ich dazu kommen, den lieben Eltern zu schreiben. Grüße sie bitte recht herzlich!
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946