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Briefkorpus

Dienstag, den 5. Mai 1942

Herzensschätzelein! Mein liebes, teures Weib! Meine [Hilde]!

Pfeilgeschwind fliegen die Tage. Und schon wieder ist Abend, sitze ich wieder vor dem weißen Bogen, um Dein zu denken. Bald wird es heißen, alles packen. In den nächsten Tagen muß ich meine Dienstgeschäfte noch abschließen und übergeben, und dann bereiten wir rechtzeitig unsre Abreise vor, damit wir in aller Ruhe ziehen können. Die Papiere schreiben wir uns ja selber. Fein, daß wir zu dritt sein können, daß wir einander helfend beispringen können. Da denke ich eben auch an die neue Feldpostnummer: 43809. Ab Mittwoch, den 13. Mai, denke ich, schreibst Du unter der neuen Nummer, wenn ich inzwischen nichts anderes schreibe. Es kann ja nichts weiter geschehen, als daß ein paar Boten einmal falsch geleitet würden. Die kämen dann zu Dir zurück. Darum wird es gut sein, den Absender recht deutlich zu schreiben – ach, da denk ich eben dran: mein Frauchen hat doch einen Stempel, der macht es allen fein leserlich außen. Und innen braucht es ja nur das Mannerli lesen zu können, gelt? Und das kann alles, alles fein deutlich lesen, auch wenn mein Frauchen mal schmiert, wie das Mannerli zuallermeist. Und früher schrieb er sooo fein – hat schon nachgelassen – aber nicht in der Liebe – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Heute in der Mittagsstunde habe ich unseren Schuster wieder besucht, um mich vom Fortschritt der Arbeit zu überzeugen. Fein schauen die Stiefelein schon aus. Sind schon fertig bis auf die Sohlen. Habe auch schon die Maße geprüft – bis jetzt stimmt alles. Du! Fein fein warm werden sie sein! Wenn sie nur passen. Habe über eine halbe Stunde mit auf einem Schemel gesessen – den fleißigen Händen zugeschaut und mich unterhalten, zu dem einen hin auf Französisch, zu dem andern in Deutsch – wir haben uns gegenseitig geholfen und verstanden. Die Schuster sind nicht die dümmsten Leute; diese Erfahrung habe ich schon oft gemacht. Sie haben ja auch ein paar berühmte Ahnen vorzuweisen: den Schuhmacherpoeten Hans Sachs, und den Schusterphilosophen Jakob Böhme.

Herzelein! Sind doch schon wieder zwei liebe Boten zu mir gekommen, die vom Mittwoch und Donnerstag. Der Dienstagbote steht noch aus. Und nun habe ich doch noch alle Hände voll zu tun, um Dir alle Liebe zu erwidern aus den Boten von den Tagen vorher. Ach Herzelein! Ich denke doch mit ein wenig Bangen daran, daß ich nun eine Zeitlang vielleicht nicht soviel Muße und Zeit werde erübrigen können, um so lieb und lange und allein bei Dir zu sein wie bisher. Erst einmal die Tage der Reise. Und dann die Umstände des Neueinrichtens. Herzelein! Du wirst all das lieb verstehen und berücksichtigen – und Du weißt, wenn ich nur irgend kann, werde ich Dir schreiben – und Dein denken, ganz lieb, werde ich immerzu – un[d] liebhaben, von tiefstem Herzen Dich liebhaben ewiglich!!! Oh Geliebte! Und Du wirst mir allzeit zur Seite sein – Du wirst mich geleiten, wohin auch die Fahrt geht – und Du wirst Dich mit mir lieb gedulden! Gegliedert sind die nächsten Monate, die nächste Zeit. Erst einmal 4 Wochen, dann einmal 8 Wochen – und dann kann es nicht mehr weit sein bis zum Wiedersehen – oh Du! Du!!! Mein liebes, treues, tapferes Weib!!! Wir vertrauen Gott, dem Herrn und halten einander ganz lieb fest – sooo fest – sooooooooooooo lieb! Du!!! Wir werden einander nicht fremd werden, nimmermehr! Wir werden einander ganz liebbehalten, alle Liebe eifersüchtig und treu bewahren – oh Herzelein! Wie könnte es anders sein?!!!

