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[OBF-411026-001-01]
Briefkorpus

Sonntag, den 26. Oktober 1941

Herzensschätzelein! Liebes, teures Weib! Geliebte mein!

Du! Komm zu mir! Ich bin allein! Und draußen ist Regen und trüber Himmel. Drinnen aber ist Wärme, vom Öfchen, Wärme und Traute und Sonnenschein des Herzens. Daß ich allein bin?

Kamerad K. hat sich zu einer Ausfahrt mit einem Motorkutter versprochen. Solche Fahrt war schon vor 14 Tagen. Blitzmädels sind eingeladen, Flaschen sind mit an Bord. Wein, Weib und eine Bootsfahrt – verlockend schon – mit Dir, Geliebte, ja!!! Und am liebsten ganz allein mit Dir! Aber so – viel[,] viel lieber allein mit Dir zu Haus! Ach Herzlieb! Den Sonntag will ich zu meiner eigenen Verfügung – da bin ich doch froh, wenn ich mit anderen nicht zusammensein muß – in solcher Gesellschaft zumal. Und ich bin gar nicht allein! Schau nur her. Sieben Augenpaare, meine liebsten Augensterne funkeln und leuchten mir – Liebe! Liebe! Du!!! 55 mal habe ich Dich mit mir auf Bildern, groß und klein, halb und ganz, von hinten und vorn. Und da habe ich doch eben Musterung gehalten und mir sieben ausgewählt. Bist ein bissel neugierig jetzt? Ich will Dirs schon sagen – aber erst muß ich Dir ein ganz liebherziges Kussel geben – ja? Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Geliebte!!!

Da sind die 3 Bilder, auf denen mein Schätzel mir immer näher kommt im Dirndlkleid – erst seh ich’s doch in seiner ganzen geliebten Gestalt – und dann strahlt es (doch mir, ja? Du!!!) – und dann schaut es mich an in seiner ganzen Herzensgüte! – Und auf einem Bild sehe ich eine Braut mit der Brautmutter – meine Braut – Du! Wie liebe ich das Bild! – Und noch einmal die Braut im Kindersegen und Sonnenschein. – Und mein Herzensschatz im Griechenkleid – und dazu Dein Mädchenbild. Bist [Du] nun recht eifersüchtig – oder enttäuscht über meine Wahl? Du! Nach einem andern Bilde habe ich doch eine ganze Weile schauen müssen – aber das magst Du selber raten – Feinslieb! Das schönste Bild, das liebste, das trag ich doch in meinem Herzen – das sah noch keiner außer Dir – den Glanz des Glückes – oh Herzlieb, es steht auf meinem Antlitz jetzt, da ich allein bin – und meine Lippen beben: Ich habe Deine Liebe! Ich liebe Dich! Einziges, geliebtes Weib!!!

Dein lieber Bote vom Montag ist zu mir gekommen. Und Du beklagst, was ich so oft auch beklagen möchte, daß Du nicht die rechte Muße fandest, recht innig mein zu denken. Geliebte, ich weiß das so gut. Ich weiß Dich trotz alledem bei mir. In Deinem Herzen wohne ich, bin mit Dir auf allen Wegen – und bin nach (aller) allem Hasten und Draschen, nach aller Sorge und allem Verdruß Deine Ruhe, Deine Zuflucht, Dein Glück und Sonnenschein, das weiß ich. Und [ich] bin damit Dein allerliebstes Mannerli, das glücklichste auf dieser Welt, meine ich. Das liebste, herzigste und schönste Weib kommt zu mir und ruht bei mir aus und findet sein Glück bei mir! Du!!!

Desto froher bin ich nun, daß ich heute Zeit gewinne, Dir zu sagen, wie so lieb ich Dich habe. Herzlieb! Du weißt, die Worte können es gar nicht sagen. Sollst Dich so ganz lieb umfangen fühlen, so ganz gefangen in meiner Liebe! Du machst sie so blühen und glühen, geliebtes Weib!

