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[OBF-420313-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 13.März 1942

Herzensschätzelein! Du! Mein liebes, treues Weib!

Herzblümelein!

Ganz stille ist's im Hause. Nur ein Rauschen vom Meer herauf und ein Hämmern von der Werft. Und der liebe Sonnenschein mit 36° auf meinem Rücken. Der ist ja ganz leise, gelt? So leise wie der Mondschein, daß er sogar Liebende beschleichen und belauschen kann, Du!!! Es ist gar nicht, als wäre ich bei den Soldaten, als wäre ich frei. Frei, Du!!! Weißt, was dann ist, wenn ich frei bin: Dann bist Du gefangen, für immer und ewig. Herzelein, Geliebte!!! Dann komme ich zu Dir, flugs und eilend, zu Dir!!! Und nehme Dich gefangen – und gebe mich gefangen, Dir, Dir! Du! Dir allein!!! Oh Geliebte!

Wirst Du Dich denn gefangennehmen lassen, von mir? Du! Und wenn Du Dich sträubst – ich weiß, nur im Spiel kann es sein – desto fester und lieber halte ich Dich umfangen! Oh Du! Ganz fest! Mein! Mein liebes Weib! Ganz mein!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Und ob ich mich Dir gefangen gebe? Oh Herzelein! Ich bin's doch schon, und muß es immer wieder, weil ich Dich sooo lieb habe, sooooooooooooo lieb! Dein bin ich! Ganz Dein!!! Warum es denn so still im Hause ist? Der Spieß hat seinen freien Nachmittag, und die Soldaten alle sind zur Gesundheitsbeschäftigung. Ich bin bestimmt, die Schreibstube zu hüten. Bin doch auch gesund und habe gar keine Läuse und Filzläuse und wie die Mitbewohner alle heißen. Und wenn es mich wirklich mal juckt, dann will ich schon nachsehen. Denn sicher ist hier auch der nicht vor Ungeziefer, der sich nicht herumtreibt. In der Straßenbahn, im Kino, oder von Kameraden kann man etwas auflesen. Die Gesundheitsverhältnisse in diesem Land sind ja so primitiv und begünstigen alle Mißstände, das konnten wir gestern wieder recht deutlich erkennen. Wir können Gott danken, daß Krankheiten uns bisher verschont haben. Und ich habe mir fest vorgenommen, jede unnötige Berührung mit den Eingeborenen zu meiden. Ich werde mich nicht mehr in eine besetzte Straßenbahn drängen, das griechische Kino nur noch in den Logenplätzen besuchen.

Oh Herzelein! Immer weiter herum rückt die liebe Sonne – ganz warm wird es dem Mannerli – so warm wie dann, wenn es seinem Herzlieb ganz nahe ist, Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!! Oh Schätzelein! Hier, wo ich sitze, da könnte doch ein ganz liebes Plätzchen sein – niemand könnte uns belauschen – ganz allein wären wir – Du! wie im Paradiese! Nur Sonne, Wind und Wellen [unsere] Gesellen – Du! Die sind verschwiegen! Vielleicht haben wir in unserem Heim ein ähnliches Plätzchen einmal! Du!!! Oder draußen in den Ferien an der See! Geliebte! Oh Du! Ich glaub, dann müssen wir einander ganz sehr liebhaben. Der 13. März ist heute. Vor einem Jahre war es, daß wir die Reise nach Süden antraten. Schnee und Kälte noch daheim und unterwegs in den Karpathen. Oh Geliebte! Bei allem Gespanntsein lag doch auch soviel Traurigkeit auf unseren Herzen. Und dunkle Gedanken drängten sich auf, und wir waren bange um unser Glück. Ein ganzes Jahr ist darüber hingegangen, voll Ungewißheit standen wir vor ihm, und nun ist es uns bekannt. Und für Tausende von Ka[m]eraden barg es die schwärzesten Lose – und für mich und Dich? Geliebte! Oh Du! Laß uns danksagen, aus tiefstem Herzen Dank für alle reiche Gnade! Laß uns daraus Hoffnung, Zuversicht und Kraft schöpfen für die künftige Zeit. Gott ist mit uns!

Herzelein! Dein lieber Bote vom Sonnabend ist schon bei mir. Ein Morgenkussl bringt er mir, das ist ein ganz besonders lieber. Ach Du! Du!!! Bringt mir noch viel mehr Liebe, so viel Liebe! Wenn nun später das Mannerli ein liebes Röslein so sichtbar erblühen sieht in Deinen Augen, auf Deinen Lippen, und wäre es am Morgen – Du! Du!!! Dann muß er kommen und das Röslein pflücken – Du! Du!!! Geliebtes Herz! Oh Herzelein! Ich glaube, im Sonnenschein unsrer Liebe werden noch viel, viel Röslein erblühen – ja? Oh Du! Du!!! Und der Gärtnersmann wird Arbeit genug haben – und die Gärtnersfrau auch – also die Gärtnersleute! Oh Du! So Gott will, wird doch unser Weg ein Rosenpfad sein – oh Herzelein! Wie es auch kommt: Liebe wird ihn säumen. Liebe wird uns leiten. Liebe wird unsre Herzen erfüllen und verbinden für dieses ganze Leben!!! Schätzelein! Nur mit Dir mag ich in die Zukunft blicken, nur mit Dir daran glauben, sie ersehnen und lieben!

