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[OBF-411015-001-01]
Briefkorpus

Mittwoch, den 15.Okt.1941

Mein liebes, teures Herz! Geliebtes Weib! Du! Meine [Hilde]!

Die Sonne eines prächtigen Herbsttages fällt durch das Türfenster unsrer Schreibstube mit dem schmiedeeisernen Gitter. Noch 1 ½ Std., dann sagt sie Gutnacht. Aber jetzt halte ich ihr meinen Rücken hin und lasse mich streicheln und wärmen, beinahe wie wenn mir mein Herzlieb den Rücken abrumpelt [sic]. Wie wohl tut die Sonne nach den beiden kalten Tagen. Krasse Gegensätze hier also auch im Herbst. Ich bin auf der Hut mit meiner Gesundheit, geliebtes Herz. Der Spieß hat freien Nachmittag, und wir, seine Gesellen, haben frei tanzen [sic]. Augenblicklich ist wieder mal Ebbe in der Arbeit. An den nächsten Ansturm aber gehen wir nicht unvorbereitet.

Herzlieb! Wie nun mit der lieben Sonne Gottes weite Welt so hereinscheint, fühle ich mich Dir gar nicht so weit entfernt. Und vor meinen Augen stehen all die sonnüberglänzten Gefilde, die ich mit Dir schon durchwanderte. Und ich denke an den Prachttag, den letzten Urlaubssonntag mit dem Spaziergang zur Höllmühle und sehe vor mir das weite Land und darin den Schornsteinwald, Deiner Heimatstadt von der Meinsdorfer Höhe her. Wie liebe ich den Blick! Wie gerne gehe ich mit Dir all die lieben Wege, um dann wieder heimzukehren! Oh Herzlieb! Dann fühle ich mich eins mit Dir in einem ganz weiten Sinne – die weite, weite Welt mit unendlich vielen Wegen und Plätzen und Möglichkeiten, und darin wir zwei, Du und ich – einander ganz nahe, ganz eins, an denen sich nun diese eine, ganz bestimmte Möglichkeit erfüllt – Schicksal, Gottes Wille. Herzlieb, es hat sich gefügt zwischen uns. Und unser Bund erscheint mir in ganz besonderer Weise Schicksal und Gottes Geschenk. Gläubig haben wir diesem Schicksal vertraut und fühlen uns in seinem Schoße geborgen. Herzlieb! Auch wenn es einmal dunkel drohte, dürfen wir ihm vertrauen.

Was ich in einem meiner Boten anrührte, darauf gibst Du mir schon von selber Antwort: Du bist froh und dankbar, mich außer unmittelbarer Gefahr zu wissen. Geliebte! Du!! Ich weiß, daß in Dir ebensoviel [sic] zarte Saiten schwingen wie in mir, weiß es so beglückt!, bei aller Tapferkeit und Furchtlosigkeit, daß Du so wie ich ein fein organisiertes Wesen bist. Und daß Du darum mit mir so froh bist, daß Gott uns nach unseren Kräften bedachte bisher. Geliebte! Ich bin so glücklich, daß Du mit mir fühlst und sorgst – nicht zu viel sorgen, geliebtes Herz! Aber so könntest auch Du mich mahnen. Mit der Ferne wachsen Liebe und Sorge.

Nun erzählst auch Du mir von Deinem Tageslauf. Ich kenne ihn eigentlich noch gar nicht, Deinen  Wochendienstplan, nur Deinen Urlaubs- u. Feiertagsplan. Herzlieb! Feiertag war um uns her bislang immer. Um 6 Uhr aufstehen wie Dein Mannerli, so soldatisch früh, ist das nicht ein bißchen zu zeitig? Und mit dieser Angabe rollst eine Schuldfrage auf, zu der ich auch ein Wörtchen mitreden möchte. Der Verführer, der liebe, süße, herzige, unwiderstehliche – ist mein Herzlieb selber! Und wenn ich es mir sooo sooooooooooooo nahe weiß, dann muß ich zu ihm!!! Wirst Dir müssen eine Larve aufsetzen und einen Panzer anlegen, wirst müssen Dein Bettlein abrücken, Du!!! Ob das hilft? – Du! Ich habe Dich sooooooooooooo lieb! Und Deine holde Nähe, das ist aller Welten Seligkeit, aller Liebe Innesein, aller Sehnsucht Erfüllung! Herzlieb! Wir haben einander sooo sehr lieb und werden es einander immer wieder sagen und zeigen müssen – – Du! Herzlieb! Im eignen Heim dann! – Und, ich bange nicht darum, wir werden das rechte Maß bald finden – in unserem Alltag dann.