Herzlieb! Ich bin des froh – und heute in besonderem Maße! Weil ich mich [mit] Dir so eins fühle – eins fühle auch in Deinem Herzenswu[n]sch. Dieser Wunsch zeugt wie kein andrer von der Tiefe, von der Lauterkeit und Reife Deiner Liebe – Du! Er ist im Grunde ganz unmodern – Ich fühle es: Ich werde Dich lieben auch in dem Kindlein, das Du mir schenkst. Und meine Liebe wird von einem zum andern gehen – und [sie] wird doch desto inniger auf Dich zurückstrahlen! Du! Herzlieb! Welch ein Strahlen und Leuchten dann von im Kreise, wie vom lieben Lichterbaum! Oh, helfe uns Gott zu diesem Glück!

Hast nun wieder Gelegenheit gehabt, Dich zu üben an den beiden Buben. Du! Du!!! Das soll unsre liebste Sorge sein, unser liebstes gemeinsames Werk, die Kindlein zu erziehen. Den besten Willen und das beste Können, die herzliebsten Wünsche sollen uns dabei beseelen! Güte und Strenge zu ihrer Zeit – das Ziel der Erziehung nicht aus den Augen gelassen – und das Wachstum der Kinder eng verbinden mit unserem eigenem Wachstum, ein fester geschlossener Ring, die ganze Familie. Herzlieb! Das wird nicht immer leicht sein und nicht ganz glatt gehen, eine Lebensarbeit ist es, die wir damit in Angriff nehmen, die uns große Verantwortung auferlegt und Sorge über viele Jahre. Von der aber auch reiches Glück uns kommen wird, die uns selber wachsen läßt und bereichert und einander zusammenführt wie keine andere. Mit Gottes Hilfe und Dich an meiner Seite, da will mir nicht bangen davor. Ohne ihn und ohne Dich? Wir werden manches Mal seine Hilfe und seinen Segen erflehen müssen! Und unsre Lebenskameradschaft wird sich manches Mal bewähren müssen. Aber ich kenne kein größeres Glück, als Dich an meiner Seite zu fühlen, als bei Dir Zuflucht und Halt zu suchen und Dir Zuflucht und Halt zu sein!! Und Du wirst meine Hilfe nicht verschmähen, Du wirst ganz glücklich sein mit mir am gemeinsamen Werk. Freud und Leid, wir müssen sie teilen – aus Liebe! Und ich darf Dir helfen! Darf Dir helfen einhüllen in Wärme und Liebe und Zärtlichkeit [sic] – darf Dir tragen helfen – darf Dir helfen ans Licht [zu] bringen – darf mit Dir wachen über Wachsen und Gedeihen – darf mit Dir raten über Weg und Ziel – – Geliebte! Geliebte!!! Liebes, tüchtiges, tapferes Weib! Mit Dir will ich es wagen, gerne, Du!!!

Als wir das letzte Mal zu Besuch waren in Chemnitz, da fiel es mir auf, wie wenig sich die Eltern doch abgeben mit den Buben, wie sie gar nicht recht mit ihnen in Verbindung stehen. Gerade in dem Alter, in dem die Buben stehen, im Fragealter, da so viele Grundlagen sich bilden, bedürfen sie der besten Wartung und Führung. Die Straße ist eine Gefahr! Und niemals dürfen die Eltern sich damit begnügen, das Wachstum zu registrieren und zu bestaunen – immer müssen sie eifersüchtig darüber wachen, solange wie möglich Einfluß auf dieses Wachstum auszuüben und es entscheidend anzuregen, die Kinder möglichst lange im engen, sicheren Verbande der Familie zu erhalten. Bequemlichkeit und Eigennutz sind dann zwei große Verführer.

Herzensschätzelein! All diese Gedanken können in mir nur den Wunsch wecken, dieses Leben mit Dir anzupacken, es zu wagen, es zu meistern. Und da steht sie, die große Sehnsucht, die mir die Worte nimmt, die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Leben! Und die Sehnsucht zuerst nach Dir! Nach Dir!!!

Geliebte! Wenn sie auch schmerzt, so bin ich ihrer doch so froh – sie ist hier in der Ferne mein liebster Geselle, ich mag sie nicht hergeben – in ihr pulst unsre Liebe, der Liebe Überfluß – in ihr pulst alle Hoffnung, alle Zukunft – und auch das Leben unsres Kindleins! „Du mußt mir vorerst noch ganz allein gehören!“ Herzlieb, Du! Mitten aus unserem gemeinsamen Leben geboren – ; wünschte auch ich mir unser Kindlein!

