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[OBF-421029-001-01]
Briefkorpus

Montag, Donnerstag, den 29. Okt. 1942

Geliebtes, teures Herz! Meine liebe, liebe [Hilde]!

Vorbei der Dienst. Er ließ sich heute so flau an und brachte auf die letzte Stunde noch einen ganzen Schwung Arbeit. Bin auf dem Heimweg noch ein Ringel durch den Park gegangen. Ein grauer, rauer Herbsttag ist heute – das hab ich erst am Abend gemerkt. Vorbei nun auch das Abendessen. Es gab Butter, Sardinen und eine Traube Wein, dazu einen guten Tee – fein; so fein ist es nicht alle Tage. Aber das Essen ist gut und reichlich – und viel schöner, wie man es nun in aller Ruhe einnehmen kann am gedeckten Tisch. Das ist einer der neuen Vorzüge. Der andere, daß man den ganzen Tag außer Dienst ganz unbehelligt ist. ½ 6 Uhr ist Wecken; bald wird es auf ½ 7 Uhr verlegt. Wir erheben uns gegen 6 Uhr, so, daß wir eben noch zur Frühmusterung zurecht kommen, an der wir teilnehmen müssen. Nach der Musterung trinken wir Kaffee, und dann geht es zum Dienst.

Ich habe etwas davon gehört, daß daheim die Uhren wieder zurückgestellt werden sollen auf Vormalzeit. Weiß nicht, ob die Rumänen dem sich anschließen; es ist kaum anzunehmen – weil wir hier schon zu weit östlich liegen. Werden wir doch gar nicht zusammen ins Bettlein steigen können – liegt das Mannerli schon drin, wenn das Weiberl kommt – und umgekehrt müßt’s sein, mein ich! Aber schlafen kann es doch nicht eher, ehe nicht alles seine Ordnung hat — und das ist, wenn mein liebes Weib mir zur Seite ist, wo auch immer in diesem Leben – oh Du! Du!!! Du!!!!! !!!!! !!!

Herzelein! Dein lieber Sonntagsbote ist doch heute zu mir gekommen – Sonnenschein im grauen Tag – Du! Ich wußt es doch, daß Ihr nach Breitenborb wolltet. Das Theater wähnte ich acht Tage früher. Fein habt Ihr wieder geschafft – und lieb gefolgt habt Ihr doch, daß Ihr Euch nicht so schlepptet – darüber freut sich das Mannerli doch!

Ich verstehe nicht, wie man die Leute so veralbern kann, daß man erst zu einem Trauerspiel lädt, und dann irgendeinen seichten Mist ihnen vorsetzt. Daß Menschen sich auf eine Mußestunde einstellen oder gar vorbereiten, ich glaube, damit rechnet man üb[er]haupt nicht mehr – friß oder stirb, so auch in der geistigen Kost. Und die meisten merken schon gar nicht mehr, wie man sie für blöde und dumm verkauft.

Herzelein! Unsre Montagträumereien sind wirklich drollig. Ich hätte Deinem Traum wirklich Zuschauer sein wollen – wohin mußt das Mannerli denn da kriechen, wenn es das wollte? Du! Solch komische Geschichten kommen uns, glaube ich, auch nur ein, wenn wir nicht beieinander sind.

Na – hoffentlich ist mein Schätzelein von der Kirmes ganz grade heimgekommen! Hat Großmutter nun wieder mal die stärkeren Trümpfe in der Hand gehabt: Kuchen und Gans. Ja, das sind nun bei diesen Zeiten wirklich höchste Trumpfe, für die mancher viel mehr hätte als der lieben Großmutter eben ein bissel aushelfen.

