Bitte warten...

[OBF-420422-001-01]
Briefkorpus

Dienstag, den 21. April 1942

Herzensschätzelein! Mein liebes, teures Weib!

Allein bin ich wieder. Kamerad H. ging ins Kino. Kamerad K. spielte Skat in der Nachbarstube. Sie haben beide schon über mittag geschrieben. Ach Du, Herzelein! Der Mittag ist mir ist mir [sic] zu hell, man wird zu sehr abgelenkt, meist bin ich ein wenig müde dann, aber Dein lieber Bote beschäftigt mich zu sehr. Am liebsten komme ich doch zu Dir, wenn es Feierabend ist. Er gehört uns beiden. Und diesen Feierabend mag ich immer weniger gern abgeben. Und ehe ich nicht bei Dir sitze und den Feierabend gesichert weiß, bewegt mich eine innere Unruhe. So immer, wenn ich mit Kamerad K. ausfliege. Ihm kommt es nicht drauf an, wann wir zurückkehren, er schlüge am liebsten noch ein paar Haken und ginge Umwege – ich aber treibe zu Eile, damit vom Feierabend nichts verloren geht.

Vielleicht ist es so, weil Dein Mannerli noch so jung verheiratet ist? Ach Du! Ich glaube das nicht. [Ich] glaube nicht, daß wir uns mit den Jahren weniger zu sagen haben, ich denke eher viel mehr.

Heute und gestern kam kein Bote zu mir! Du! Wie warte ich nun auf den nächsten! Morgen wird er kommen! Du! Du!! Heute bekam ich aber die 4 Büchlein von St. [Ich] Habe vorhin gleich eines flüchtig überlesen, [Du] kannst Dir vielleicht denken, welches, „Die Frau“. Das alles wird mich nun wieder sehr beschäftigen. Das habe ich zu gern – und wie Du mir die Büchlein unterstreichst – setze ich mich damit noch einmal so gern auseinander – und der Austausch uns[e]rer Gedanken darüber gewinnt so die Form eines lieben Beratens. Ach Herzelein! Alle dicken Bücher sind Wälzer, alle Geistreicheleien zusammengenommen werden uns nimmermehr davon zurückhalten können, einander liebend, beseligt vom Glück uns[e]rer Liebe, zu nahen [sic], einander zu beschenken, einander zu rufen – oh Geliebte! Liebe! Heiße, tiefe Liebe ist zwischen uns – sie kann niemand hinwegreden und -philosophieren.

Ich danke Dir doch auch für die Versorgung mit geistiger Nahrung. Heute kam eben wieder eines nach einem Bibliotheksbuch, und ich dachte, daß ich doch auch wieder einmal nach einem Buche greifen könnte. Etliche Lesenswerte unterhaltsamer Art sind schon noch dabei. Aber glaubst [Du] – ich habe kaum Lust zu lesen. Viel lebendiger und mächtiger ist der Drang, mich Dir mitzuteilen. Wie könnte es auch anders sein? Lebt da in der Heimat, fern von hier, ein liebes Menschenkind – wie kann ich anders, als Dein zu denken bis die Augen sich schließen zum Schlaf? Oh Herzelein! Ich liebe Dich sooooooooooooo [s]ehr!

Elfriede schickte heute ein Päckchen. Sie will gern noch einmal Tee haben. Ich konnte ihr heute welchen besorgen. Ihren Schreibebrief [sic] lege ich Dir bei. Hellmuth und Elfriede haben über Ostern zusammensein können.

Ich mußte heute noch einigemal [sic] an die Ostlandverschickung denken und daran, daß man allenthalben jetzt im Krieg und vielleicht in noch größerem Maßstabe nach dem Kriege die Menschen verschickt, verpflanzt, ohne sie zu fragen, daß man sie roh und erbarmungslos aus dem Mutterboden ihrer Heimat reißt. Denn so wie die natürlichen Bande des Blutes gibt es a[u]ch solche des Bodens, auf dem wir wohnen, der Heimat, die uns nährt, leiblich und geistig. Auf diese Erkenntnis von Blut und Boden tut sich uns[e]re Zeit viel zugute. Die schmerzende Wunde in ihrer Tiefe zeigt sich besonders deutlich, wenn ein Bauer, einer, der jahrelang mit der Scholle verwachsen ist, umgesiedelt werden soll. Aber nicht weniger braucht deshalb ein and[e]rer seiner Heimat verbunden zu sein, wenn auch vorwiegend geistige Bande und Beziehungen ihn damit verbinden.

