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[OBF-411013-001-01]
Briefkorpus

Montag, den 13. Okt. 1941

Herzlieb! Du, meine liebe, liebste [Hilde]! Holde mein!

Hu kalt ist's heute bei uns. Über Nacht ist es anders geworden. Regen und Sturm haben sich aufgemacht. Ich ging spät zu Bett gestern. Der Sturm heulte um und durch unser Haus. Etliche Fensterscheiben sind noch lose bei uns. Und dort fuhr er hinein und trieb sein Unwesen die ganze Nacht mit Türen- und Fensterschlagen. Ich habe schlecht geschlafen deshalb. Der kalte Wind hat heute den ganzen Tag geblasen und die See gepflügt. Noch sind unsre Kohlen nicht da. Aber wir haben es uns mit Holz angenehmen warm gemacht[,] der kleine Ofen zieht gut, dem werden wir noch manches paar Grade entlocken. Aber nun haben wir ein wenig umgruppieren müssen. Mein Bettlein muß jetzt in die Fensterecke, der Schrank dorthin, wo mein Bett stand.

Da muß ich eben an das Öfchen denken, das wir miteinander aussuchten - ist es schon in eurem Besitz?

Uns willst ein bissel helfen, Geliebte? Du sprichst davon in Deinem lieben Boten vom Mittwoch, der mich heute schon erreichte. Du meinst es so lieb! Weißt, Herzlieb, ganz fein soll es gar nicht werden, damit sie nicht träge werden, die Gedanken nach Hause. Die Unrast der Fremde soll ganz leise noch durch unser Zimmer gehen, oh ja! Du!!!

Und zu Weihnachten? Christbäume sind schon bestellt worden, denk nur an! Also, man vergißt nur nicht.

Will ich auch gleich die andre Sorge zerstreuen. Schrieb ich nicht gestern davon, daß das Bäuchlein zu dick werden will? Herzlieb! Wir haben reichlich und genug zu essen. Und die Griechen? Ich weiß eben nur, daß sie das Brot einteilen müssen. Wir haben lange nicht mehr zu essen verlangt in der Stadt, sodaß ich davon gar nicht sprechen kann. Man hört erzählen, daß es im Vergleich zu den übrigen Ländern in Serbien von allem noch reichlich gebe. Herzlieb! Du weißt uns Gerüchte machen, und Du darfst darüber ganz beruhigt sein, daß ich Dich die Wahrheit über unser Ergehen nicht erst über den "Reichsadler" in Niederfrohna finden lasse! Für uns Soldaten wird gut gesorgt und ein bißchen weiter hält man unseren Leibriemen allemal als den Eueren [sic] daheim. Und bevor Deinem Mannerli der Magen ernstlich knurrt, da hat die Hälfte der Armee schon gemeutert, denn mein Magen und Mensch ist ausgefüttert, der meisten anderen jedoch verlangt nach mehr.

Geliebtes Weib! [Du] Sollst Dir darum gar keine Sorgen machen, und noch einmal: ich berichte Dir getreulich von unserem Ergehen. [Ich] Muß doch mit allem zu Dir kommen, wie Du zu mir! Herzallerliebste mein!

Ich wollte doch heute gerne noch an den Fäden weiterspinnen, die sich an Deine lieben Boten von gestern und vorgestern knüpfen. Aber ich finde heute dazu nicht die rechte Muße. Es ist mir leid darum. Aber nun, von den Geschäften des Dienstes kommend, will sie sich nicht immer einstellen. Heute haben wir nun dazu noch gefeuert, die Möbel verrückt, es ist 8 Uhr geworden mit dem Abendbrot. Und ein klein wenig verspüre ich nun auch die Müdigkeit von dem gestrigen Ausflug.

Ach Herzlieb! Wenn ich bedenke, wie reich auch Dein Alltag ist, vollgedrängt mit Geschäften und Gedanken auf das bunteste Allerlei, dann kann ich erst ermessen, wie teuer und wert Deine lieben Boten sind. Herzlieb! Geliebte! Du mein liebes Weib! Ich weiß es doch und fühle es, wie Du mir alles zuliebe tust, wie Du von Liebe zu mir erfüllt bist, daß alle Kraft in ihrem Dienste steht! Oh Herzlieb! Sie umfängt und durchwärmt mich wie eitel Sonnenschein, und weckt Liebe und Gegenliebe! Und unsre Liebe, sie will schenken, will sich verschwenden - Oh Herzlieb! sie ruft nach dem Leben übermächtig - Herzlieb, so wie Dich drängt es mich, Dir alle Liebes immerzu aufs neue zu erzeigen, Dich zu beschenken — oh Geliebte, Du!!! - wie wir einander am schönsten beschenken können? Du!? Weißt Du es noch? Du!!! Du!!!!! Wenn wir einander ganz nahe sind - - - !!! In seligem Einssein!!! Aus dem einmal auch unser Kindlein geboren werden soll! Ein ganz eigenes und besonderes Geschenk, das wir einander dann bringen. Herzlieb, Du!!! Kein größerer Lehrmeister und keine größere Offenbarung als ein Kindlein! Unsre Liebe wird sichtbar darin und unser Herz und all unsre Gaben auch von den Vorfahren her. Und darum ist es nur recht, wenn wir um Gottes Gnade dazu bitten.

Du! Herzlieb! Ich freue mich ganz ganz sehr und zutiefst auf das Kindlein, das Gott uns beiden schenken wird, und darauf, was Du ihm mitgibst! Du, mein liebes, liebstes Weib!!!!! !!!!! !!!

Herzlieb! Laß mich heute schließen mit diesem Gedanken. Ich weiß, daß ich mit keinem anderen Dir größere Freude bereiten könnte. Und das will ich doch! Dir alle Liebe erzeigen! Will Dir Glück und Freude bringen! Und dieses Wollen ist kein feierlicher Vorsatz, sondern es ist quellende, drängende Liebe! Du!! Du!!!!!

Ich liebe, liebe Dich!!!!! Mein Ein und alles [sic], Du! Geliebtes Weib!

Gott behüte Dich!

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946