Ein schöner Herbsttag also auch bei Euch daheim. Wie gerne, wie sooo gerne wäre ich mit Dir gegangen! Durch die geliebten Heimatfluren – und dann eingekehrt zu einem rechten Kirmeskaffee – und abends zu einem Gänsebraten! Ob ich dann mein Schäfelein noch heimbrächte? Wir müssen’s mal probieren – wenn Frieden ist. Für diesen Sonnabend ist nun wohl das Waschstüberl angesetzt. Was wird das Kalendermannerli dazu sagen – das komische – Herzelein! Geliebte! Ach Du, bedenkst Du noch unsre heimliche Hoffnung und Freude? – oh Geliebte! ein Schimmer, ein Abglanz ^nur freudiger Gewißheit, Du! Du!!! – und unsre Enttäuschung – oh Du, die meine war doch nicht geringer als die Deine, geliebtes Herz!!! Es war doch so seltsam! Ob es anders gekommen wäre, wenn wir artiger gewesen wären? – Ach Herzlein! Wir wollen darüber nicht traurig werden – wir wollen voll Vorfreude, voll Freude daran denken, was uns, wills' Gott, noch aufgehoben ist – und daran, daß wir einander sooo [sic] lieb haben, daß wir beide bereit sind, ganz bereit, unsre Liebe zu krönen – ach, so wichtig und bedeutsam ist uns das, daß wir Gott es anbefehlen müssen, daß wir uns darin ganz seinem Spruch fügen.

Oh Herzelein! Möchten die Tage der Schmerzen Dir auch all die Süße und Freude unsrer Hoffnung aufrufen – ach Du! Du!!! möchten sie Dir ganz wachrufen, daß ich Dich lieb habe, so lieb, sooo lieb – Dich allein – Du! Erwählte mein! Herzenskönigin! Einziges, geliebtes Weib! Dir, Dir allein will ich das Leben anzünden [unklar] – Du! Du!!! Du!!!!! !!!!!! !!! Oh, helfe uns Gott! Er schenke Dir recht bald wieder volle Gesundheit.

Nun geht es wieder scharf aufs Wochenende. Morgen werde ich voraussichtlich wieder U.v.D. sein. Am Sonnabend wird es wieder Geld geben. Damit steigt das Interesse wieder an Kaufeswertem. Aber erst muß das Mannerli mal an sich denken. Ich habe meine Uhr weggebracht – sie kostet 400 Lei. Die nächste größere Ausgabe werden ein Paar Hausschuhe sein – 1500 Lei!, 15 ℛℳ, ein Mordspreis – aber das hilft nichts. Ich bekam bei meiner Ankunft hier doch nur 2 (!) ℛℳ eingewechselt. Neben mir stand ein Offizier am Wechselschalt[er:] „Wieviel wünschen Sie getauscht zu haben?" - Ja – ja! Mag sein, daß er mehr braucht.

Am Sonntag will ich den Gottesdienst besuchen.

Schätzeli! 3 Marken schicke ich Dir noch mit. Denk an mein erhobenes Fingerlein!

Nun leb wohl für heute!

Behüt Dich Gott! Bald faß ich Deine lieben Hände wieder – und Deine Liebe, Dein Herz, die fasse ich doch keinen Augenblick – mein Liebstes! meine ganze Freude! mein Ein und Alles!

Ich habe Dich so lieb – sooo lieb! Und bleibe

ewig Dein, in Liebe und Treue

Dein [Roland],

Dein Herzensmannerli.

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Autor Roland Nordhoff
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Roland Nordhoff

Foto von Roland Nordhoff. Nahaufnahme, Person sitzend in einem Fensterrahmen.
Ba-OBF K01.Ff2_.A39, Roland Nordhoff, 1940, wahrscheinlich Bülk, Fotograf unbekannt, Ausschnitt.

 

Roland Nordhoff wurde 1907 in eine bürgerliche Familie in einem ländlichen Dorf im östlichen Sachsen, Kamenz, hineingeboren. Nachdem er ein Musikstudium aufgegeben hatte, arbeitete er als Dorflehrer in Oberfrohna, nahe Chemnitz. Im Frühjahr 1938 wurde er nach Lichtenhain in Sachsen versetzt

Über die Korrespondenz

Oberfrohna

Fotografie des Brautpaars Nordhoff am Tag ihrer Hochzeit vor dem Portal der Kirche.

Das Konvolut aus Oberfrohna befindet sich gut erhalten in privaten Händen in Deutschland. Es umfasst 24 Aktenordner mit ca. 2600 Briefen, die zwischen 1 und 20 Seiten lang sind. Der Briefwechsel beginnt im Mai 1938 und dauert, mit einigen kurzen (Urlaubs bedingten) Unterbrechungen, bis Februar 1946