Bitte warten...

[OBF-420210-001-01]
Briefkorpus

Wien am 10. Febr. 1942

Herzensschätzelein! Meine liebe [Hilde]!

Eben hättest Du Dein Mannerli sehen triumphieren können. Ich habe nach manchem Hin- und Herlaufen eine Hotelbewilligung erlangt. Hurra! Ja? Du! Dein Mannerli hat gar einen harten Kopf. Nun kann ich wieder in einem Stübchen ganz für mich schlafen – für mich mit meinem Schätzelein im Herzen! Heute ist auch der Kamerad nicht mehr da.

Ach Herzelein! Nun bekommt man wieder einmal die ganze, kalte, herzlose M[as]chinerie und Organisation der großen Heeresmaschinerie zu spüren – und ich komme doch eben erst aus einem sooo warmen lieben Nest – und kann mich doch ganz glücklich preisen, daß ich diese Maschinerie nicht öfter spüren mußte. Meine ganze Reisegeschichte habe ich gleich einmal für alle erzählt und heute am Vormittag abgeschickt. Du liebes Herz warst ja so tapfer – und ich bin es auch.

Geliebte! Und diese Tapferkeit kommt uns nicht, weil der Abschied uns leicht fällt oder wenig bedeutet – oh Du! Du!!! – sie kommt uns allein aus der Zuversicht und Kraft unseres Glaubens und unsrer Liebe. Menschen können uns nicht auseinanderreißen und Gott wissen wir mit uns, wie es auch komme.

Was wirst Du nun eben anstellen? Wirst eben aus der Kinderschar heim sein? Ach, heute ist ja doch erst Dienstag. Gestern habe ich daran gedacht, daß Ihr in Chemnitz wart. Ich bin vorhin, nachdem ich mein Hotel si[ch]er hatte, in die Stadt geschlendert. Es ist heute weniger kalt. Gegen Mittag hat es getaut. Ich habe die Konzertzettel studiert – heute Abend könnte ich einen Sonatenabend besuchen. Mal sehen. In der Verpflegstelle habe ich heute eine große Schüssel Kartoffelsuppe gegessen. Gleich nach dem Essen habe ich einen Kameraden aufgespürt, dessen Anschrift ich eben noch im Kopfe hatte, der einen Tag vor mir auf Urlaub fuhr und den ich deshalb auch noch hier in W[i]en wähnte. Aber nichts. Er ist schon am Freitag abgefahren. Einen anderen Kameraden habe ich getroffen, der wie ich auf die Abfahrt wartet, weißt, den Dicken aus Pommern mit den vielen Bienenstöcken. Jetzt sitze ich nun in einem einfachen Kaffeehaus, das ich schon beim letzten Zwangsaufenthalt hier in Wien aufsuchte, weil es hier Gebackenes ohne Marken gab. Ich hatte auch [he]ute Glück.

Du! Schätzelein! Wenn ich noch lange hier sein muß, dann werd ich doch von Tag zu Tag immer ungeduldiger werden und auf etwas warten: Auf Deinen Boten! Du kannst mir doch einen schicken unter dieser Anschrift: Schr. Gsr. K.M. [sic], Wien – Südbahnhof, postlagernd. Ich habe mich erkundigt. Es geht so. Und was ich nicht abholen kann, schickt man Dir zurück. Und an meinen Briefen wirst Du ja erkennen, ob es ratsam ist, noch einen zweiten und dritten Boten abzuschicken. Und eines wünscht ich mir für den ersten Boten: daß auch ein lie[bes] Kussel drin ist – ja, Du! – und daß Du mir zwa Zwanzgerl mit hineinsteckst, weißt, für den Fall, daß der Aufenthalt hier noch ein wenig dauern sollte. Die sollst Du aber auf keinen Fall von Deinen nehmen, sondern frisch abheben, gelt?

Schätzelein Du liebes! Weißt Du denn noch, wie lieb ich Dich habe? Weißt Du auch, daß ich so überrei[che]n glücklichen Herzens von Dir schied, Deiner Liebe ganz gewiß? Oh Du! Du!!! Das Herz ist doch noch so übervoll. Und der Wunsch, mit Dir zu leben, ist nun so groß und mächtig in mir, daß es nur immerzu uns[e]re Hoffnung nähren will – Du weißt, welche Hoffnung! Oh Du! Schenke Gott ihr doch Erfüllung! Ich möchte Dich doch so ganz sehr liebhaben und immer um Dich sein! Ich möchte doch nun ganz richtig Dein Mannerli sein! Geliebte!!! Wir wollen uns[e]re Herzen mit Geduld wappnen – wollen einander ganz festhalten – dann werden wir durchhalten.

Herzelein! Behüt Dich Gott! Heut abend im Bettlein will ich ganz fest und lieb Dein denken, Du! Du!!!!! Bleib mir gesund! Mein Herzensschatz. Ich habe Dich doch sooooooooooooo lieb! I[ch] küsse Dich! Bin Dir ganz nahe und fühle Deine liebe Hand, ach Deine ganze reiche Liebe ganz nahe bei mir! Ich bin doch gar nie mehr allein! Du! Geliebte!!! Ich bin ganz Dein!

Dein [Roland]! Du!!!!!

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Erwähnte Orte
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

Schlagworte