Ja, und nun den Vormittag über ist das Mannerli so ziemlich im Wege – Stühle auf dem Tisch, der Besen fegt über die Diele, alle Fenster geöffnet, und dann kriegst der Reihe nach alle Küchengeräte beim Wickel, und wartest das Essen [sic] und schaust nach dem Kuchen – das Mannerli ist im Wege. Na – und wenn nicht eben Ferien sind, treibt es unterdessen seinen Kram. Und in den Ferien? Da wird es sich schon erfolgreich durchzusetzen wissen gegen alle Lieb- u. Freundschaften in Küche und Keller – ja? Du!!! Der Nachmittag aber? – – – Ach Herzlieb! Ich freue mich ganz sehr auf das Leben an Deiner Seite!

Abend ist nun wieder, schon 10 Uhr vorbei. Kamerad K. ist noch nicht heim. Gestern abend schon blieb er lange aus, daß ich mich nach ihm erkundigte – heute abend wieder. Man könnte auf andre Gedanken kommen er ist ein unruhiger Geselle. Eben ist er herein – er war wieder im Kino. Er frißt die Stücken. Ich mag das nicht! Ich bin doch abends am liebsten zu Hause dann bei meinem Herzlieb! Wo es nun abends so lange dunkel ist – und dann zu Haus das Stübel warm – – da lockt es mich kaum hinaus. An schönen Tagen wie heute werde ich jetzt von und zum Essen laufen, das ist ein Weg von fast einer Stunde, den ich nach Belieben verlängern kann. Dabei bin ich an der Luft und an der Sonne. Man sieht jetzt auch die Griechen die schöne Mittagsonne auskosten. Morgen steht nun schon wieder Donnerstag im Kalender – freier Nachmittag. Deinen Wochenplan, Herzlieb, kenn ich nun noch gar nicht. Bist nun doch jetzt zweimal aus in der Woche – mehr als Dein Mannerli.

Zwei Tage blieb die Post aus. Morgen wird sie wieder kommen.

Der lange Oktober ist nun schon fast vertan – der nächste lange Monat ist dann der letzte im Jahre. Vorwärts, vorwärts, so möchte man treiben. Es steht nichts Besonderes zu erwarten mehr bis Jahresende. Und von dem Zauber und der Heimlichkeit der Vorweihnachtszeit werden wir hier wenig spüren. Die sind nur in der Heimat. – Und doch ist jeder Tag, den wir erleben, Gnade und Geschenk Gottes. Das fühlen die noch ganz anders, die an der Front stehen. Wir müssen uns fassen und Geduld haben.

Bald werden wir die letzten Leute auf Urlaub schicken – und schon reden die andern wieder von neuem Urlaub. Unser Hauptfeldwebel will über Weihnachten und Neujahr fahren. Auch Kamerad K. rechnet mit Urlaub zu den Feiertagen.

Herzlieb! Ich verhalt mich dazu vorerst noch ganz stille. Lassen wir erst mal noch zwei Monate hingehen – Du! So lange ist das gar nimmer – dann ist der Gedanke schon greifbarer. Wen[n] nichts dazwischen kommt: solange wie zum vergangenen Wiedersehen brauchen wir dann nicht zu warten!

Aber wie es auch kommt, Geliebte! Du wartest mein! Du bist mein Eigen! Bist mein mit Leib und Seele! Und ich gehöre Dir mit allem, was ich habe – das soll unsre Freude und unzerstörbares Glück sein !!!Gott im Himmel sei es befohlen! Er sei mit Dir auf allen Wegen! Er halte Dich froh und gesund.

Geliebte! Ich bin sooooooooooooo glücklich mit Dir! Mein Wesen lehnt sich an Deines, es ruht in Deinem – sooo lieb und traut und nah – ewig Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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