Du!!! Du!!!!! Die ganze Innigkeit uns[e]rer Zweisamkeit möchte ich mit Dir erleben! Sturm und Stille – Heimlichkeit, Traute und Wärme, Mutterschoß unseres Glückes. Und dann Dich umfangen in überströmender Liebe und Dich finden – und meine Liebe zu Deiner Liebe, meine Kraft zu Deiner Kraft, mein Wille zu dem Deinem, mein Herzschlag mit dem Deinen – unser Kindlein! Du!!! Oh Du!!!!! !!!!! !!!

Und ich muß es Dir noch einmal sagen, glückstrahlend! In unserem Kindlein werde ich Dich suchen, Dich!!! Und werde Dich finden! Geliebtes Menschenkind! Und werde in ihm Dich lieben!!! Du mußt ihm von Dir mitgeben, viel mitgeben!!! Du mußt! Mußt! Du! Du! Du! Du! Du! Du! Du! Oh Geliebte!!! Geliebte!!! Ich werde Dich zwingen, Du! Aus Liebe – mit Liebe!!! Ich werde Dich herzen und küssen – ich werde Dich festhalten und innig umschlingen – ich werde – – – Du! Du! Du! Du! Ich habe Dich so lieb, lieb, lieb, lieb ,lieb – lieb!!!

Oh Herzelein! Nun ist es abend geworden. Den ganzen Nachmittag habe ich an diesen Zeilen geschrieben – und Du warst bei mir! So nahe! Du!!! Oh Herzlieb! So nahe wie selten. Und wenn es täglich so wäre, dann müßte ich mich wohl verzehren aus Sehnsucht nach Dir! Ich muß Dich heute sooo liebhaben! Herzlieb! Du und ich, wir wollen beide nicht unzufrieden sein mit den Tagen der Stille und des Entspanntseins. Wir wissen, es kommt die Stunde wieder, da sie sich jubelnd himmelan schwingt zu dem Silberwölkchen am Glückshimmel, da sie überströmend aufsteigt aus den Tiefen unsres Wesens zu hellem, strahlendem Bewußtsein, zu wunderseligem Klingen und Läuten, unsre Liebe! Und keiner der Töne, den die die wir hinzufinden zu ihrer Harmonie, kann je wieder verloren gehen – er muß mitschwingen, muß mitklingen! Sie geht immer mit uns. Sie brennt in uns, heiß und stet[ig].

Und meine Liebe, sie ist nur ein Widerhall der Deinen – und wenn sie so hell erglänzt, Du machtest sie glänzen – mein und Dein ist eins – schenken und beschenktwerden [sic], beglücken und beglückt werden ist eins[.] –

Die Liebe selber aber, die uns so beherrscht – sie ward uns ins Herz gesenkt von Gott. Und daß sie uns so reich erblühte, daß wir einander fanden, ist Gottes Geschenk. Und Du entdecktest die Quelle des Glückes! Glückbringer mein!!

Unschätzbar köstlich ist mir Deine Liebe, Du!!! Sie erfüllt mich sooo ganz!

Gott im Himmel bleibe uns gnädig! Er halte uns dankbar und demütig im Glücke!

Oh Herzlieb! Je größer es mir erscheint – desto mehr zwingt es mich, bittend aufzuschauen zu Gott! Tritt zu mir, mein Weib, und laß uns aufschauen zu dem Hüter allen Lebens – fest umschlingen wollen wir einander in Liebe, wir müssen es – gemeinsam aber wollen wir ihm uns anbefehlen, ihm unser Leben weihen – und wollen nie vergessen, daß unser ganzes Leben ein Gottesdienst sein soll – Gottes Antlitz wollen wir stets auf uns ruhen fühlen, liebend, richtend.

Herzlieb! Nun soll die Feder ruhen heute!! Meine Gedanken halten Dich ganz fest. Du bist in meinem Herzen!

Mein Ein und Alles! Mein Sonnenschein! Mein Leben! Ich baue an der Brücke zu Dir! Ich will Dir heimkehren! Bald! Geliebte! Ich liebe Dich! Ich küsse Dich herzinnig!

Ich bleibe in Ewigkeit Dein [Roland], ganz Dein!

Du! Mein liebes Weib! Laß mich Dein liebstes, bestes Mannerli sein!

Viel liebe Grüße und gute Wünsche den lieben Eltern!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946