Oh Geliebte! Du bist sooo lieb, sooo lieb zu mir! Denkst daran, daß ich Dir nicht ganz heil zurückkehren könnte! Oh Herzelein! Wie lieb denkst Du dazu! Du würdest mich doch ganz lieb behalten, Geliebte! Meine [Hilde]! Ich weiß es: Du könntest nicht anders als ich. Liebe! unsre Freude! Unser Leid! Unser Schicksal! „Dein Mein Leben schließ ich um Deines herum." Oh Herzelein! Ein Paar, so stehen wir vor Gott, eines! Und unlöslich, unzertrennlich sind darum auch unsre Schicksale verbunden. Oh Herzelein! Ich muß Dich auch immer ganz lieb behalten! „Alles tun für Dich! Niemand dürfte heran außer mir! Wie eine böse Löwin würde ich Dich bewachen!" Oh Schätzelein! Ich weiß: Du kannst es, Du bist so stark, Du hast mich so lieb – ich glaube Deinen Worten. Und bin doch so beglückt davon! Oh Geliebte! Niemand außer Dir hat auch ein größeres Recht und Anrecht darauf, mir der nächste zu sein, als Du! Du!!! geliebtes Weib! Dein bin ich doch ganz!

Und auch ich wollte immer Dir am nächsten sein – oh Herzelein! Und ich bin und bleibe es doch auch!!! Dein Herzlieb! Dein Mannerli! Oh Herzelein! Denkst Du noch an die eigensinnige Liebe Deines Mannerli? So eigensinnig ist sie wie die Deine, so entschieden, so aufs Ganze gerichtet! „Ich will Dich und Dein Leben ganz durchdringen. In allen Dingen, zu allen Stunden sollst Du an mich gemahnt sein, an Dein Seeelengeschwister, an Dein anderes Ich." Herzelein! Ich kann es doch nicht besser sagen als mit diesen Deinen Worten. Oh Du! Unser Lieben ist kein launisches Kind, das man erst betteln, dem man erst gut zureden muß – oh Herzelein! – ist ein stürmisches Bedrängen und Drängen, ein heißes, inbrünstiges Wollen zueinander, ist nicht ein Abwarten, sondern ein kraftvolles Tätigsein! Oh Herzelein! Keine Langeweile, keine Leere kann zwischen uns sein – nur ein liebevolles Umeinander und Füreinander. Oh Herzelein! So ist es jetzt über alle Ferne – so wird es bleiben in unserem ganzen Leben! Ein jubelnder, jauchzender, inniger Zwiegesang unser ganzes Leben! Oh Herzelein! Niemand kann ihn stören. Denn er ist von Gott und geht zu Gott!

Oh Du, Geliebte!!! Liebe macht blind. Dieses Wort kann verschieden betont werden und damit verschieden verstanden. Einmal meint man damit, daß die Liebe an allen Schwächen vorbeisehen läßt. Ein andermal, und so möchte ich es anführen, daß die Liebe uns ganz erfüllt, daß wir alles um uns her vergessen, daß alles um uns her versinkt vor dem reichen Erleben der Liebe Oh Geliebte! Wie sicher, geborgen, unangefochten gehen wir mit unsrer Liebe! Wer kennt auch noch alle unsre geheimen, lieben Wege und Steige, die Wege und Steige unsrer Liebe? Wer vermöchte uns zu folgen in unser Reich der Liebe? Wo fänden wir größeres Glück als in der Traute unsrer Herzen? Welches Verlangen könnte seliger und glücklicher machen als dies, einander ganz zu Eigen, zu Ureigen zu sein? Einander ganz zu durchdringen? Einem geliebten Menschen alles zu sein? Unersetzlich? Oh Gelie[b]te! Ich schaue immer nur Dich, bin ganz erfüllt von Deinem geliebten Wesen, ganz gebannt von Deiner Liebe! Oh Du! Du!!! Tiefe, reine Herzensliebe ist zwischen uns – Urgewalt der Liebe, Wunder, Geheimnis – Geschenk Gottes! Du! Mein Seelengeschwister! Mein Lebensgefährte! Mein liebes Weib! Mein Reichtum! Mein Alles! Mein Leben !!!!! !!!!! !!!

Oh Herzelein! Behüte Dich Gott! Er segne unsre Liebe und rüste uns aus mit Kraft und Geduld zu treuem Ausharren!

Ich habe Dich doch sooo soooooooooooooooooo lieb! Oh Du! Du!!! Ich sehne mich nach Dir! Ich bin ganz Dein!

Ich küsse Dich ganz lieb!!! Ewig Dein glücklicher [Roland]! Du! Du!!!!! !!!!! !!!

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946