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[OBF-411031-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 31. Oktober 1941

Herzensschätzelein! Geliebte! Mein liebes, teures Weib!

Heute ist also Badetag. Mein Feinslieb wird auch ganz neuwaschen am Tische sitzen – und vielleicht mein denken? Heute am Nachmittag kam es ein wenig kälter, und es trübte sich ein. Vor Dienstschluß habe ich deshalb eingeheizt, und nun sitzen wir fein warm. Und Dampf ist in der Bude! Kamerad K. hat eine Zigarre geraucht und vorhin gab es bei uns Bratkartoffeln! Von der Mittagsmahlzeit haben wir uns geschälte Erdäpfel mitgenommen, bei den Kameraden der Nachbarstube uns einen Tiegel geborgt – und nun gings mit Rieseneifer und Uraufführungsfreude ans Werk. Etwas Fett in die Pfanne. Kartoffeln geschnitten. Gesalzen. Ein rasches Holzfeuer entfacht. Die Ringe vom Öfchen genommen. So wurden unsre ersten Bratkartoffeln. Bei meinem Herzlieb geraten sie viel feiner, aber wir haben uns diebisch gefreut und genossen, bis nichts mehr übrig war. Wenn es möglich ist, werden wir dieses warme Abendessen des öfteren bereiten.

Herzlieb! Ich habe etliches nachzuholen. Schrieb ich Dir schon, daß Dein Sortiment Kartons wohlbehalten hier ankam? Etliches ist schon versandfertig. Muß nur eben warten, bis der November anhebt. Morgen ist es nun so weit. Der dunkelste und peinlichste unter den Monaten fängt an. Herzlieb, wir fürchten uns nicht vor ihm. Wir stehen lieb zusammen. Jeder Monat im Jahreskreis hat sein eigenes Gesicht, jeder hat seinen Sinn, seine Bedeutung – ich hab sie alle gern, und mit Dir nun erst recht!

Ich vergaß, dir von unsrem gestrigen Ausflug zu erzählen. Er erhielt dadurch seine Besonderheit, daß wir nichts erreichten, was wir vorhatten. Wein wollten wir sehen. Ratzekahl alle Stöcke, abgeerntet auch die letzte Traube, das Weinlaub zum Teil abgefallen, zum Teil vergilbt. Nun steuerten wir auf den Kapellenberg zu. Zwei Kilometer vom Ziel gingen uns Lust und Energie aus. Wir fühlten uns so müde auf die Beine [sic] und kehrten nun mit dem Vorsatz, den Wein, den wir uns am Ziele gegönnt hätten in einer Stadtkneipe zu trinken. Am Ziel unsrer Wünsche war uns der Wein zu teuer. Zu Hause angekommen, fielen wir über die Abendkost her und konnten feststellen, einen billigen, freien Tag verbracht zu haben. Billiger wird unser Leben nun überhaupt werden. Der Durst ist nicht mehr so wie im Sommer. Die Früchte gehen zurande [sic]. Die Spiegeleier sind jetzt unerschwinglich – also bleibt alles im Portemonnai – theoretisch, praktisch nicht. Mit den Früchten wird es schneller ein Ende nehmen, als ich dachte. Nur wenig Äpfel sind angeboten – wir bekommen täglich einen zur Abendkost – überall hingen große goldgelbe Quitten. Davon bekommen wir des öfteren Fruchtsuppe. Wir haben noch nicht probiert, ob man die auch roh essen kann. Kastanien, eßbare, sind reichlich angeboten, und an den Straßenecken sieht man sie auch geröstet. Wir müssen gelegentlich mal davon kosten.

Von Geldsparen, vom „Eisernen Sparen“ lesen wir heute abend eben auch in der Zeitung. Es soll wohl ein freiwilliges Sparen sein – und man wird doch werbend einen leisen Druck ausüben dort, wo man es kann. Den Gerüchten, die nun [durch] diese Aktion entstehen, braucht man keinen besonderen Glauben zu schenken. Die Situation ist doch ganz klar: Geht dieser Krieg für uns glücklich aus, bleibt uns das Spargeld, so oder so – im anderen Falle ist alles verloren, so oder so.