So kalt ist es noch immer daheim! Das kann ich mir nun kaum mehr vorstellen. Und ob ich trotzdem käme zu Dir! Du! Du!!! Ja, ja, ich käme! – aber Deine Wärmflasche mag ich nicht sein – wollt' Dein Geselle sein bei Tag und Nacht wie der Frosch im Märchen! Deine Wärmflasche nur? – nein. Die hast Du gar stiefmütterlich behandelt! Mußte so zeitig ins Bettlein – und dann sooo lange warten und allein sein – und dann? Ein Stündlein höchstens an Deinen Füßen. – Oder doch, Herzelein? Ich hab mir's eben anders überlegt. Ich will schon Deine Wärmflasche sein! Laß mich ins Bettlein stecken – und dann, glaube ich, da wird ein Zauber sein wie im Märchen vom Froschkönig – – – und dann bin ich doch am Ziele meiner Sehnsucht und bin Deine Wärmflasche und Dein glückliches Mannerli zugleich!!! Oh Schätzelein! Ich bin so froh heute und möchte Dich auch ganz froh wissen. Wir sind es doch immer, wenn wir einander so lieb gedenken und umfangen, wenn wir an die Gewißheit und Heimat uns[e]rer Liebe denken. Oh Du! Du!!!

Herzallerliebste! Ganz gewiß bin ich Deiner Liebe! Wem wird noch solch liebe, traute Heimat [sic] wie Deinem Mannerli? Wer ruht wärmer und geborgener und glücklicher als Dein [Roland] in Deinem Herzen! Oh Du! Laß mich immer bei Dir wohnen!!!!!

Heute habe ich nun endlich auch meinen Geburtstagsboten fertig. Er wird zu spät kommen. Es ist nicht leicht, die rechten Worte zu finden.* Daß ich mich auf Dein liebes Buchgeschenk stützen konnte, hat mir gut geholfen. Vor ein paar Tagen habe ich es mit größtem Interesse zu Ende gelesen. Das letzte Kapitel mit seinem Glaubensbekenntnis ist eigentlich das wichtigste.
 

Dieses reiche Leben dürfen wir als Zeugen für die Kraft unseres Christenglaubens aufrufen. Dieses Glaubensbekenntnis sagt alles mit einmaliger Festigkeit und Gültigkeit. Schaut man sich das Bild dieses Mannes an, dann versteht man auch die Art, in der es geschieht. Man wünschte sich manchmal noch mehr Eifer und mehr Leidenschaft, zumal in unseren Kampftagen. Vielleicht wäre es vielen Geistlichen gut [sic], wenn sieh mit dem breiten Volke etwas mehr in Verbindung stünden, daß sie deutlicher spürten, wo es fehlt, wie das Fundament des Glaubens doch in vielen erschüttert ist, wie sie dem Volke das höchste Gut des Glaubens gar nicht eindringlich genug ans Herz legen können. Nur, wer über große Kräfte verfügt, wird heute noch überzeugen können. Nur, wer über große Kräfte verfügt, wird heute noch überzeugen können. Nur, wem Gott „Erlebnis und sturmfeste Gewißheit“ geworden ist, kann hoffen, anderen Vorbild zu werden im Bekennen. Herzelein! Mit dem Bekenntnis dieses Mannes gehen wir ganz einig, Du wirst es schon gemerkt haben. Es ist ein gläubiges, schlichtes Bekenntnis, ganz frei von Krampf und Dumpfheit, in dem das Leben in seiner ganzen Fülle und seinem Realismus Raum hat und doch gekrönt und überhöht wird vom Glauben im Geiste des Evangeliums, wie die Erde vom Himmel. „Ich wünsche, daß meinem Volke die Religion erhalten bleibe, mehr noch, daß sie ihm in ihrer erhabenen Einfachheit verkündigt und in ihrer unmitte[l]baren Lebensbeziehung zum Bewußtsein gebracht wird.“

Herzlieb! In diesem Sinne stehen auch wir zu unserem Glauben – so erfahren wir ihn: als Sinn und Richtung und Erhöhung dieses Lebens – und so frei, aber auch so klar und entschieden stehen wir ihm gegenüber und halten ihn fest, bekennen uns zu ihm, mutig und freudig, ja, mutig und freudig!

Wir werden die wichtigsten Stellen noch einmal miteinander betrachten.

Ich danke Dir recht von Herzen, daß Du mich mit diesem Buch bekannt gemacht hast.

Nun laß mich heute schließen. Oh Geliebte! Du hast mich sooo lieb! [Du] Bestürmst mich mit Deiner Liebe! Daß doch die Sehnsucht ganz laut werden will! Oh ja, Herzelein! Seelengeschwister sind wir und Liebende! Und darum ist unsre Liebe unverlierbar – darum ist das Glück uns[e]rer Liebe so fest gegründet, Gott segne es! Er behüte Dich mir auf allen Wegen. Ich liebe Dich! Liebe Dich recht von Herzen! Mein Reichtum Du! Meine Welt! Mein Leben! Mein geliebtes Weib! Meine [Hilde].

Ewig bleib ich Dein! Ewig

Dein [Roland]

 


[Unten auf Seite 3 Bemerkung:] * Zu [Name unleserlich]s 88. Geburtstag am 16.3.

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.420313-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946