Sonnabend, den 28. März 1942
Herzensschätzelein! Meine liebe, liebste [Hilde]!
Ich komm doch gleich erst mal zu Dir! Ganz still ists im Hause. Sie sind alle im Hafen zur Sonnabendmusterung. Ich brauche daran nicht teilzunehmen, muß die Schreibstube bewachen. Und was tut das böse Mannerli? Holt sich sein allerliebstes Schätzelein herein – und der Wachhabende unten und niemand sonst, sie können es nicht sehen. Du! Du!!! Die Arbeit, die ich noch vorhabe, erledige ich dann lieber in der Freizeit. Aber das Alleinsein will ich nutzen. Ach Du! Herzallerliebste!
Wenn du jetzt wirklich hier durch die Tür trätest – ich wüßt doch gar nicht, ob ich ganz froh wäre darüber. Du hier in fremdem Lande, hier könnte doch Deines Bleibens nicht sein – und daß ich nur in den wenigen Freistunden bei Dir sein könnte – oh nein, nein! Herzelein! Das wäre nur halbes Glück. Lieber suche ich Dich daheim in unserem Schloß, in unserem Kämmerlein, lieber weiß ich Dich meiner Heimkehr harren, der Heimkehr für immer. Aber Du verstehst mich ganz Herzelein! Ganz lieb umfangen müßte ich Dich, und küssen und herzen – und weinen vielleicht, daß Du Dein Mannerli noch nicht mitnehmen kannst, - oh Geliebte! Soviel Liebe und Dankbarkeit möchte sich schon wieder kundtun, und Herzensfreude, Du, Du!! Mein liebes, teures Weib!!!
Herzelein! Gestern ist die Ernennung zum Unteroffiziersanwärter gekommen, für uns alle drei. Gestern wurde auch die Zeit des nächsten Kursus für Unteroffiziere bekannt: 20. April - 13. Juni. Diese Zahlen können für mich vielleicht bedeutsam und inhaltsvoll werden. Ich blicke dem allen mit Ruhe entgegen und habe nur den einen Wunsch, daß es mich hernach nicht verschlägt, daß ich Dir ^nicht noch ferner sein muß als bisher.
Herzallerliebste! Vertrauen in Gottes Gnade und Führung und die Gewißheit Deiner Liebe geben mir Kraft und Zuversicht. Oh Du! Geliebtes Herz! Meine liebe [Hilde]! Du hast mich über alle Maßen lieb! Du hüllst mich ein in Deine unendliche, gute Liebe und hältst mich ganz fest. Du wartest mein, immer, bereitest und bewahrst mir Dein Herz, meine Heimat, hütest mit mir lieb und treu das Glück unsrer Liebe, unser Nest, Du! Du!!! Du liebe, liebe, gute, herzensgute! Ich möchte Dir sooo von Herzen danken! Oh Herzelein! Nimm all meine Liebe zum Dank, meine Treue bis in den Tod! Du! Du!!! Mein Leben! Mein Leben!
Herzelein, Du, liebes gutes! Führst Dein Mannerli hin zu dem liebsten Nest, zu dem trautesten, oh Herzelein, zu dem Schatz, der mir der höchste und köstlichste ist auf Erden, von dem mir alle mein Glück und Sonnenschein kommt: zu Deinem Herzen – und Du sagst es: mein Herz ist es nun. Oh Herzelein! Herzallerliebste mein! Möchte es Dich wie mich mit so reichem Glück erfüllen: daß Dein liebes treues Herz meine einzige und liebste Zuflucht ist, zu Dir allein komme ich, Geliebte, daß ich es sooo lieb halten und schützen möchte, daß es mir sooo kostbar, so unersetzlich ist, Geliebte, Du! Mein einziges, liebes Weib!; und daß ich ihm soviel Liebes zutragen möchte, es schmücken und bekränzen, es erfüllen mit Freude und Liebe – oh Du! Du!!! Ich liebe Dich!!!!! !!!!! !!!
Oh Geliebte! Und so weiß ich mein Herz in Deiner Liebe geborgen und davon so reich erfüllt. Herz um Herz – Lieb um Liebe – Treue um Treue. Oh Herzelein! Was ist ein Jahr, was sind Jahre vor der Tiefe und Ewigkeit solcher Liebe? Was ist daneben schnöde, käufliche Lust? Oh Herzelein, Geliebte! Wir tragen in uns das Maß der hohen, guten Liebe. Oh Du! Wie müßten wir uns vergessen, wie müßten wir uns verleugnen uns selber untreu werden, unglücklich für dieses ganze Leben, wenn wir mit diesem Maße einmal nicht messen wollten! Oh Geliebte! Daß wir es nun einanander noch immer sagen und versichern müssen – daß wir es einander leben könnten! Oh hilf uns, Gott im Himmel! - Du, Herzelein, Goldherzelein! So wie es schrecklich wäre zu leben und hier auszuhalten ohne Hoffnung auf Heimkehr und Wiederkehr – nicht weniger schrecklich wäre es a ohne Hoffnung auf ein gutes, gesegnetes Leben – und das kann ich mir nur noch an Deiner Seite denken, geliebtes Weib! meine liebe Frau! Oh Du! Meine Hoffnung, meine Heimkehr, mein Leben!!! Geliebte!
Keinen Augenblick vergesse ich den Weg zu Dir, die Brücke zur Heimat – Du! Ich bin Dir sooo treu! Das treueste Mannerli! Wie Du mich so lieb hast – und weil ich Dich sooooooo lieb habe, so lieb und wert, Herzenskönigin, wie ich es ersehnte immer – Du! Du!!! Erfüllung allen Sehnens!
