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[OBF-420317-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 17. März 1942

Herzallerliebste mein! Mein liebes, teures Weib!

Nun könnt ich doch wieder einmal richtig eifersüchtig und neidisch werden. Alle dürfen um mein Allerliebstes sein: die Buben der Schar, das Mädel vom Schneider in der Zitherstunde, und Frauenschaft und Frauendienst und Scharleiterinnen, Kantorei und Rotes Kreuz – nur ich darf es nicht, kann es nicht, nicht einmal eine Stunde, Dein Mannerli, Dein Geliebter! Ach Herzelein! Du könntest ja ebenso klagen – vielleicht mit noch größerem Recht. Und ich möchte doch so gern bei Dir sein, um Dich sein, immer! Ich sehne mich doch so nach Deiner Nähe – sie ist mir doch kostbarer als allen [sic] anderen Menschen – und [ich] muß Dir ferne sein. Oh Du! Du!!! Oh Du! Wenn ich es nicht wüsste, nicht fühlte, daß ich Dir dennoch der allernächste bin, Deines Herzens Vertrauter, Dein Herzensmannerli – ich könnte doch traurig darüber werden. Und Du müsstest es ebenso. Oh Herzelein! Dann müssten wir auch bangen umeinander. So wie manche Menschen sich zu einem Paar gewöhnen, flach und dumpf, so mögen sie sich auch wieder entwöhnen.

Geliebte! Ich bin nur eines gewöhnt geworden: einsam zu gehn. Und das ist eine der besten Gewohnheiten wohl, weil sie den Menschen innerlich frei und selbständig macht, weil sie ihn wachsam hält. Geliebtes Herz! Du hast meine Einsamkeit gebrochen. Dir ist die Tür aufgetan zu meinem Herzen, Dir allein! Allen anderen Menschen ist es in seinen Gründen und Tiefen verschlossen. Ach! Die Freundschaft ist so selten unter den Menschen, die Herzensfreundschaft ist so selten – und darum ist der schon ganz glücklich, der nur einen solchen Freund fand. Herzelein! Dich ließ ich ein in mein Herz. Aber nun habe ich schnell wieder zugeschlossen – nur Du sollst darin wohnen, Du sollst es ganz besitzen! Und nun möchte ich nicht mehr einsam sein – oh nein, nein! Auftun möchte sich Dir mein Herz, Dir sich mitteilen, Seit an Seite mit dem Deinen schlagen gleichen Schlag. Nicht Gewohnheit – Sehnsucht und Unruhe und Verlangen, Herzensliebe führte uns zusammen und verbindet uns unlösbar für dieses ganze Leben.

Oh Geliebte! Und ich weiß es ganz glücklich: nur ich wohne in Deinem lieben Herzen – ich allein habe den Schlüssel zu Deinem Herzen, h[ab]e Zugang auch zum heimlichsten Herzkämmerlein. Mir tut es sich auf – mir zeigt es sich – mit dem meinen geht es gleichen Gang, schlägt es gleichen Schlag. Oh Du! Ich allein habe die hohe Gunst, in Deinem Herzen zu wohnen und Deines Herzens Vertrauter zu sein. Oh Herzelein! Sosehr [sic] ich mich sehnte, ein Menschenkind ganz lieb in mein Herz zu schließen – so lieb und fest hast Du mich in dein Herz geschlossen. Ich ruhe darin – oh, sooo sooooo glücklich! Du sagst, daß uns[e]re Liebe so eigennützig ist. Herzelein! Es ist auch n[oc]h ein anderes: es ist das Drängen nach der Ganzheit, nach tiefstem Einssein, innigstem Verschränktsein, nach liebstem Vertrautsein, ach Du! nach tiefster, innigster Liebe, nach dem Ureigenen unsrer Liebe, wie es sich in unserem Kindlein einst darstellen soll. Bei Dir ist dieses Einssein, dieses Vertrautsein, das Ureigen der Liebe – bei Dir allein!

Vor Dir tut sich mein Wesen auf – oh Geliebte! Darum ist die Sehnsucht so groß nach Deiner Nähe – die Sehnsucht nach der Traute und Geborgenheit Deines Herzens. Darum gehe ich hier einsam und verschlossen in gewissem Sinne. Oh Herzelein! Gehe immer mit der Sehnsucht, ganz Dein zu sein, wie es schon war und wie es nur bei Dir wieder sein kann!

Dein lieber Mittwochbote ist zu mir gekommen heute, der Dienstagbote ist wieder einmal nachgeblieben. Ach Geliebte! Dein Bote hat doch die Sehnsucht aufgeweckt nach Dir! Viel Arbeit ist in diesen Tagen – und wenn ich vor von [sic] ihr aufschaue, habe ich doch nur einen Wunsch: bei Dir zu sein. Nichts anderes mag ich dann: kein Kino, kein Theater, keine Gesellschaft – ach Herzelein, Du! Du!!! Nur bei Dir sein! Vielleicht ganz wortlos – ach Herzelein!

Ich will Dich nicht unglücklich machen mit meinem Sehnen. Welchen Wunsch würdest Du mir lieber erfüllen?! Oh nein! Magst es nur wissen, daß ich Dich ganz lieb habe, Dich allein! Daß Deine Liebe soviel Gewalt hat über mich, daß sie mich so ganz erfüllt.

Müde bin ich nun. Um 9 Uhr war es, daß ich zum Schreiben kam. Der morgende [sic] Tag? Ich freue mich auf ihn, weil mit ihm eine neue Hoffnung, eine neue Freude aufsteht: Dein lieber Bote wird kommen – viel mehr als Worte nur – Symbol und Unterpfand Deiner treuen Liebe!

So soll Dir auch der meine gelten. Soll Di[r] sagen, [siehe Ausschnitt aus dem Brief] daß Du all mein Reichtum bist, mein Glück und Sonnenschein – mein einziges, geliebtes Weib, Du!!!



Behüt Dich Gott! Er sei mit Dir auf allen Wegen!

Ich bleibe in Liebe und Treue unwandelbar Dein [Roland],

Dein! Ganz Dein! Ewig Dein Herzensmannerli.

Gut Nacht! Herzelein! Ich denke Dein – immer, immer nur Dein, in Liebe und Verehrung – und Sehnsucht!

Dein [Roland]

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Ausschnitt aus dem Brief.

Ba-OBF K02.Pf1.420317-001-01a.jpg. Ausschnitt aus dem Brief.

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946

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