Es ist also gegen das eiserne Sparen gar nichts zu sagen. Es will allem sinnlosen Daraufloskaufen ebenso Einhalt tun, wie dem ersten Ansturm nach dem Kriege auf alle Güter des Bedarfs. Wenn man Dich also angeht, Herzlieb! um die Teilnahme am Sparen, brauchst Dich gar nicht zu sperren. 26 RM monatlich kommen in Frage – das steuerpflichtige Einkommen vermindert sich um diese 26 RM.

Herzlieb! Diesen Dingen sehe ich mit Kaltblütigkeit entgegen – wir haben das wichtigste an Ausstattung, haben unsre Möbel – uns könnte es so hart nicht treffen. Aber von uns allein aus sollen wir das auch nicht beurteilen. Eine Geldentwertung wäre schon etwas Schlimmes. Wir dürfen gewiß sein, daß sie das letzte Mittel wäre; denn sie würde das Vertrauen in die Regierung schwer erschüttern.

Herzlieb! Die Post blieb heute aus. Morgen wird sie mir die ersehnten Boten bringen, Du!!! Urlauber kommen – Urlauber gehen. In diesen Tagen schicken wir die letzten auf die Reise. Wir sind also schneller damit durchgekommen, als wir erst dachten. Und schon sehen die Weihnachtsurlauber ihre Hoffnungen steigen. Darüber werden Tage und Wochen rasch vergehen – und dann - - dann sollen auch unsre Urlaubshoffnungen wieder steigen – Herzlieb!!!

Um den Monatsersten häuft sich unsre Arbeit eine wenig. Meldungen, Beförderungen, drängen sich auf diese Zeit zusammen. Dazu fallen täglich neue Dinge an, beinahe wie beim Pfarrer, Bestrafungen, Verlustmeldungen, Abkommandierungen. Macher Tag beginnt mit leerem Tisch und ist dann doch ganz ausgefüllt mit Arbeit.

Herzlieb! Dein Mannerli ist müde heut abend. Mag sein vom mittaglichen Bade – oder vom dicken Bäuchlein, in dem die Bratkartoffeln liegen – oder vom Zigarrenrauch. Will mich nun niederlegen. Ganz schnell schlafe ich jetzt immer ein – aber morgens bin ich schon um 5 Uhr wach – und dann gehen meine liebsten Gedanken zu Dir! Ich mein, du mußt dann ganz lieb von mir träumen. Ich habe jetzt auch etwa zweimal von Dir geträumt, aber ich habe mir von den Irrungen und Wirrungen dieser Träume nichts merken können.

Geliebtes Herz! Ich bin Deiner so von ganzem Herzen froh! Und nun ist all mein Hoffen auf den morgenden [sic] Mittag gerichtet: auf den Gruß von meinem Herzlieb! den Gruß aus der Heimat – meinen ganzen Sonnenschein! Und nun „Gut Nacht!“, Herzlieb! Bist mein letzter Gedanke am scheidenden, mein erster am neuen Tage! Du!!! Bist mein Halt, meine Kraft, mein ganzes Frohsein, Wille zum Durchhalten und zur Heimkehr. Herzelein, Du! Ich habe auch Sehnsucht nach Dir! Nach Dir! Nach Deiner holden, beseligenden Nähe! Bei Dir ist doch auch alles Liebesglück – alle Weltenseligkeit – Du!!! Du!!!!! Und ich weiß es: Du sehnst Dich so wie ich mich. Zu Dir geht all mein Sehnen, mein Verlangen – Nur zu Dir! Geliebte!!! So mächtig und unbeirrbar! Ich liebe Dich! Ich küsse Dich!

Gott behüte Dich!

Ich bin ewig Dein [Roland] meine [Hilde]!!!!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946