Oh Herzelein! Du kennst Dein Mannerli, das spröde, unbestechliche – ein ganzes Mädchenpensionat könnte man ihm anvertrauen – aber desto heißer, entschiedener und inniger liebt es nun die Eine, die Einzige: Du! Du!!! Geliebtes Weib! Und ich weiß es und glaube es, so liebst Du mich, liebst mich so von Anbeginn – und Deine Liebe hat mein Herz bezwungen, hat zu ihm gefunden, daß mir der Abschied damals so schwer würde, daß mir war, als ließe ich etwas zurück – hinausgegangen bist Du mit mir nun dieselbe Stunde – und wund war Dein Herz wie das meine in jenen Tagen – Herzlieb! Gott führte uns zusammen, unsre Wege, unsre Herzen!
Und nun sind sie so innig verbunden, so lieb verschränkt, wie es nur einmal sein kann im Leben. Oh Du! Du!!! Wo fände ich eine liebere Heimat als in Deinem Herzen? Ich bleibe Dein! Immer und ewig!
Herzelein! Heilig ist mir das Wort, das ich Dir gab. Dort, wo mein Glaube[,] ist meine Liebe verankert: in des Herzens Mitte und Tiefe! Und darin klingen unsre Herzen zusammen, in junger, heißer, inniger, gläubiger Liebe! Oh Geliebte! Wie lieb und fest will ich Dich für immer an mich binden, Du, mein Eigen, mein Ureigen!!!
Herzelein! Legst mir eine Feierfolge bei von der Schulentlassung. Ganz unauffällig, aber desto planmäßiger arbeitet man auch im Kriege weiter im Sinne der Arbeit vor dem Kriege: Ausschaltung der Kirche, Entwertung ihrer Feiern und Weihen, und Kreise, das ist hier gleichbedeutend mit Glauben schlechthin. Man will ihn ausrotten, ausmerzen – man will – ein paar Männer, wer mag wissen welche, stehen in unerbittlicher Feindschaft zu diesem Glauben und möchten ihn aus unseliger Verblendung, in despotischem Machtrausch vertilgen – und sie haben es verstanden, dazu höchste Machtvollkommenheiten zu erlangen. Das muß man klar und nüchtern erkennen, um dieses Beginnen richtig einzuschätzen. Ihr höchster Ausweis ist: „im Namen des Volkes" – nicht etwa die bessere Wahrheit, der auch sie sich beugen müßten. Nun, Herzelein, aufs Ganze gesehen, ist mir nicht bange: Gott sitzt im Regimente. Aber um unser Volk ist mir doch bange in den Händen solcher „Priester". Es bedarf für die Masse der Menschen nur noch wenig Anstoßes, um sie ihnen in die Hände zu spielen. Eine kleine Minderheit, die sich noch zum Glauben bewußt bekennt – und die anderen nicht etwa glaubensbereit, glaubenshungrig, wie man sich einredet, sondern glaubenslos! und bereit, jeden Glauben zu verleugnen und jede Bindung zu verneinen, Treibholz, Treibholz. Oh Herzlieb! Ich weiß Dich auch darin lieb an meiner Seite!: die Menschenmasse wird uns nie imponieren und bestimmen können in unserem Handeln. Wenn wir uns nach ihr richten, dann dürfen wir ja einander auch nicht so treu und innig lieben. Wir kennen unseren Weg und gehen ihn unbeirrbar, sicher und gehalten in Gottes Liebe und Gnade.
Bewahre Gott unser Volk vor dem Bolschewismus der Glaubenslosigkeit und vor den Irrungen und Gefahren dieser Glaubenslosigkeit.
Herzelein! Nun weiß ich Dich wieder glücklich daheim! Weiß Dich geborgen in liebem Kreise, dort, wo man allein noch verstanden wird und noch seinen persönlichen Willen leben kann – ich bin so froh und dankbar darum, daß Du daheim sein darfst, den lieben Eltern auch zu Trost und Sonnenschein. Möchte sich ein Weg auftun, daß es so bleiben kann. Ich habe auch Deinen lieben Kartengruß aus Glauchau erhalten. Weißt, wann ich das Bild zum letzten Male sah, den Bahnhof mit seinem Vorplatz? - an jenem Apriltage, am Abschiedstage, als ich von Waldenburg nach Wüstenbrand fuhr, hatte ich eine Stunde Aufenthalt in Glauchau.
Geliebte! Die Zeiger gehen auf 11 Uhr. Um 11 Uhr trete ich meinen Wachposten wieder an. Und Dein lieber Bote ist doch nun schon fertig. Was ich nun wohl noch angebe die Nachtstunden? Du! Wohin könnte ich anders denken als nach Hause, wenn es so still ist? Da sind noch zwei Geburtstagskinder, die warten doch auf einen besonderen Boten. Und nun Herzelein, eine Gutenacht. An Deinem Bettlein stehe ich – decke Dich ganz lieb zu, muß Dich noch einmal ganz lieb umfangen und küssen und von meinem Glück Dir sagen! Und dann laß mich wachen über Dinge und unserem Glück – bis zur Heimkehr! Ich will Dir heimkehren, geliebtes Weib! Recht bald – und für ganz. Gott walte es in Gnaden! Er schütze Dich und sei mit Dir auf allen Wegen!
Ich habe Dich von ganzem Herzen lieb! Ich bin bei Dir allzeit mit meinen liebsten Gedanken, mit all meinem Hoffen und Wünschen, mit meiner Sehnsucht, bleibe in ewiger Liebe und Treue
Dein [Roland], Dein Herzensmannerli.
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Roland Nordhoff
Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt
Oberfrohna
Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946