Ach Herzelein! Es ist eine durchaus bedauerliche Entwicklung, dieses Entwurzeln, dieses rastlose, ruhelose Wandern, dieses Herausreißen und Hinausstoßen aus der Geborgenheit der Heimat. Es läßt wieder ein paar Regungen der Liebe, Treue, Anhänglichkeit mehr verkümmern und trägt damit bei zur Verflachung und Haltlosigkeit der Menschen, zur Lieblosigkeit der Welt, zur Einebnung der Höhen und Tiefen dieses Lebens. Wie arm sind die Kinder, die nicht das Gerüst der Heimat, des Beheimatetseins in ihren Herzen tragen. Und wäre die Heimat noch so arm – ihr Erlebnis ist doch reicher als heimatlos sein.

Mit den Beamten verfährt man darin am willkürlichsten, in den letzten Jahren freilich auch mit dem Arbeiter. Mich haben im Internat des Seminars immer die Zehnjährigen gedauert, die so früh aus der Obhut des Elternhauses gerissen, sich nun einer Fremde fast hilflos gegenüber sahen. Manchmal hat man den Eindruck, daß man die Entwurzelung der Bevölkerung geradezu fördert von höherer Stelle, um sie nur desto stumpfer und damit gefügiger zu machen für alle Akte der Willkür und unumschränkter Herrschaft, um in ihr alles Eigenwillige, Eigenartige, das die Heimat uns mitgibt, abzutöten, abzuschleifen.

Herzelein! Wir vertrauen auch darin auf Gottes Führung. Ich möchte nur wünschen, daß wir wenigstens zu der Zeit, da uns Kindlein beschert sein sollten, einigermaßen seßhaft sind.

Ach Du! An dieser Stelle habe ich doch gestern abend aufgehört mit Schreiben. Die Kameraden wollten schlafen, und ich selber war auch müde, [ich] hatte mit meiner Schreibarbeit zu spät begonnen. Dein Büchlein war schuld daran. Meine Gedanken bewegen mich nun, und schon um 5 Uhr war ich wieder dabei. Herzelein! Diese Gedanken, sie kreisen all [sic] um Dich und uns[e]re Liebe! Oh Du! Du!! Wie bin ich doch so ganz Dein! Wie muß ich Dich so liebhaben. Und mit der Gewalt der Liebe beschäftigt sich doch auch das Büchlein, wenn auch nicht in gewaltigen Gedanken. Ach Herzelein! Und es ist doch gar nicht so leicht, unmöglich beinahe, gleichsam herauszutreten aus diesem Bann des Liebens und darüber zu denken, zu grübeln womöglich [sic]. Oh Herzelein! Keine Bange vor all den Gedanken. Die Liebe ist eine Gewalt, eine Macht, und [sie] ist eine gute Macht – und über allen Gedanken und allem Nachdenken schaue ich dieses Bild: Hand in Hand wir beide, Du Geliebte! an meiner Hand!! Liebe zwischen uns, innige Liebe von Herz zu Herzen, so wandern wir mitsammen – oh Geliebte – und ich kann nicht glauben anders denken, daß dieses Wandern durch[‘]s Leben ein sinnloses Uhrwerk, ein unpersönliches „Es“, ein ewiges Lebensgesetz, ein Kreislauf sein soll – nein! nein!! Nicht ziellos kann dieses Leben sein, nicht unpersönlich, [es] kann sich nicht erschöpfen in dem Ablauf dieses Lebens! Ach, und die Liebe, die uns erfüllt und verbindet, sie ist mehr als nur eine blinde Gewalt, sie ist Schicksal, sie ist Gottes Geschenk, sie ruft uns auf zu allem guten Streben!

Herzelein! Du! Ich habe Dich lieb, sooooooooooooo lieb! So ganz bin ich Dein – so ganz bist Du mein!

Ein Ganzes ist uns[e]re Liebe! Und so ist sie das größte, köstlichste Kleinod auf dieser Erde.

Herzelein! Ich halte Deine liebe Hand so fest! Ich bin Dir immer ganz lieb zur Seite, Dein Lebensgefährte, Dein Geliebter, Dein Beschützer!

Oh Du! Du!!! Ich bin dir soo in Liebe verbunden!

Herzelein! Ich hülle Dich ein in nur Liebe!

Oh, Du bist so lieb in mein Leben einbezogen, so fest in mein Herz eingeschlossen, Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Gott behüte Dich!

Ich küsse Dich herzinnig! Ich schließe Dich ganz lieb in meine Arme, soo lieb! Ich bin immer bei Dir! [Ich] bin in tiefer Liebe u. Treue

Ewig Dein [Roland]

Gott schenke Dir bald wieder volle Gesundheit, liebes, liebes Weib, meine [Hilde]

Karte
Kommentare
Einordnung
Gesendet am
Gesendet aus
Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
Gesendet nach
Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946