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[OBF-421023-001-01]
Briefkorpus

Freitag, den 23. Okt. 1942

Liebes, teures Herz! Meine liebe, liebste [Hilde]!

Regentag ist heute nach viel schönen Herbsttagen mit kalten Nächten. Schön ist es am Regentag in der Stadt. Aber wenn man daran denkt, wie er die Öde so mancher Stellung unsrer Frontsoldaten in Trostlosigkeit verwandelt! Wir müssen wohl auch Vollmond haben. Habe doch kaum Gelegenheit nach dem Himmel zu schauen, so wie bei Dir daheim, wo man ihm so nahe ist (ja ja, in doppeltem Sinne), wo er zu jedem Kämmerle hereinschaut – ein richtiger Ausguck ist das liebe Elternhaus.

Noch wenige Tage, dann bin ich auch in meiner Arbeit wieder freier. Es ist unangenehm, sich in solch neue Aufgaben hineinzubeißen. Nicht, daß es schwere Probleme gälte, man muß nur ein paar Kniffe und Schliche kennen. Man will auch nicht immer fragen. Morgen sind es schon vier Wochen, daß wir unseren Urlaub antraten. Hier in B. war man bisher ziemlich knauserig mit dem Urlaub. Aber das soll uns jetzt nicht schon härmen, gelt? Wir stehen weit hinten an der Schlange, aber schon nicht mehr ganz hinten – gelt? Du!!!

Soll ich schnell mal in Eure abendliche Runde gucken? Das Radio geht, und spielt Euch dasselbe auf wie mir hier. Die Küche ist wohl gar in ein Badestübl verwandelt? Und gar kein Vorhang da, weil nur Weibl daheim sind? Dann ist es kein richtigs Badstübl – ohne eine [sic] neugieriges Mannerli, auch wenn es hinter dem Vorhang sitzen muß! – wie das Deine nicht Du!!!!!

Ob Ihr es denn auch schön warm habt? Ob die Kohlen gekommen sind! Und morgen geht es nach Breitenborn, so war geplant. Was habt Ihr nicht alles vor! Fein eines nach dem andern! Gelt?

Ach Herzelein! An all dem kann ich nun wieder nur von ferne teilnehmen – und Du weißt, wie gerne ich all das mit Dir teilte. Und es kann doch nicht sein! Noch gehören wir einander erst mit den Herzen – aber da gehören wir einander auch ganz, ganz, Du! unzertrennlich, unlöslich! Und das ist doch das wichtigste das stärkste, das zarteste und mächtigste Band zugleich, das wir nur selber lösen könnten oder Gott – das wir nimmer lösen werden, Du!! Du!!!!! !!!!! !!! – oh, und diese Gewißheit sollte uns immer aus allem Trübsinn reißen: auch vor Gott, dem Herrn, sind wir ein Paar! ja, auch vor ihm. Was will es dann bedeuten, daß unsre Gemeinschaft vor den Menschen noch nicht so sichtbar ist? Ach, und sie ist doch auch längst nicht mehr unsichtbar die Bekannten, die Verwandten, die Menschen, mit denen Du täglich umgehst, sie wissen, daß wir einander gehören, sie sehen, wie wir schon äußerlich die Treue halten, sie können an unserem Bunde nicht zweifeln und rütteln.

Und so gut es eben geht über die Ferne, läßt Du mich, Herzliebes, ja teilnehmen an allem, so wie ich es auch tue – ach Du! Du!!! Ich warte so sehnlich auf Deinen lieben Boten. Wenn die in Snicht so säumig wären, könnte ich schon einen in Händen haben. Soll nur noch einer geöffnet kommen, aber da raucht’s gehörig!

Herzelein! Ich weiß heute nichts mehr. Ach Du! Still ist mein Herze darum nicht – aber was es noch wünschte, es ist nicht erfüllbar – bei Dir ist all das – Du! Du!!! Du!!!!!!!!! Mein Alles, mein Sehnen – meine [Hilde]! Geliebte!

Behüt Dich Gott! Ich bleibe so ganz Dein!

Ich habe Dich sooo, soooooo ooooooo lieb!

Dein Herzensmannerli

Dein [Roland]

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Autor Roland Nordhoff
Korrespondenz Oberfrohna
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Über den Autor

Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946