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[OBF-421015-001-02]
Briefkorpus

Donnerstag, den 15. Okt. 1942

Herzensschätzelein, Geliebte!

Noch nicht in S. [sic], in Belgrad noch um diese Abendstunde, die achte Stunde zeigt die Uhr. Mit 5 Stunden Verspätung kamen wir hier an, weiß nicht, wo sie unser Zug sich geholt hat. Und nun gab es keine Weiterfahrt, dafür aber eine lange Schlange, die sich zur Sammelstelle bewegte. Die Rückreise aus dem Urlaub ist bei mir noch keinmal glatt gegangen.

Na, wir haben eine Stube, können uns diese Nacht mal langstrecken, die müden Beiner [sic] freuen sich schon darauf. Wir sitzen jetzt im Bahnhof. Ein großer Speisesaal ist hier für uns. Hier essen wir schon zum zweiten Male heute Weißkraut mit Kartoffeln, es schmeckt. Ein bewegtes Treiben herrscht hier: Urlauber, die kommen, Urlauber, die gehen. Man kennt sich nicht aus in den Uniformen: Italiener, Kroaten, Polizei, Organisation Todt, Feldeisenbahner. Eben bin ich mit Kamerad H. zurück von einem Gang [siehe Abbildung] durch die Stadt. B. [sic] liegt auf hügeligem Gelände am Zusammenfluß von Donau und Save. Das haben wir uns heute mal angesehen. Du weißt, das interessiert mich. Ich Wir haben uns doch auch schon mal den Zusammenfluß von Limbach und Frohnbach angesehen, besinnst Dich, Herzlieb? Diesmal sind es nun ein paar bedeutsamere Flüsse. Um alles besser beschnacken [Wort unklar] zu können, gingen wir an die berühmte Ecke und kamen dabei in den Festungsbereich. Die Festungsanlagen sind überaltert und kommen für den Ersatzfall [Wort unklar] wohl kaum mehr in Frage. Vom Flußufer nimmt sich aber all das ganz stattlich aus.

Aber im übrigen macht die Stadt auf mich denselben unheimlichen Eindruck wie schon zum ersten Male. Noch sieht man Kampfspuren und Häuserruinen. Gelähmt ist das Leben dieser Stadt, überall scheint noch Hinterhältigkeit und Aufsässigkeit zu lauern, so schauen auch die Menschen drein. Ein Anschlag in den Straßen macht bekannt, daß vor fünf Tagen eine Anzahl von Personen verhaftet wurde, weil sie der Organisation neuen Widerstandes verdächtig waren.

Wieviel schöner und vertrauenerweckend ist S. [sic] dagegen. Da spürt man auch, wie dieses Volk irgendwie geführt wird. Das Volk hier ist führerlos, und die Männer, die es zu führen bestimmt sind, werden gewiß nicht anerkannt. Nun sind unsre Beine noch müder und mögen nur noch nach dem Bettlein – dem Strohsack mit Decken – gehen.

Ob ich heimdenke? Oh Geliebte! Geliebte!!! Wund ist das Herz noch — und die Fremde, das heimatlose Treiben können das wunde nicht heilen. Ich bin froh, daß Kamerad H. b[ei] mir ist.

Oh Herzelein! Ich habe soooviel [sic] Liebe, habe zu viel Liebe erfahren in diesen Tagen – Geliebte Du. Meine [Hilde]! Mein liebes Weib! Mein Alles!!!

Behüt Dich Gott! Ich denke immer nur Dein! Oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Ewig Dein [Roland] .

Morgen früh 915 Uhr können wir weiterfahren.

Bitte grüße die lieben Eltern!

 

 

 

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946